Wenn das Gesicht von Trent Conaway für die Situation in East Palestine steht, dann ist eines klar: In dem 4.700-Seelen-Nest im Osten des US-Bundesstaates Ohio kocht die Wut zwei Wochen nach dem schweren Frachtzug-Unglück, in dessen Folge krebserregende Chemikalien kontrolliert verbrannt wurden, immer noch hoch. „Ich will, dass unsere Bürger sich in ihren eigenen vier Wänden sicher fühlen“, sagte der Bürgermeister bei einer Versammlung in der Turnhalle einer örtlichen High School.
Weil in etlichen der fast 50 entgleisten Waggons leicht entzündliche chemische Stoffe gelagert waren, insbesondere das krebserregende Vinylchlorid, entschieden sich die Behörden drei Tage später für ein kontrolliertes Abfackeln. Im Radius von fast zwei Kilometern wurden alle Wohnhäuser evakuiert. Kurz danach stieg ein gigantischer, schwarzer Rauchpilz in den Himmel.
Weil beim Verbrennen von Vinylchlorid Chlorwasserstoff und Phosgen freikommen (Letzteres wurde im Ersten Weltkrieg eingesetzt), reagierten viele Bewohner alarmiert, als sie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Reizhusten plagten.
„Ich will nicht in zehn, 15 Jahren eine Krebsdiagnose bekommen“, sagte Therese Vigliotti etwa lokalen Medien. Die 47-Jährige war zum Zeitpunkt der Explosion draußen. Seither fühle sich ihre Zunge wie „verbrüht“ an. Außerdem habe sie Blut im Stuhl. Reichlich Fragebedarf also.
Doch das Unternehmen, das die Bahn betreibt, sagte kurz vor der Bürgerversammlung ab, angeblich wegen massiver Drohungen. Was unter den Zuhörern nur den Eindruck zementierte: „Die sagen uns nicht die Wahrheit, die haben etwas zu verbergen.“
Ebenfalls wenig vertrauensbildend kamen Aussagen von Beamten der bundesstaatlichen Verwaltung in Ohio an. Sie empfahlen den Bürgern, bis auf Weiteres nur Wasser aus herangekarrten Plastikflaschen zu trinken. Das war am Dienstag – Am Mittwoch konterkarierte die staatliche Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) diesen Rat. Sie konstatierte nach Tests, dass das öffentliche Trinkwasser sicher sei.
„Profit über Menschen“
Bahn-Chef Alan Shaw meinte zwar: „Wir werden die Unglücksstelle in einer umweltbewussten Weise säubern, Anrainer, die betroffen sind durch die entgleisten Waggons, entschädigen und gemeinsam mit der Stadt erörtern, was es braucht, damit East Palestine sich erholt und wieder prosperiert.“ Dem halten die Gouverneure von Ohio und dem Nachbar-Bundesstaat Pennsylvania, Mike DeWine (Republikaner) und Josh Shapiro (Demokrat), aber entgegen, dass die Firma schon bei den Chemikalien nicht transparent gewesen sei.
Nach dem Unglück habe man vor allem alles daran gesetzt, die Bahnlinie so schnell wie möglich wieder für den Verkehr zu öffnen. Obwohl der durch Überwachungskameras entstandene Verdacht im Raum steht, dass fahrlässig vernachlässigte Brems-Technologie das Unglück am 3. Februar erst ausgelöst hatte.
An einer Straßenecke nahe der ausgebrannten Waggons steht dazu passend ein Schild mit dieser Aufschrift: „Profit geht über Menschen. Sie haben die Stadt vergiftet.“
Kommentare