Grüne Energie mit Nebenwirkungen: Chinas umstrittener, weltgrößter Mega-Staudamm

Chinas Premier Li Qiang beim Spatenstich (M.)
Stünde Chinas neuestes, gigantisches Energieprojekt in Deutschland, könnte das geplante Megakraftwerk im Alleingang zwei Drittel des täglichen deutschen Stromverbrauches abdecken. Vor genau einem Monat setzte der chinesische Ministerpräsident Li Qiang zum Spatenstich an – für den größten Staudamm und das größte Wasserkraftwerk, das die Welt je gesehen hat. Seitdem wird in einer der schönsten Naturlandschaften des Landes, im südlichen Tibet, mitten im Himalaja, ohne Unterlass gebohrt, gegraben, gehämmert und vermessen.
Fast 145 Milliarden Euro (1,2 Billionen Renminbi) wird die Volksrepublik in das Kraftwerk investieren: Zwei Talsperren werden das Wasser des Flusses Yarlung Tsangpo stauen, fünf hintereinander geschaltete Turbinen sollen nach Fertigstellung – irgendwann Anfang der 30er-Jahre – bis zu 300 Milliarden Kilowattstunden Strom jährlich produzieren.
Megawasserkraftwerk
Das riesige Bauwerk wird am Fluss Yarlung Tsangpo auf tibetischem Gebiet errichtet. Es soll der größte Staudamm und das größte Wasserkraftwerk der Welt werden.
Das Mega-Projekt
umfasst zwei Talsperren, fünf Turbinen und viele Tunnel. Es soll jährlich 300 Milliarden kWh Energie liefern.
145Milliarden Euro
oder 1,2 Billionen Renminbi soll der geplante Megastaudamm kosten. Damit noch nicht genug: Auch die Infrastruktur muss noch errichtet werden, um die Energie in die chinesischen Ballungszentren zu transportieren. Kostenpunkt dafür: 900 Mrd. Euro.
Die Klimaziele
Und China, der weltgrößte Verursacher von Treibhausgasen, wird diese saubere Energie auch benötigen: Laut Angaben der Internationalen Energieagentur IEA stieg der Kohleverbrauch des Landes im Vorjahr auf einen Höchstwert. Schwerindustrie und Privathaushalte verbrauchen mehr Energie denn je, hinzu kommen das in China rasante Wachstum der E-Mobilität und der stromhungrigen Künstlichen Intelligenzen.
Das riesige Staudammprojekt sei deshalb unverzichtbar für die Klimaziele der Volksrepublik, lobte Ministerpräsident Li Qiang das „Jahrhundertprojekt“ – ein grünes Vorzeigeprojekt.
Der geplante Mega-Staudamm stellt den bis dahin größten Staudamm in den Schatten – den berühmten Drei-Schluchten-Damm am Jangtse-Fluss.

Drei Schluchten-Staudamm am Jangtse
Für diesen hatten einst mehr als eine Million Chinesinnen und Chinesen umgesiedelt werden müssen – und auch beim sogenannten Nyingchi-Projekt könnten bis zu 1,2 Millionen Tibeter von Zwangsumsiedlungen oder massiven Umweltschäden betroffen sein.

Die Yarlung-Tsangpo-Schlucht, die größte und tiefste Schlucht der Welt, gilt als funkelndes Naturjuwel, mehr als 4.500 Pflanzenarten sind hier zu finden, darunter die ältesten Bäume Asiens. Laut chinesischen Ökologen gibt es nirgendwo auf der Welt eine größere Ansammlung von großen Raubkatzen, Bären und Wölfen als hier. Chinas Führung verspricht zwar, sie würden dem Megaprojekt höchste Priorität zugestehen, doch internationale Umweltschützer schlagen Alarm: Was in Tibet geplant werde, sei weder klimafreundlich noch nachhaltig, sondern rücksichtlose Ausbeutung und Zerstörung der Natur.
Zugang zu der ohnehin schwer erreichbaren Region aber haben weder Umweltschützer noch Journalisten. Und sie sind nicht die Einzigen, die Sorgen äußern: Vor allem Indien fürchtet um die Versorgungssicherheit im Norden seines Landes durch jenen Fluss, der in Indien als Brahmaputra bekannt ist. Befürchtet wird, dass China die Talsperren in der Schlucht im schlimmsten Fall als Waffe einsetzen und dem Norden Indiens sprichwörtlich das Wasser zudrehen könnte.
Peking weist dies zurück: Der Staudamm werde keine negativen Folgen für die flussabwärts gelegenen Gebiete haben, und man bleibe mit Indien und Bangladesch deswegen stets im Gespräch.
Die Erde bebt
Ein großes Problem bleib auch: In Tibet sind Erdbeben keine Seltenheit, die Region liegt an der Grenze von zwei tektonischen Platten – sie waren für die Entstehung des Himalaja verantwortlich. Erst im Jänner wurde die Region von einem Beben der Stärke 6,8 erschüttert, mehr als hundert Menschen starben, fünf Dämme wurden beschädigt. „Wenn ich ein chinesischer Bauingenieur wäre, würde ich mir die größten Sorgen über ein Beben machen, das den Damm einreißen könnte“, heißt es vonseiten australischer Geomorphologen.
Mit dem Bau des Megastaudamms samt Kraftwerk aber allein ist es für die Stromversorgung längst nicht getan: Erst muss auch noch die gesamte Infrastruktur errichtet werden, um die Energie dorthin zu transportieren, wo sie verbraucht wird. Die Summen dafür werden ein Vielfaches dessen verschlingen, was der Megadamm kostet.
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