Fall Leon: Beschuldigter Vater bleibt weiterhin in U-Haft
Im Februar 2023 klickten die Handschellen für Florian A. Und ein tragischer Fall, der im gesamten deutschsprachigen Raum für Aufsehen gesorgt hat, nimmt eine dramatische Wende.
Die Ermittler im Fall eines im August 2022 in der Kitzbüheler Ache in St. Johann ertrunkenen 6-jährigen Buben gehen davon aus, dass dessen Vater "seinen Sohn Leon in Wirklichkeit umgebracht" und einen Raubüberfall auf sich "nur vorgetäuscht hat, um von seiner eigentlichen Tat abzulenken".
Schwere Vorwürfe
So steht es laut Albert Heiss, dem Verteidiger des Verdächtigen, im Vorhabensbericht des LKA an die Staatsanwaltschaft, welcher der Festnahme vorausgegangen ist. Mit kommendem Samstag würde der 39-jährige Vater des behinderten Buben ein Jahr in Untersuchungshaft sitzen.
Der bekannte Rechtsanwalt brachte nun einen Enthaftungsantrag eingebracht. Am Freitag fällte der Haftrichter schließlich eine Entscheidung: Der Vater bleibt weiterhin in U-Haft. Das berichtet zuerst die Tiroler Tageszeitung.
Der Haft- und Rechtsschutzrichter ist den Argumenten der Verteidigung nicht gefolgt. Anwalt Heiss hat bereits eine Beschwerde gegen diese Entscheidung angekündigt und wird diese kommende Woche einbringen. „Für uns ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar und wir werden deshalb alle Rechtsmittel ausschöpfen, um den beschuldigten Vater aus der Untersuchungshaft zu bekommen“, betont der Jurist.
Die Beschwerde gründe sich unter anderem auf Gutachten, die bisherige Ermittlungsergebnisse widerlegen würden sowie die überdurchschnittlich lange Untersuchungshaft, "mit wirtschaftlichen und psychischen Folgen für den Betroffenen und für seine Familie", hieß es in einer Aussendung.
Heiss übte bereits im Vorfeld gemeinsam mit Mathias Kapferer, dem Anwalt der Mutter des Buben, scharfe Kritik an der Ermittlungsarbeit.
Es sei “zu Pannen und Fehlern" gekommen. Dies würden in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten belegen. Dabei gehe es etwa um die Auswertung des Handys von Florian A. Die Spurensicherung sei "mangelhaft und laienhaft" erfolgt. Somit ergeben sich für Heiss "massive Zweifel an den Ergebnissen des Ermittlungsverfahren", die aus seiner Sicht nicht objektiv geführt wurden.
Die Ermittler hätten sich vielmehr voreilig auf den Vater als Täter fokussiert, damit gegen die Unschuldsvermutung verstoßen und somit wenig Beweise gesammelt, welche für den Verdächtigen sprechen könnten.
Unterschiedliche Versionen
Fest steht in diesem Fall: Am 28. August 2022 geht Florian A. mit dem kleinen Leon im Kinderwagen gegen vier Uhr in der Früh an der Kitzbüheler Ache spazieren. Dabei will der Vater des Buben von einem Unbekannten von hinten mit einer Flasche niedergeschlagen, ausgeraubt und ohnmächtig geworden sein. Stunden später wird die Leiche des Kindes in dem reißenden Bach gefunden.
Die Vermutung zunächst: Leon krabbelte aus dem Kinderwagen und stürzte in die Fluten. Das schwer behinderte Kind hatte keine Chance. Die Ermittler kommen jedoch zu dem Schluss, dass der Vater den 6-Jährigen aus Überforderung mit der Betreuung ertränkt hat.
Kapferer versicherte, dass seine Mandantin - die Mutter von Leon, weiterhin "absolute Loyalität gegenüber ihrem Gatten" habe und ihm "zu 100 Prozent" vertraue, dass er die Tat nicht begangen hat. Videos vom Buben würden zudem zeigen, dass der Gesundheitszustand von Leon nicht so schlecht gewesen sei, wie unterstellt werde. Auch für die Betreuungssituation habe Aussicht auf Besserung bestanden.
