Ekelerregendes Wasser, Fettberge und Überflutungen: Das Kanalsystem in England

Ekelerregendes Wasser, Fettberge und Überflutungen: Das Kanalsystem in England
Den Wasserversorgern drohen massive Geldstrafen für die Verschmutzung der Gewässer. Die Kanalisation ist in einem maroden Zustand.

Über die französischen Probleme mit der verschmutzten Seine können Briten nur milde lächeln. Auf der Insel herrschen besorgniserregende Zustände rund um die Wasserversorger. Flüsse sind verschmutzt und den Wasserversorgern droht die Pleite. 

Jetzt drohen den britischen Wasserversorgern wegen der Einleitung ungeklärter Abwässer in Flüsse und Meere Millionen-Strafen. Die britische Wasseraufsichtsbehörde Ofwat schlug am Dienstag für den angeschlagenen Branchenführer Thames Water eine Geldstrafe von 104 Millionen Pfund (121,10 Mio. Euro) vor. Yorkshire Water droht eine Strafe von 47 Millionen, Northumbrian Water 17 Millionen Pfund.

Unter dem Climate Change Act 2008 waren alle Wasserunternehmen gesetzlich verpflichtet gewesen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sich an die zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels anzupassen und regelmäßig über ihre Fortschritte zu berichten. Thames Water wurde erstmals 2011 aufgefordert, die Auswirkungen des Klimawandels auf seine langfristige Widerstandsfähigkeit zu bewerten.

Das Unternehmen hat das Scheitern der Umsetzung der 108 Projekte auf makroökonomische Ereignisse wie Covid-19 und den Anstieg der Inflation zurückgeführt. Und nannte Probleme in der Lieferkette als Grund für die Verzögerungen sowie den Druck der Umweltbehörde, das Unternehmen zu zwingen, mehr Kapazitäten für Sturmtanks zu schaffen. Thames erklärte Anfang Juli in seinem Jahresbericht: „Nach Jahrzehnten der Unterinvestition wird es Zeit brauchen, die Anlagen wieder auf das Niveau zu bringen, das wir erwarten und benötigen.“

Applaus von der britischen Regierung

Die Regierung begrüßte die geplanten Geldstrafen: "Die inakzeptable Zerstörung unserer Wasserwege hätte niemals zugelassen werden dürfen", sagte Umweltminister Steve Reed. Die Krise um die Verschmutzung von Flüssen und Meeren durch eine marode Abwasser-Infrastruktur hat in Großbritannien hohe Wellen geschlagen und war ein großes Thema bei den Wahlen.

Die Aufsichtsbehörde wirft den Unternehmen vor, nicht genug dafür getan zu haben, dass ungeklärtes Abwasser nur in Ausnahmefällen in Flüsse gelangt. Außerdem seien die Aufbereitungsanlagen nicht ordnungsgemäß gewartet worden. "Die Höhe der Strafen zeigt sowohl die Schwere der Versäumnisse als auch unsere Entschlossenheit sicherzustellen, dass die Wasserunternehmen mehr für sauberere Flüsse und Meere tun", erklärte Ofwat-Geschäftsführer David Black. Es sei den Firmen nicht erlaubt, sich die Strafgelder über höhere Gebühren von den Kunden zurückzuholen, betonte er.

Ein Abwasserrohr und ungeklärtes Abwasser im Fluss

Ungeklärtes Abwasser fließt bei Chalgrove in einen britischen Fluss.

Die britische Kanalisation hält üble Überraschungen bereit. So wurde 2021 in London ein gigantischer Abfallhaufen aus der Kanalisation entfernt worden. "Das war ein riesiger, ekelhafter Fettberg, der beim Entfernen eine Menge massive Gewalt und Teamwork erfordert hat", sagte der Einsatzleiter der Wasserfirma Thames Water. Zwei Wochen lang wurde der riesige Knödel aus Fetten, Feuchttüchern und Windeln abgetragen. Er soll in etwa so viel gewogen haben wie ein kleiner Bungalow.

Beobachtern zufolge roch er nach Festivaltoilette und verfaultem Fleisch. London hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Verstopfungen seiner Kanalisation zu kämpfen. 2020 entfernten Spezialisten einen Fettberg, der so viel gewogen haben soll wie ein afrikanischer Elefant.

Die Strafe entspricht neun Prozent des Umsatzes 

Im Zentrum der Krise steht der hoch verschuldete Versorger Thames Water, der rund ein Viertel aller britischen Haushalte versorgt. Die geplante Geldstrafe für den Konzern entspricht neun Prozent des Umsatzes und liegt damit knapp unter der möglichen Höchststrafe von zehn Prozent. Eine solche Strafe würde den Druck auf den Versorger erhöhen. Thames Water kämpft derzeit darum, neues Eigenkapital aufzutreiben und hat gewarnt, dass ihm im Mai nächsten Jahres das Geld ausgehen könnte. Damit droht eine Verstaatlichung. Man nehme die Abwasserkatastrophe "sehr ernst" und werde weiterhin bei den Ermittlungen kooperieren, teilte Thames Water mit. 

Die Unternehmen können nun zu den Strafen Stellung nehmen. Eine endgültige Entscheidung könnte Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres fallen.

Hinweisschild von Thames Water

Hinweisschild des größten britischen Wasserversorgers, Thames Water.

Dauerkrise um das britische Abwasser

  • Im März drohte dem größten britischen Abwasserunternehmen, Thames Water, wegen eines Streits zwischen Investoren und Regulierern die Verstaatlichung
  • Heuer wurden die traditionellen Ruder-Regatten stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Athleten liefen Gefahr, sich in den verseuchten Gewässern mit Krankheiten anzustecken. Nach dem traditionellen Boat Race zwischen Cambridge und Oxford im April meinte etwa das Oxford-Teammitglied Leonard Jenkins zu BBC: „Es wäre viel schöner gewesen, wenn nicht so viel Kacke im Wasser gewesen wäre.“
  • Der kriselnde Konzern gilt in Großbritannien als Musterbeispiel für eine gescheiterte Privatisierung. Das Unternehmen muss Schulden von umgerechnet 17,5 Milliarden Euro zurückzahlen. Gleichzeitig soll es die Gebühren auf einem für Verbraucher akzeptablen Niveau halten und die wachsende Verschmutzung von Flüssen mit Abwasser bekämpfen. 

Weiterhin gibt es keine Besserung

Der Status quo ist weiterhin besorgnisserregend: Thames Water sucht weiterhin Investoren für frische Mittel. Das Unternehmen erklärte erst im Juli erneut, dass es ohne eine Kapitalspritze bis nächsten Juni kein Geld mehr haben würde, was Befürchtungen über einen möglichen Zusammenbruch des Unternehmens auslöste. Der Geschäftsführer, Chris Weston, machte diese Woche den Anstieg der Verschmutzung im letzten Jahr auf einen 40-prozentigen Anstieg der Niederschläge im Jahr 2023 verantwortlich und sagte, dass die veralteten Kläranlagen damit nicht zurechtkämen.

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