Pleite wegen ungleicher Bezahlung: Wie Birmingham das Geld ausging
Die britische Zentralregierung wird die finanzielle Leitung übernehmen. Ein Grund für die Insolvenz ist eine Klage nach ungleichem Lohn aus dem Jahr 2012.
Die Kommissare könnten noch diese Woche in Birmingham ankommen. Jene Beamte, die die zweitgrößte Stadt Englands und die größte Lokalbehörde Europas künftig für die Bundesregierung leiten werden. Das hat Michael Gove, Minister für "Levelling Up", bekannt gegeben. Denn: Birmingham, Geburtsstätte der Cadbury Schokolade und Standort des ältesten, aktiven Kinos im Vereinigten Königreich, hat kein Geld mehr.
Es war eine Schockmeldung Anfang September, als der Leiter der Finanzabteilung von Birmingham eine "Section 114 Notice" ausstellte. Diese besagt: Die Stadt kann ihre Bücher nicht mehr ausgleichen und alle Ausgaben mit Ausnahme der wesentlichen Dienstleistungen wie Schule, Wohnbau, Sozialfürsorge, Müllabfuhr und Straßeninstandhaltung werden eingestellt.
Steigender Schuldenberg
Denn für das Jahr 2023/24 wurde ein Defizit von 100,6 Mio. Euro (87,4 Mio. Pfund) prognostiziert, das im darauffolgenden Jahr auf 190,5 Mio. Euro (164,8 Mio. Pfund) ansteigen soll, berichtet die Times.
Nun hat die britische Regierung erste Maßnahmen verkündet. Laut Gove werden die Kommissare für "alle Funktionen" im Zusammenhang mit der Verwaltung, der strategischen Entscheidungsfindung und den Finanzen der Stadtverwaltung verantwortlich sein. Sie werden wahrscheinlich den Verkauf von Vermögenswerten der Stadtverwaltung in Erwägung ziehen, um das Minus auszugleichen. Das könnte auch den Verkauf von Institutionen wie der Hauptbibliothek und des Birmingham Museum and Art Gallery bedeuten.
"Besseres verdient"
Im britischen Unterhaus sagte Michael Gove am Dienstag, dass die Bewohner und Unternehmen von Birmingham "etwas Besseres verdient haben" und kündigte an, dass er eine lokale Untersuchung einleiten werde, um Optionen zu prüfen, wie Birmingham "eine nachhaltige Stadtverwaltung werden kann, die ihren Einwohnern den besten Wert bietet", wird er in britischen Medien zitiert.
Die Stadtverwaltung hat das Defizit unter anderem auf ein Urteil zur Lohngleichheit zurückgeführt, das der Oberste Gerichtshof 2012 entschieden hatten. Diese Klage war von 174 ehemaligen städtischen Mitarbeitern eingebracht worden; 170 davon waren Frauen.
Ausgleichszahlungen nach ungleichem Lohn
Die Gruppe, bestehend aus Reinigungskräfte, Köchen und Pflegepersonal, behauptete, dass ihnen Prämien und andere Zahlungen verweigert wurden, die an Männer gezahlt wurden, die eine gleichwertige Arbeit verrichteten, berichtet CNN. Die Klagenden argumentierten, das würde gegen die Gleichstellungsklauseln in ihren Arbeitsverträgen im Rahmen des Equal Pay Act von 1970 verstoßen - und bekamen Recht. Hunderte weiterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben seitdem ähnliche Klagen eingereicht.
Die Stadtverwaltung mussten bisher 1,15 Milliarden Euro (1 Milliarde Pfund) an Forderungen ausbezahlen. Es drohen weitere Kosten in Höhe bis zu 867 Millionen Euro (750 Millionen Pfund). Dazu seien Probleme mit einem IT-System gekommen, deren Behebung bis zu 100 Millionen Pfund kosten würde.
Birmingham ist nicht alleine
Birmingham ist mit seinen Geldsorgen nicht alleine. Auch die wohlhabende Kleinstadt Woking südwestlich von London, der Londoner Stadtteil Croydon und die Gemeinde Thurrock in Essex haben mit ähnlichen Meldungen aufhorchen lassen. Und doch könnte die Situation in Birmingham nun verstärkt Premierminister Rishi Sunak nach 13 Jahren Sparmaßnahmen unter der konservativen Regierung unter Druck setzen.
"Die zentrale Regierung hat die Kommunen schon viel zu lange von der Hand in den Mund und von Jahr zu Jahr leben lassen", sagt Jonathan Carr-West, Geschäftsführer der Local Government Information Unit im Guardian. "Birmingham ist die größte Gemeinde, die bisher versagt hat, aber wenn sich nichts ändert, wird es nicht die letzte sein."
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