Einblicke in den Alltag
Der Fall sorgte auch deshalb für derart große Aufmerksamkeit, weil die Eltern von Leon vor dessen Tod aktiv das Licht der Öffentlichkeit gesucht haben. Sie gaben über eine eigene Homepage Einblicke in den für die Eltern fordernden Alltag, suchten Spender, um die Erforschung von Therapieansätzen für die seltene Krankhei, an der Leon litt, voranzutreiben. Und fanden prominente Unterstützer.
Das nunmehr die Anwälte von Vater und Mutter noch vor einem etwaigen Prozess mit ihrer Sicht der Dinge an die Öffentlichkeit gehen, erklärte Heiss damit, dass in einem Hauptverfahren oft Fehler bei Ermittlungen "nicht mehr reparierbar" seien. Es würden zudem Laien - also die Geschworenen - urteilen. Die könnten einerseits durch die Berichterstattung, aber auch durch die Länge der U-Haft beeinflusst werden.
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hielt am Donnertag in einer Reaktion auf die Pressekonferenz fest, dass es ihre Aufgabe sei, "alles objektiv und sachlich zu beurteilen und dabei die Rechte aller Verfahrensbeteiligten und auch die Unschuldsvermutung zu wahren."
Keine Stellungnahme zu konkreten Beweisergebnissen
Die Staatsanwaltschaft lasse sich dabei "nicht von sachfremden, persönlich Motiven leiten, sondern ist ausschließlich dem Gesetz verpflichtet und orientiert sich an den vorliegenden Fakten." Das werde regelmäßig vom Gericht geprüft - im konkreten Fall auch vom Obersten Gerichtshof, der die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft bestätigt hat.
Man werde sich aber "während des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht öffentlich zu Beweisergebnissen oder zu Anträgen und Vorbringen der Verteidigung äußern", hieß es weiter.
Die Rechtsanwälte der Eltern streichen zwei aus ihrer Sicht besonders problematische Bereiche heraus, die auch dazu geführt hätten, dass der OGH bei dem 39-Jährigen besondere kriminelle Energie geortet und deshalb wegen Tatbegehungsgefahr einer Beschwerde gegen die U-Haft nicht stattgegeben hat.
Knackpunkte
So soll Florian H. vor dem Tod seines Kindes nach "Ohnmacht" gegoogelt haben, aus Sicht der Ermittler in Vorbereitung der Tat. Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragtes IT-Gutachten hat laut Heiss aber ergeben, dass diese Suche am Handy nicht zum angenommen Zeitpunkt passiert sei, sondern als der Deutsche mit seiner Familie in einem Gasthaus gesessen habe.
Dass der Verdächtige nach dem Tod Leons eine Belohnung für die Ergreifung des angeblichen Räubers ausgelobt hat, sei wiederum nicht von ihm ausgegangen und mit dem LKA abgesprochen gewesen. Was mögliche Ermittlungsfehler betrifft, hebt Heiss hervor, dass nicht alle Scherben jener Flasche gesichert wurden, die sich Florian A. selbst oder ihm ein Unbekannter über den Kopf gezogen haben soll.
Zudem gebe es DNA-Spuren aus einer nahe dem Tatort gelegenen Mülltonne, zu denen es zwei Treffer in der Polizei-Datenbank gegeben hat. Wer hinter den Profilen steht, wurde dem Rechtsanwalt aber nicht mitgeteilt. Auf Spekulationen, warum Landeskriminalamt oder die offiziell die Ermittlung führende Staatsanwaltschaft womöglich für Florian A. entlastende Beweise nicht berücksichtigen sollten, wollte sich Heiss nicht einlassen.
Vorwurf der Beeinflussung
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck will sich wiederum nicht näher zu Details des Falls äußern, weil es ihr Ziel sei "eine möglichst unbefangene und unbeeinflusste Entscheidung des Gerichts zu gewährleisten."
Und erklärt: "Wenn die Verteidigung nunmehr öffentlich Ermittlungsergebnisse in ihrem Sinn interpretiert, dann verfolgt sie das Gegenteil: Dann geht es offenbar darum, bereits jetzt die späteren Richter - voraussichtlich Geschworene - zu beeinflussen. Über den eingebrachten Enthaftungsantrag wird nicht die Öffentlichkeit, sondern das Gericht zu entscheiden haben. Dort ist der Antrag zu stellen und zu begründen."
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