Bis zu 20.000 Tote: Katastrophe in Libyen hätte vermieden werden können

Satellitenansicht einer Stadt vor und nach einer Überschwemmung.
Man hätte die Menschen in den hauptbetroffenen Regionen rechtzeitig warnen und evakuieren müssen, meinen UNO-Wetterexperten.

"Wir hätten die meisten der menschlichen Opfer vermeiden können.“ Das ist die erschreckende Erkenntnis, die die UNO-Weltwetterorganisation (WMO) am Donnerstag im Fall der Flutkatastrophe von Libyen mit der Öffentlichkeit teilen musste.

Dazu hätte man die Menschen in den hauptbetroffenen Regionen rechtzeitig warnen und evakuieren müssen, so die UNO-Wetterexperten. Dafür wären aber ein funktionierendes Warnsystem vor der Katastrophe sowie ein besseres Krisenmanagement notwendig gewesen.

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Die Lage in Libyen ist nach wie vor dramatisch. Nach dem gewaltigen Sturmtief „Daniel“, das den Wüstenstaat am Sonntag erreicht und zuvor auch schon im Süden Europas großen Schaden angerichtet hatte, wird das Ausmaß der Katastrophe in den betroffenen Regionen erst allmählich sichtbar. Während internationale Hilfsaktionen nur schleppend anlaufen, steigt die Zahl der Todesopfer weiter.

Allein in der Hafenstadt Darna sind Tausende Menschen bei der Flutkatastrophe ums Leben gekommen. „Ausgehend von den zerstörten Bezirken in der Stadt können es 18.000 bis 20.000 Tote sein“, sagte der Bürgermeister von Darna, Abdel-Moneim al-Gheithy, in einem arabischen Fernsehsender.

 

Bürgerkrieg seit 2011

Libyen ist ein Land im Dauer-Ausnahmezustand. Seit 2011 herrscht in dem nordafrikanischen Staat Bürgerkrieg, seit 2014 gibt es mit nur kurzer Unterbrechung zwei rivalisierende Regierungen. Die international Anerkannte sitzt im westlichen Tripolis, der Regierungssitz des Machthabers Chalifa Haftar ist in Tobruk im Osten Libyens.

Eine Karte von Libyen, die das betroffene Gebiet nach einer Naturkatastrophe zeigt.

Im Fall der aktuellen Unwetterkatastrophe wurde ein internationales Hilfeersuchen gestellt. Diese Hilfe kommt derzeit hauptsächlich von den traditionellen Verbündeten Libyens. Das sind etwa Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Auch die Türkei will helfen, wo genau, ist noch unklar. Europäische Länder haben Hilfe angeboten – am Donnerstag startete ein Transportflieger mit ersten deutschen Hilfsgütern.

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Probleme bei der Hilfe

Die Herausforderung: Es ist noch nicht klar, inwieweit die Regierung in Libyens Osten den Hilfsteams überhaupt Zugang zu der Hafenstadt gewährt. Doch selbst wenn die Hilfsgüter an richtiger Stelle ankommen, ist noch immer unklar, wie sie verteilt werden. Darna hat keine funktionierende Verwaltung, Machthaber Haftar regiert nur über sein Militär. Daher gibt es auch keine zentrale Organisation der Hilfsaktionen, wie das in anderen Ländern üblich ist.

Die politische Lage hatte nach dem Unwetter auch insofern so dramatische Folgen, weil die Infrastruktur jahrelang nicht gewartet wurde. Die zwei gebrochenen Dämme nahe Darna, die wesentlicher Mitgrund für das gewaltige Ausmaß der Flutkatastrophe in der Hafenstadt sind, wurden laut dem Vizebürgermeister der Stadt in den 1970er-Jahren gebaut und seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gewartet.

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