Löwen, Tiger und Co.: Das Millionengeschäft mit Wildtieren in Europa
Löwe Diego war ein Haustier. Bei Felida hat er ein neues Zuhause gefunden.
Zwei Tiger kämpfen. Humaid Abdulla Albuqaish hält sie an einer Kette fest. Der Social-Media-Star aus den Emiraten prahlt mit den Raubkatzen.
Auf Instagram wimmelt es von Bildern, die Großkatzen als Haustiere zeigen. Ihre Besitzer sammeln Millionen Likes.
Erhebliche Nachfrage
Löwen und Tiger, Jaguare und Leoparden sind begehrt. Menschen züchten und handeln sie – legal und illegal. Sie schmuggeln die Großkatzen weltweit. Sie nutzen ihre Teile als angebliche Medizin. Lebende Tiere dienen der Jagdindustrie und als Statussymbol daheim. „Es besteht eine erhebliche Nachfrage“, sagt Kieran Harkin, Großkatzenspezialist der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“.
Auch in Europa blüht der Handel mit Tieren und Tierteilen in großem Stil.
Schmerzen
Die Löwen brüllen. Im Büro von Simone Schuls dröhnt es. „Das ist ein gutes Zeichen“, sagt die Managerin von Felida, dem Auffangzentrum von Vier Pfoten für Großkatzen in Nijeberkoop, einem kleinen Ort in den Niederlanden.
Sie muss sich auch mit vielen schlechten Zeichen auseinandersetzen. Denn zu Felida kommen vernachlässigte Tiere aus Privathaltung und Zirkussen. Viele haben Schmerzen und verletzen sich selbst. Im Auffangzentrum finden sie langsam in ein möglichst artgerechtes Leben zurück. Derzeit sind es acht.
Die Löwin Elza streift durch ihr Gehege. Sie beachtet Schuls nicht. Die Felida-Chefin freut das. Denn Elza ist auf Menschen geprägt worden. In Rumänien war sie ein Haustier.
Löwin Elza war ein Haustier, in der Auffangstation der Vier Pfoten hat sie ein neues Zuhause.
„Wir bauen Vertrauen auf“, sagt Schuls. Das beginnt mit dem Grundsätzlichen. „Die Tiere leiden nicht unter Hunger oder Durst und sie sind frei von Schmerzen, Angst, Stress und anderen Beschwerden.“
Tigerbaby um 3.000 Euro
Schuls träumt von einer Welt ohne leidende Großkatzen. Doch das bleibt auch in Europa vorerst unrealistisch. „Es gibt ein Netzwerk von Züchtern“, sagt Harkin. Die Händler auf dem Schwarzmarkt seien gut vernetzt.
Ein Kunde will einen Tiger? Die Händler starten einen Rundruf. Ein Tigerbaby kostet etwa 3.000 Euro, ein Löwenjunges 1.000 Euro, schätzt Harkin. Einen Puma könnte es billiger geben. Wie viele Großkatzen in der EU leben, weiß niemand. Annahmen gehen von 5.000 bis 15.000 Tieren aus.
Auf den Monitoren sieht Schuls die Tigerin Kenya im Innenraum ihres Geheges. „Bei Felida ist alles kameraüberwacht“, sagt sie. Das dient der Sicherheit und der Beobachtung der Tiere. Vor einem Jahr kamen Kenya und ihre Schwester Samba nach Holland. Sie waren die letzten Zirkustiger in der Slowakei.
Tigerin Kenya war in einem kleinen Zirkuswagen gefangen, jetzt hat sie Platz, sich zu bewegen.
Kenya hatte, wie so viele vernachlässigte Tiere, Zahn- und Nierenprobleme. Die Tierpfleger gewöhnen die Tiger und Löwen daran, dass ihnen ab und zu Blut abgenommen wird. Medizinische Betreuung gehört bei Felida zum Standardprogramm. Im Großkatzenzentrum gibt es einen eigenen OP-Saal.
Medizinische Betreuung für die Felida-Tiere.
Die Krallen waren Kenya im Zirkus gerissen worden. Das ist eine übliche Praxis, wenn die Raubkatzen dem Knuddelalter entwachsen sind. Denn dann werden sie gefährlich.
Zuerst streicheln, dann erschießen
Damit hat auch der Lebenszyklus zu tun, den Harkin etwa in Südafrika beobachtet: „Junge Tiere werden für Streichelzoos oder den Tourismus genutzt. Wenn sie zu groß werden, werden sie oft in der Jagdindustrie eingesetzt, und dann werden ihre Knochen und Körperteile häufig nach Asien geschmuggelt.“
Mero, ein einjähriger Löwe, ist neu bei Felida. In Tschechien hielten ihn Privatleute illegal als Haustier. Als die Behörden davon erfuhren, handelten sie schnell. Sie brachten Mero zunächst in einen Zoo und danach in die Niederlande.
