Pietro Orlandi ist der zweitälteste der Orlandi-Kinder und heute 64 Jahre alt. Einen Großteil seines Lebens hat er der Suche nach der Wahrheit über seine Schwester Emanuela gewidmet, die am 22. Juni 1983 im Alter von 15 Jahren spurlos verschwand. Das werde er auch weiterhin tun, sagt er. Auch, wenn Freunde und Bekannte ihm raten würden, die Sache nach so vielen Jahren doch endlich ruhen zu lassen.
„Eine Ungerechtigkeit lässt man aber nicht ruhen“ so Orlandi. „Nicht nur meine Ursprungsfamilie unterstützt mich, auch meine jetzige.“ Seine Frau und seine sechs Kinder stünden hinter ihm.
"Warum hat man sie uns weggenommen?"
Als Papst Franziskus Anfang Jänner verkündete, die Wahrheit über Emanuelas Verschwinden ans Licht bringen zu wollen, schöpfte die Familie neue Hoffnung. Auch die Mutter, die mittlerweile 93 Jahre alt ist und immer wieder fragt: „Warum hat man sie uns weggenommen? Wo hat man sie hingebracht?“
Dass Franziskus gleich danach dem vatikanischen Hauptstrafverfolger Alessandro Diddi den Ermittlungsauftrag erteilte, schien wie ein Beweis, dass der Papst es ernst meinte.
Neue Ermittlungen
Im Mai teilte die römische Staatsanwaltschaft mit, dass man trotz zwei schon ad acta gelegten Ermittlungen neue aufnehmen werde. Und am 25. Juni gedachte Franziskus Emanuela Orlandi sogar beim Angelusgebet. Bis vor Kurzem war man also guter Dinge.
➤ Mehr dazu: Papst gedachte der vor 40 Jahren verschwundenen Emanuela Orlandi
„Und jetzt kommt plötzlich der Onkel ins Spiel, zusammen mit einem Phantombild“, sagt Pietro. Dieses zeige einen Mann, mit dem seine Schwester zum letzten Mal gesehen worden sein soll und der eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Onkel Mario habe. „Doch was der Sender als Enthüllung verkauft, also die Avancen meines Onkels, war den Ermittlern bekannt. Natalina wurde schon früher dazu befragt und die Ermittlungen ergaben, dass er am besagten 22. Juni nicht in Rom war.
"Papst hat für mich zur Familie gehört"
Vater Orlandi, der mittlerweile gestorben ist, war ein Vatikan-Angestellter, weswegen die Orlandis zusammen mit einer Handvoll anderer Familien von Angestellten im Vatikanstaat lebte. „Das war mein Zuhause, die Vatikangärten waren unser Spielplatz“ erzählt Pietro. „Wir hatten eine tolle Kindheit. Ab und zu fuhr der Papst vorbei und grüßte uns Kinder. Für mich hat er zur Familie gehört. Umso verstörender war es zu sehen, wie zuerst Papst Johannes Paul II. und danach Benedikt XVI. nichts unternommen haben, damit die Wahrheit über meine Schwester ans Licht kommt.“
Der TV-Bericht hinterlässt bei Pietro den fahlen Nachgeschmack, dass wieder jemand falsche Fährten legen will. Er will stur weiterkämpfen.
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