Brände in L.A.: Warum eine Österreicherin diesen "verdammten Ort" nicht verlässt
von Kathrin Pilz
"Erdbeben, Brände, Unruhen und Dürren – willst du diesen verdammten Ort nicht verlassen?!“ – „Aber was ist mit dem ,good life‘?“ So lautete der Untertitel einer Karikatur, die ein Paar in Shorts und T-Shirt beim Grillen in der gleißenden Sonne Kaliforniens vor einem Weihnachtsbaum zeigt. Das Bild stand auf dem Schreibtisch eines Professors an der University of Southern California, mit dem mein heutiger Ehemann zusammenarbeitete.
Es war das Jahr 1994. Los Angeles hatte sich gerade von den Rodney-King-Unruhen erholt, bei denen Menschen die engen Straßen in den Hollywood Hills in Brand gesteckt hatten, sowie von einem Erdbeben. Es war auch das Jahr, in dem wir die lebenswerteste Stadt der Welt – Wien – hinter uns ließen, um nach Los Angeles zu ziehen. Diese Karikatur setzte sich in meinem Gedächtnis fest. Ich kapierte es nicht: Was war so gut am Leben in Los Angeles? Weihnachten in Shorts zu feiern, kam mir traurig vor, und im Vergleich zur Schönheit der europäischen Architektur sahen die Häuser etwas trostlos aus. Tatsächlich war das einzig Attraktive das ständige goldene Licht, in das die Stadt getaucht war.
Aber da ich Heimweh hatte, begann sogar das unerbittlich schöne Wetter meine einsame Einwanderer-Seele zu deprimieren. Dazu kam die Angst vor einem Erdbeben oder davor, überfallen zu werden. Ich fragte mich, was wir hier machten. Tief in meinem Inneren wusste ich jedoch, dass ich alles dafür tun würde, um in diesem Wüstenboden Wurzeln zu schlagen, der eigentlich nicht für menschliches Habitat gedacht war, und der sich unaufhaltsam bemühte, uns abzuschütteln.
Inmitten des Infernos
Schnell vorwärts ins Jahr 2025: Ich wache mit Whatsapp-Texten besorgter europäischer Freunde und Verwandter auf, die sich inmitten des Infernos nach uns erkundigen und mich fragen, ob ich diesen verdammten Ort nicht verlassen will. „Aber was ist mit dem ,good life‘?“, texte ich zurück. Mir ist dabei klar, dass meine Freunde auf der anderen Seite des großen Teiches die Leidenschaft für diesen Ort nicht verstehen, die ich aber mit den meisten Los Angelinos teile, und die mit den Flammen nur weiter angefacht wurde.
Es ist schwer, die Vielfalt der Gefühle zu beschreiben, die diese Stadt derzeit durchlebt. Sie spiegeln sich vor allem bei unseren Kindern wider, die beide hier aufgewachsen sind. Für sie war das Pacific Palisades Village ein zweites Wohnzimmer und der Strand von Malibu ein Zufluchtsort, verbunden mit Surfen, Lagerfeuer und ersten Romanzen vor atemberaubenden Sonnenuntergängen.
Avery, die beste Freundin unserer 17-jährigen Tochter Una, wachte am 7. Jänner an einem dieser magischen klaren Wintertage auf, die durch die Wüstenwinde von Santa Ana frühlingshaft wirken. Sie war ganz aufgeräumt wegen ihres Lieblingswetters, das voller Versprechen für das neue Jahr schien. Sie verließ ihr Zuhause mit Blick auf die Klippen und den Pazifik und ging in die Schule. Ein paar Stunden später war sie in Tränen aufgelöst. Ihr Haus war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Alles, was ihr geblieben war, waren die Kleider, die sie trug.
Ein anderer enger Freund, Krishu, dessen Haus im ebenen Teil der Palisades lag und der immer stolz darauf war, nur die Straße überqueren zu müssen, um zum Unterricht zu gehen, verlor nicht nur sein Haus und seine Katze, sondern auch seine Schule. Er sagte zu Una, dass er nirgendwo mehr hingehöre.
Eine von Unas Freundinnen besaß ein Pferd. Als klar wurde, dass ihr Haus in Flammen aufgehen würde und die Straßen blockiert waren, entschied ihre Mutter, das Pferd freizulassen, und es verschwand im dichten Rauch. Es brach seiner jungen Besitzerin das Herz.
Erschreckend viele unserer Freunde sind in einer ähnlichen Situation oder sie müssen mit brutaler Ungewissheit zurechtkommen. Wir mussten vor wenigen Stunden ebenfalls aus Bel Air hinaus und ich schreibe diesen Text im Haus wunderbarer Freunde, die uns mit offenen Armen aufgenommen haben. Ich habe noch nie mehr Liebe und Wertschätzung für diese Stadt und ihre Bewohner empfunden.
Wetter der Katastrophe
Diese Stadt der Außenseiter und Träumer, Spieler und Künstler, die alle in diese kreative Gemeinschaft eingebunden sind, die beruflichen Erfolg nie als selbstverständlich oder dauerhaft hinnehmen kann. Vielleicht sehnen wir uns nach diesem wackeligen Boden, auf dem nichts für die Ewigkeit gebaut ist, aber alles möglich scheint – auch ein Inferno.
Wie die große Schriftstellerin Joan Didion es ausdrückte: „Das Wetter in Los Angeles ist das Wetter der Katastrophe, der Apokalypse, und so wie die zuverlässig langen und bitterkalten Winter in Neuengland das Leben dort bestimmen, so beeinflussen die Gewalt und die Unberechenbarkeit des Santa Ana Windes die gesamte Lebensqualität in Los Angeles und betonen seine Vergänglichkeit, seine Unzuverlässigkeit. Der Wind zeigt uns, wie nahe wir am Rande des Abgrunds sind.“
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