Drogenbericht 2024: Gefahr für Europa steigt durch neue Mischungen

Drogenbericht 2024: Gefahr für Europa steigt durch neue Mischungen
Der europäische Drogenbericht 2024 wurde in Lissabon vorgestellt. Verändertes Konsumverhalten könnte eine Bedrohung für Europa werden.

Hochwirksame synthetische Substanzen, neue Drogenmischungen und sich ändernde Konsummuster sind eine wachsende Bedrohung in Europa.

Dies geht aus dem Europäischen Drogenbericht 2024 hervor, der am Dienstag von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) in Lissabon vorgestellt wurde.

Konsumenten wüssten mitunter nicht, was sie einnehmen "und setzen sich dadurch größeren Gesundheitsrisiken, einschließlich potenziell tödlicher Vergiftungen, aus".

Schätzungen zufolge waren zumindest 6.392 Todesfälle in der EU im Jahr 2022 auf Drogenüberdosen zurückzuführen (2021: 6.166). Opioide, oft in Kombination mit anderen Substanzen, waren in rund zwei Drittel der Fälle nachweisbar. Heroin spielte laut dem Bericht bei mehr als 1.800 Todesfällen eine Rolle, davon 142 in Österreich. Wobei in nur wenigen westlichen Ländern die Mehrheit der tödlichen Überdosen mit Heroin in Zusammenhang stehe - in Österreich lag dieser Anteil hingegen bei 77 Prozent und im Nachbarland Italien bei 57 Prozent.

Die Kombination von Opioiden mit Benzodiazepinen erhöht das Risiko noch. Die verschreibungspflichtigen Schlaf- und Beruhigungsmittel wurden in mehreren Ländern, darunter Österreich, bei der Mehrheit der Todesfälle nach Überdosis festgestellt.

Der gleichzeitige oder aufeinanderfolgende Konsum von zwei oder mehr psychoaktiven Substanzen sei weit verbreitet. Egal ob Benzodiazepine mit Opioiden oder Kokain mit Alkohol, die Risiken sind größer und Hilfe, etwa bei Überdosierungen, schwieriger. Zu den Prioritäten der neuen Drogenagentur der Europäischen Union (EUDA), die am 2. Juli ihre Arbeit aufnimmt, gehört auch eine bessere Überwachung solcher Polykonsummuster.

Heroin ist das am häufigsten konsumierte illegale Opioid. Im Vergleich zu Nordamerika spielen synthetische Opioide eine relativ geringe Rolle, sind aber in den baltischen Ländern von großer Bedeutung. Auch in anderen EU-Mitgliedstaaten wächst die Besorgnis deswegen. 2023 waren sechs der sieben neuen synthetischen Opioide im EU-Frühwarnsystem (EWS) Nitazene. Sie werden manchmal als "synthetisches Heroin" verkauft und wurden in gefälschten Arzneimitteln entdeckt. Im vergangenen Jahr wurden Nitazene mit einem starken Anstieg von Todesfällen in Estland und Lettland sowie mit lokalen Häufungen von Vergiftungen in Frankreich und Irland in Zusammenhang gebracht.

Künftige Heroinknappheit 

Der größte Teil des in Europa konsumierten Heroins stammt aus Afghanistan, wo die Taliban im April 2022 ein Verbot des Anbaus von Schlafmohn und der Opiumproduktion ausgesprochen haben. UNODC-Zahlen für 2023 zeigen für Afghanistan einen Rückgang von schätzungsweise 95 Prozent gegenüber 2022. Auf die Versorgungslage in Europa habe sich das noch nicht spürbar ausgewirkt, heißt es im Bericht. Eine künftige Heroinknappheit könnte zu mehr Konsum von synthetischen Opioiden führen. Europa müsse sich besser auf solche "Marktverschiebungen" vorbereiten.

Rekordmengen an Kokain 

Bei Kokain wurden im sechsten Jahr in Folge in den EU-Mitgliedstaaten Rekordmengen beschlagnahmt: 323 Tonnen im Jahr 2022 (303 Tonnen im Jahr 2021). Die europäischen Sicherstellungen übersteigen nun jene in den Vereinigten Staaten. Auf Belgien (111 Tonnen), Spanien (58,3 Tonnen) und die Niederlande (51,5 Tonnen) entfallen 68 Prozent der Gesamtmenge.

Kokain als beliebte Droge 

Kokain ist laut Bericht die zweithäufigst gemeldete illegale Droge, sowohl bei Personen, die sich erstmals in Drogenbehandlung begeben (29.000 im Jahr 2022) als auch bei Notaufnahmen in Krankenhäusern. Die Droge dürfte auch an etwa einem Fünftel der gemeldeten Todesfälle durch Überdosierung im Jahr 2022 beteiligt gewesen sein, häufig zusammen mit anderen Substanzen. Kokain wurde im vergangenen Jahr von etwa vier Millionen der europäischen Erwachsenen (15 bis 64 Jahre) konsumiert.

Im Jahr 2023 gingen im EU-Frühwarnsystem Meldungen über neun neue Cannabinoide ein, von denen vier halbsynthetisch waren. Das am häufigsten nachgewiesene halbsynthetische Cannabinoid ist Hexahydrocannabinol (HHC). Es gab Berichte über Vergiftungen, auch bei Kindern, die HHC-haltige Edibles konsumiert hatten.

Schätzungen zufolge haben etwa acht Prozent (22,8 Millionen) der europäischen Erwachsenen in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert. Etwa 92.000 Menschen begaben sich 2022 wegen Problemen damit in Behandlung, was etwa einem Drittel aller Therapieeinsteiger entspricht. Cannabis war 2022 auch die am häufigsten vom Euro-DEN-Plus-Krankenhausnetzwerk gemeldete Substanz und wurde in 29 Prozent der Fälle von akuter Drogenvergiftung nachgewiesen.

"Der europäische Drogenmarkt ist schnelllebig und unbeständig und schürt Gewalt und Korruption", sagte Ylva Johannson, für Inneres zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission. Suchtgift komme vor allem über die Häfen.

Drogenagentur der europäischen Union

Dagegen sei die Europäische Hafenallianz gegründet worden. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats der EMCDDA, Franz Pietsch, wies daraufhin, dass der jüngste Drogenbericht auch der letzte sei, den die EMCDDA veröffentlicht, bevor sie im nächsten Monat zur Drogenagentur der Europäischen Union wird. Sie werde auch in ihrer neuen Form bei der Bekämpfung der Ursachen und Folgen des Drogenkonsums großen Nutzen bringen.

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