Forderungen
In Europa florieren Zucht und Handel von Wildtieren, kritisiert Vier Pfoten. „Europa ist definitiv ein großer Akteur“, sagt Harkin.
Zentrales Problem: Es fehlt eine einheitliche Gesetzgebung. Vier Pfoten fordert daher:
- Private Haltung von Großkatzen muss in allen Ländern verboten werden,
- ebenso der kommerzielle Handel mit lebenden Tieren und Tierteilen.
In der EU transportieren Händler die Tiere kreuz und quer.
Wie das aussieht, zeigt ein Beispiel aus Harkins Forschung: Vor acht Jahren traf er in Tschechien auf große Raubkatzen, die in Gefangenschaft gezüchtet worden waren. Händler brachten die Tiere von dort nach Deutschland und weiter in andere EU-Länder. Ziel dieser Routen sei es gewesen, so vermutet Harkin, die Tiere aus der EU auszuführen.
Warum die Umwege?
„Unserer Ansicht nach, um ihre Herkunft zu verschleiern und die Vorschriften zu umgehen.“
Der illegale Handel mit Tieren und Tierteilen steht weltweit an vierter Stelle der organisierten Kriminalität. Trotzdem ist er für Kriminelle weniger riskant als etwa der Kokainhandel, sagt Georg Scattolin vom WWF.
- 20 Milliarden Euro
Auf diesen Wert schätzt die UNO den Wert des illegalen Wildtierhandels pro Jahr.
Er gilt als viertgrößtes Verbrechen weltweit – nach Drogen-, Menschen- und Waffenhandel. - 6.467 Transaktionen mit Tigern
wurden laut aktuellem Bericht über den Handel mit asiatischen Großkatzen in 147 Ländern zwischen 2000 und 2024 registriert. Beim Tiger dominieren im illegalen Handel die Teile wie Felle und Knochen. Im regulierten Handel sind es meist lebendige Tiere.
Ein wichtiger Schritt der vergangenen Jahre war daher, dass die UN-Behörde für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) Wildtierhandel als Kapitalverbrechen eingestuft hat.
Enorme Gewinne
Kriminelle Gruppen nutzen für den Handel mit Wildtieren dieselben Routen, Mittelsmänner und Techniken wie für andere illegale Waren und machen sich Lücken in den nationalen Strafverfolgungs- und Strafrechtssystemen zunutze, erklärt die UNODC. Die enormen Gewinne aus dem Handel mit wild lebenden Tieren und Pflanzen finanzieren andere kriminelle Aktivitäten.
„Das Risiko muss höher werden und das wird schon langsam verstanden, weil viele Staaten ja auch von intakter Natur leben und ihren Tourismus darum gestalten“, sagt Scattolin.
- 10 Prozent weniger Schneeleoparden
wird es über die kommenden drei Tier-Generationen geben. Der Schneeleopard ist eine der scheusten und am meisten gefährdeten asiatischen Großkatzen. Eine Analyse des WWF Mongolei verzeichnete 2019 und 2020 einen Anstieg des illegalen Handels. Zwei mögliche Ursachen: eine verbesserte Zusammenarbeit bei Strafverfolgung und Ermittlungen oder eine wachsende Nachfrage nach Schneeleopardenprodukten als Ersatz für seltene Tiger- und andere seltene Wildtierprodukte. - 110.000 Afrikanische Elefanten
sind zwischen 2007 und 2015 verschwunden.
Grund dafür: die Wilderei. Eine Million Schuppentiere wurde in den vergangenen 16 Jahren gehandelt.
Abschied
Felida-Mitarbeiter richten das Futter her. Jedes Tier bekommt im Schnitt 25 Kilo Fleisch pro Woche. Die Tierpfleger regen die Tiger und Löwen zweimal täglich zum Spielen und Erkunden ihres Lebensraums an. Sie verstecken Leckereien in Sackerln, Körben, Kartons. „Wir lernen von jedem Tier“, sagt Schuls.
Damit sich die Tiere wohlfühlen, haben die Innengehege warme Wände. Für den sibirischen Tiger Tajmir, jahrelang ein Haustier in Tschechien, macht das den ersten Winter in Nijeberkoop angenehm. Er ist seit September im Großkatzenzentrum.
Langsam hat er sich an sein neues Zuhause gewöhnt
Gesunde Tiere können vielleicht den nächsten Schritt in ein besseres Leben machen. Denn Vier Pfoten betreibt ein Großkatzenzentrum mit viel Freiraum in Südafrika. 22 Tiere kamen aus Felida bereits hierher.
Manchmal sind die Tiger und Löwen nicht zu retten. Dann sind sie zu krank. Auf der Internetseite von Felida wird jedem Tier gedacht. Die Texte zeigen, wie hart ihr Dasein war. Den Löwen Simba beutete man in einem Musikvideo aus. Danach lebte er vernachlässigt und allein in privater Haltung in Rumänien.
Vier schöne Jahre konnte Felida Simba noch geben – nach einem Leben, das alles andere als gut war.
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