29 Grad Wassertemperatur: Wenn das Mittelmeer Fieber hat

Verirrter Grauwal vor der Küste Genuas
Dem Mittelmeer geht es gar nicht gut. Wenn man in das Ligurische Meer springt, kann von Abkühlung nicht die Rede sein, vielmehr erinnert die Temperatur an die in einer Badewanne. Man muss schon ein Stück weit hinausschwimmen oder etwas tiefer tauchen, um eine kältere Strömung zu erwischen. Und tatsächlich, schon Anfang August bestätigten die offiziellen Erhebungen den unguten Eindruck: das Meer hatte 29°C Fieber.
Eine Temperatur, die alles, was in unseren Breitengraden im Meer lebt, gefährdet. Gemeint sind Mikroorganismen sowie große Wale. Denn ohne Plankton müssen diese bis zu 10.000 Kilometer weit schwimmen, um Nahrung zu finden.
Ein Problem, das inzwischen vor allem das Mittelmeer betrifft. Nicht zuletzt, weil es nicht sehr tief ist. „Das Mittelmeer ist durchschnittlich 1.500 Meter tief, die Ozeane stattdessen 4.000 Meter und mehr“, erklärt Roberto Danovaro, Professor für Meeresbiologie an der Universität in Ancona.
Die hohen Temperaturen greifen Fische, Neptungras, Algen, Koralle und Mikroorganismen an und führen zum Aussterben der Meeresbiodiversität. „Wobei diese Biodiversität nicht für irgendeine schmucke Mode steht, sondern das Leben auf unserem Planeten ermöglicht“, hebt Danovaro hervor. „Sie erzeugt Sauerstoff, fängt Kohlendioxid ein und ist in der Nahrungskette grundlegend.“
Das Mittelmeer ist ein Konzentrat an Biodiversität. Es deckt 0,82 Prozent der Erdoberfläche, speichert 0,3 Prozent der Wassermengen, ist aber Lebensraum für fast 8 Prozent aller Meeresarten. Diese Vielfalt ist wegen des Klimawandels zunehmend in Gefahr. Zum einen wegen der Wärme, zum anderen weil sie von neuen Bewohnern bedroht wird.
War es ursprünglich das Zuhause von Lebewesen mit kalten Affinitäten, die niedrigere Wassertemperaturen bevorzugen, findet man heute immer mehr Spezies mit warmen Affinitäten.
„Zu den Spezies mit kalten Affinitäten zählt die Braunalge, der wir die wunderschönen Meeresalgenwälder verdanken“, erklärt Danovaro. „Aus den warmen Breitengraden stammen stattdessen die Kaninchenfische, sowie die giftigen Spezies der Hasenkopf-Kugelfische und der Feuerfische.“ Die einen sind hergeschwommen, andere wiederum stammen aus Aquarien.
Beide machen den autochthonen Spezies und Algen das Leben schwer, und die Ozeanforscher warnen vor der Gefahr der Desertifikation. Der Begriff steht hier nicht für Wassermangel sondern für lebloses Meer. Die Unterwasserwelt läuft nämlich dieselbe Gefahr wie die Überwasserwelt.
„Um das Ausmaß der der Folgen des Klimawandels im Meer zu erheben, hat die EU zwei Forschungsprojekte ins Leben gerufen – REDress und LIFE matters – an denen auch Danovaro teilnimmt. Viele Daten gibt es noch nicht aber die wenigen sind mehr als aussagekräftig: „Nach aktuellen Erhebungen sind die Neptungrasflächen im Mittelmeer bis zu 30 Prozent geschrumpft“ hebt der Professor hervor. „Andere Algen bis zu 80 Prozent und die Austernbänke um mehr als 80 Prozent.“ Ziel der zwei Projekte ist es, die ursprünglichen komplexen ökologischen Wechselwirkungen, die das Leben unter Wasser ermöglichen, wieder herzustellen.
Und noch ein Hinweis seitens des Professors: Wer sich darüber freut, dass das Meer immer blauer und kristallklarer wird freut, sollte wissen, dass dies kein Beweis für ein gutes Habitat ist. Das Gegenteil ist der Fall. „Das Grün steht für Algen und gesundes Meer. Das blau für wenig oder gar keine Algen und demzufolge für wenig oder gar kein Leben in den Meerestiefen.“
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