Fioravanti ist eine von vielen Unternehmen im Großraum der toskanischen Stadt Prato, die mit „Cenci“, Fetzen und deren ihre Wiederverwertung ihr Geschäft machen. Und das seit Generationen, denn das Fetzengewerbe gibt es hier schon seit 170 Jahren.
Heute spricht man nicht mehr von Fetzengewerbe, sondern von Recycling und Kreiswirtschaft. Das Geschäft ist aber das gleiche.
Geändert hat sich stattdessen die Wertschätzung. Einst galt alles, was mit Secondhand zu tun hatte als Produkt zweiter Klasse, heute ist es als lobenswert daraus Stoffe zu fabrizieren.
Vorzeigemodell
Eigentlich müsste Prato für die EU ein Vorzeigemodell sein. Vor allem seit Jänner. Da trat ein neues EU Gesetz in Kraft, das die Entsorgung von Textilien regelt. Demnach wäre es verboten auch nur einen Staubfetzen im Restmüll zu entsorgen. Alles muss in einen dafür bestimmten Container. Ziel ist es das Recycling zu fördern. Leider weiß von den EU-Bürgern aber fast niemand von dieser Verordnung und die Sondercontainer gibt es bis jetzt auch nicht.
Laut Greenpeace werden jährlich fünf Millionen Tonnen Kleidungsstücke weggeworfen. 80 Prozent davon landen im Müll. Ein Großteil kommt aus der Fast Fashion Produktion. Apropos Fast Fashion: Es ist paradox, dass Prato einerseits ein wichtiges Recyclingzentrum ist, gleichzeitig aber auch Standort der Fast Fashion Produktion, die zum Großteil in Händen von chinesischen Unternehmern ist.
Wie man aus der Homepage des Konsortiums Corertex entnimmt kommen jährlich an die 100.000 Tonnen Fetzen aus überall in Europan nach Prato und werden hier verarbeitet.
Fabrizio Tesi ist Mitinhaber der Firma Comistra, die sein Großvater 1905 gegründet hatte. Stolz zeigt er auf seine Jacke und sagt: „Das ist recyceltes Mohair, was aber auch ein Fachmann nicht unbedingt gleich ausmachen würde.“
Die Tour durch die Werkstätte führt zuerst durch die Hallen, wo farbige Stoffballen gestapelt sind. Die warten darauf in die angrenzende Halle zu kommen und dort durch Wasserbad und Eisenstacheln wieder zu Fasern zu werden. Herr Tesi nimmt ein Häufchen dieser Fasern in die Hand, sie erinnern an Zuckerwatte.
„Wichtig zu erwähnen ist, dass die Zersetzung der Stoffe in Fasern und die darauffolgende Verarbeitung zu Garn ohne Chemikalien stattfindet, und dass sich das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf befindet, also immer wieder verwendet wird.“
Wo genau beginnt der Kreislauf?
Was geschieht mit dem T-Shirt im Altkleidercontainer? Das landet zum Beispiel bei Gemar & Figli.
Fabio Marseo ist Vizevorsitzender von Corertex und Verwalter des Familienunternehmens in vierter Generation. Auf den Werkbänken sortieren die Mitarbeiterinnen, es sind vornehmlich Frauen, den Inhalt in drei Gruppen: Secondhand, Recycling und Entsorgung. „Unseren Erfolg verdanken wir diesen Frauen“ hebt Marseo hervor. „Ihrer Erfahrung und ihrem Tastgefühl.“
Am lukrativsten ist Secondhand; beim Recycling kommt es auf die Fasern an. „Der Anteil von Secondhand liegt normalerweise bei 40 Prozent, 3 Prozent kommt in den Müll, der Rest ist recycelbar. Wir sortieren täglich acht Tonnen aus. Das macht 1,5 Millionen Kilogramm im Jahr. Gäbe es uns nicht, würde fast alles in den Müll landen“ erklärt er.
Nachdem man bei Gemar mit der Aussortierung fertig ist, geht es für die recycelbaren Textilien nach Indien und Pakistan. Dort werden die Etiketten entfernt und nach Fasern und Farben sortiert. Je nach bestellter Faser und Farbe kommen die Ballen wieder nach Europa. Diesen Teil der Arbeit hier zu machen würde zu viel kosten.
„Freilich wäre es schön, die ganze Produktionskette hier zu haben“ sagt Herr Tesi. „Aber wäre kein Recycling nicht noch umweltschädlicher?“
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