Wenn Renaturierung kein Schreckgespenst ist

Der Gschnitzbach im Tiroler Gschnitztal bekommt gerade auf einem Kilometer Länge Möglichkeit zur Ausbreitung
Die Rückwandlung von Gewässern in naturnahen Zustand geht auch ohne Streit, wie sich in Tirol immer öfter zeigt

Im vergangenen Jahr geriet Renaturierung zu einem regelrechten politischen Reizwort, insbesondere in der zu Ende gehenden Regierungsbeziehung von ÖVP und Grünen auf Bundesebene. Die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hatte gegen den Willen ihres türkisen Koalitionspartners für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt.

Besonders groß war der Widerstand von Bauernvertretern. Sie fürchteten, dass vor allem agrarische Flächen herhalten müssen, um sie der Natur wieder zurückzugeben. Es geht aber nicht nur um die Wiederherstellung von Grünflächen, sondern auch um jene von geschädigten Gewässern. Hier prallen oft Naturschutz und Energiewirtschaft aufeinander. 

Auf Wunsch der Gemeinde

Dass die Wiederherstellung von Flusslandschaften nicht nur sang- und klanglos, sondern auch freiwillig erfolgen kann, zeigt sich unter anderem in Tirol. Das Land informierte am Mittwoch über ein Projekt, das gerade im Gschnitztal umgesetzt wird. 

Ein Teil des Gschnitzbachs, der dort in einem künstlichen Bett verläuft, wird gerade auf einer Länge von einem Kilometer renaturiert. Und zwar, weil die Gemeinde das so will.

Wenn Renaturierung kein Schreckgespenst ist

Der Gschnitzbach vor Beginn der Renaturierungsmaßnahmen

Entstanden ist der Wunsch, im Zuge der Hochwasserschutzplanungen für Gschnitz, das laut Bürgermeister Andreas Pranger aufgrund „immer mehr kritischer Naturereignisse in den vergangenen Jahren“ dringend notwendig ist. 

„Wir sind das Gebiet mit den Experten abgegangen. Da haben sie gemeint, dass sich diese Fläche ideal für eine Renaturierung eignen würde“, so Pranger. Mehrere Planungen wurden erstellt, die schönste von der Gemeinde ausgesucht. 

„Wir sind überzeugt, dass das speziell für einheimische Familien eine erholsame Landschaft wird“, sagt der Bürgermeister.

Nicht ohne Förderungen

Er stellt aber auch klar: „Wenn das nicht zu 100 Prozent gefördert worden wäre, hätten wir uns das nicht leisten können.“ Insgesamt werden in das Renaturierungsprojekt mehr als 1,6 Millionen Euro investiert, wovon das Land 540.000 Euro bereitstellt. Die weiteren Kosten werden vom Bund übernommen. Nach Fertigstellung der Baumaßnahmen kann sich der Gschnitzbach künftig wieder natürlich ausbreiten.

„Unterschiedliche Gewässertiefen, Tümpel, Pflanzen und auch eine natürliche Schwankung des Wasserstands tragen dazu bei, dass Fische, Amphibien, Insekten und Vögel sich ansiedeln und vermehren“, sagt SPÖ-Naturschutzlandesrat René Zumtobel. Die Anfragen zu freiwilligen Renaturierungen von Gewässern oder auch Mooren nehmen zu, heißt es in seinem Büro. 

Umdenken im Gange

„Ich glaube, es tut sich was“, sagt auch Evelyn Seppi vom WWF, die das Projekt „INNsieme connect“ leitet. Dabei versucht eine grenzüberschreitende Allianz in Tirol, der Schweiz und Bayern, den gemeinsamen Fluss – den Inn – wieder lebendiger zu machen. „Auch kleine lokale Maßnahmen haben große Auswirkungen auf die Bestände von Fischen, die zum Laichen flussaufwärts wandern“, so Seppi.

Der Gschnitzbach etwa fließt in die Sill, die wiederum in den Inn mündet. Die WWF-Expertin stellt aber auch klar: „Nur Maßnahmen an den Zubringern werden nicht reichen“, es müsse auch etwas an den Hauptflüssen passieren. 

Immerhin sehen die EU-Ziele vor, dass bis 2030 europaweit mindestens 25.000 Flusskilometer in frei fließende Strecken rückgewandelt werden müssen.

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