Die englische Stadt Liverpool springt als Veranstalter für Vorjahressieger Ukraine ein. Doch: Karten gibt es keine mehr, bloß auf Internet-Plattformen zu horrenden Preise. Auch für Hotels muss man tief in die Tasche greifen.
13.03.23, 18:00
Aus Liverpool Anna-Maria Bauer
Wer derzeit durch die Liverpooler School Lane spaziert, bleibt unweigerlich an der Ecke Church Alley hängen: Im knallbunt gestalteten Schaufenster sticht ein gezeichneter Sam Ryder, Englands letztjähriger Song-Contest-Kandidat, in europäischem, blau-gelbem Sternepullover hervor. Daneben in Lettern: Eurovision; mit einem Herz anstelle des V.
Karl Emmerson kann es nämlich kaum erwarten. Während weder die Bühne in der Arena noch die Infrastruktur des Eurofests stehen, hat er den Friseursalon „Spellbound“ seines Partners bereits dekoriert: Denn am 14. Mai findet in Liverpool der 67. Song Contest statt.
England trägt den Contest anstelle des Gewinners 2022, der Ukraine, aus. Es ist das erste Mal, seit die Gruppe Katrina and the Waves mit „Love Shine A Light“ 1997 den ersten Platz belegen konnte. In einem Wettkampf hat sich Liverpool gegen Manchester durchgesetzt.
„Ich hatte Wochen vor dem Ergebnis einen Knoten im Bauch“, erzählt Emmerson dem KURIER. Ein wenig enttäuscht ist der 56-Jährige doch. Trotz Stunden in der Warteschlange konnte er keine Finalkarten ergattern. Wie berichtet, waren die 6.000 Tickets (die Hälfte wird Ukrainerinnen in Großbritannien zur Verfügung gestellt) für die neun Shows innerhalb von 36 Minuten ausverkauft. Manche wohl nur, um sie teuer weiterzuverkaufen: Auf der Online-Plattform Viagogo können Finalkarten um 5.000 Euro erworben werden. Auf Nachfrage heißt es, dass sich Preise noch ändern können: „Tickets zu extrem hohen Preisen finden nur sehr selten Abnehmer. Für die Veranstaltung letztes Jahr wurden Tickets für nur 26 Euro verkauft.“
Teure Hotels
Wer Glück hatte, Karten bekommen zu haben, stolpert möglicherweise über die teure Übernachtung. Eine Recherche auf Booking.com zeigt, dass Hotels am Finalwochenende teils 300 Prozent mehr für Zimmer verlangen als gewöhnlich. So gibt es den Queen Room im „Hampton by Hilton“ am zweiten Maiwochenende (für zwei Nächte und zwei Personen) um umgerechnet 1.668 Euro; ein Monat später ist das gleiche Zimmer um 617 Euro zu haben (siehe oben). Das Concert Square Apartment kommt am Finalwochenende auf 2.182 Euro, ein Monat später auf 510 Euro. Und das Doppelbett im Adelphi Hotel gibt es um 1.041 Euro statt um 367 Euro.
„Hampton by Hilton“ erwidert, dass Preisentscheidungen gemäß Angebot, Nachfrage und Verhalten der Mitbewerber erstellt werden. „Die Preise ändern sich im Vorfeld eines jeden Termins. Unsere Preisgestaltung ist marktgerecht.“ Man gehe davon aus, dass der Mai die historischen Werte übertreffen werde.
Hohe Zuschüsse
In diesem Punkt sind sich Unternehmer und Stadt einig: Abgesehen von den Shows soll das zweiwöchige Eurofest von 1. bis 14. Mai mit einem zeitgleichen Rave bis zu 25.000 Menschen aufnehmen können. Und so schießt die Stadt zusätzlich zu den umgerechnet 11,3 Millionen Euro der britischen Regierung noch 4,5 Mio. Euro zu. Liverpool ist zuversichtlich, das Geld wieder hereinzubekommen.
„Alle Eurovisionsstädte verzeichnen in den Jahren nach der Eurovision einen Anstieg der Besucherzahlen“, sagt eine Sprecherin. 59 Prozent der Besucher von Turin (2022) würden planen, zurückzukehren. In Lissabon stiegen die Tourismuszahlen während des ESC-Jahres um 37 Prozent, und in Baku (2012) verdoppelten sie sich im Vergleich zu den Vorjahren.
Emmerson blickt trotz fehlender Karten aufgeregt in den Mai: „Wir werden uns mit unseren Freunden einen schönen Abend machen. Wie jedes Jahr.“
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