Rollerderby-Welt kommt nach Tirol: Mit Anlauf gegen eine Wand aus Anfeindung

Das Gerangel auf dem ovalen Rundkurs erscheint zunächst unübersichtlich. Es wird geschoben und gecheckt. Dann plötzlich kämpft sich „Cruella de Wild“ erfolgreich durch den Pulk aus Spielerinnen des eigenen und des gegnerischen Teams aus Prag.
Mit einer Drehung um die eigene Achse aus voller Rollschuhfahrt überwindet sie als Jammerin der „Fearless Bruisers“ aus Innsbruck die letzte menschliche Hürde – ohne dabei aus der am Turnhallenboden abgesteckten Bahn katapultiert zu werden.
Auf der Jagd nach Punkten
Was hieße, sich wieder hinter dem ganzen Feld einreihen und den Kampf von vorne beginnen zu müssen. So aber skatet „Cruella“ weiter, während die Jam-Person des Gastteams hängen bleibt. Jede Gegnerin, die sie ab nun beim Wiederauflaufen auf das Feld überwindet, bringt Punkte.

Rollerderby ist ein Skatesport, bei dem es hart zur Sache geht: Die Blocks beider Teams versuchen, der eigenen Jammerin den Weg frei zu machen und jener des gegnerischen Teams das Durchkommen zu verunmöglichen – auch mit Bodychecks, wie man sie vom Eishockey kennt.
Immer wieder fliegt jemand aus der Bahn und schlägt hart auf. Auf dem Track ist man Teil eines Walls oder rennt mit Anlauf dagegen an.

„Als Frau eine Vollkontaktsportart zu machen, hat auch etwas mit einer gewissen Überwindung zu tun“, erklärt „Mad Mili“, die ihren Teamkolleginnen bei einem Heimspiel im Mai zusieht, während sie auf ihren Einsatz im B-Team der „Fearless Bruisers“ wartet.
„Dieses ungebremst in eine Wand reinzufahren, ist nichts, was ich im Alltag üblicherweise mache. Aber es ist ein super Ventil, um auch die Wut, die ich wegen der aktuellen politischen Entwicklungen durchaus habe, rauszulassen.“
Rauer Gegenwind
Gemeint ist der Rechtsruck, der quer durch Europa und die Welt geht und selbst in zahlreichen Demokratien mit einer neuen Welle der Homophobie und Frauenfeindlichkeit einhergeht. Und dessen Protagonisten sich an angeblichem „Genderwahn“ abarbeiten, Regenbogenfahnen verbrennen, Pride-Paraden verbieten wollen oder Menschen, die sich nicht über ihr bei der Geburt festgestelltes Geschlecht definieren, mit offenem Hass begegnen.

Für „Mad Mili“ ist der Sport Überwindung und Ventil.
„Wir machen einen Sport, bei dem am Track alle FLINTA-Personen willkommen sind: Frauen, Lesben, Trans-, Inter-, Non-binary und Agender-Personen. Wir stehen ganz klar auf gegen Sexismus in der Sportwelt, aber wir agieren auch trans-inklusiv“, sagt die 30-Jährige.
Offensiv politisch
Im Gegensatz zu anderen Sportarten ist Rollerderby offensiv politisch und zeigt Kante. An der Wand der Halle hängen Transparente mit Botschaften wie „24/7 Widerstand“. „Unser Sport verbindet die Community, Teamgeist und eine queer-feministische Haltung“, sagt „Mad Mili“, die als Sozialarbeiterin arbeitet.
Aus diesem Verständnis heraus haben sich 2016 auch die „Fearless Bruisers“ gegründet, die im Juli mit einem Worldcup eine Großsportveranstaltung in Innsbruck auf die Beine stellen – die größte, die es in dieser Sportart jemals gegeben hat.
Der Name des Vereins ist mehrdeutiger, als er eigentlich ursprünglich gedacht war. „Wir haben etwas gesucht, das tough klingt und halbwegs geschlechtsneutral ist. Die blauen Flecken waren der Ausgangspunkt“, sagt Benchcoach „Hell_o Kitty #666“, die während der Spiele für die Taktik des Teams verantwortlich ist.

„Hell_o Kitty #666“ ist Benchcoach der "Fearless Bruisers"
Ohne blaue Flecken – „bruisers“ – geht es beim Rollerderby nicht. „Bruiser“ wird aber auch jemand genannt, der gut einstecken kann. Es kann aber auch als „Schlägertyp“ übersetzt werden.
Einstecken, aber auch austeilen können, sich nicht unterkriegen lassen – auf dem Track wie auch im Leben. Dafür steht Rollerderby, das ursprünglich ein weiblicher Showsport wie Wrestling war. Die fantasievollen Namen auf den Trikots – wie „Lauretta Vendetta“, „Blockwork Orange“ oder „Adrena Lin Rush“ – zeugen noch davon.
„Das Coole ist, dass wir einen Sport machen, der anders als alle anderen ist. In dem es egal ist, wie ein Körper beschaffen ist, ob man voll dünn oder dick ist. Es gibt jedem einen Platz, wo man so sein kann, wie man ist“, sagt die Taktiktrainerin.
„Wir wollen mit unserem Sport auch zeigen, wie schön es ist, so eine Community zu haben“, sagt Jammerin „Sandy Crush“, eine der Gründerin der „Bruisers“. Sie wird im Juli auch für das Österreich-Team am Track stehen, wenn sich die Rollerderby-Welt in Innsbruck für vier Tage voller Action trifft.

„Sandy Crush“ wird für das Österreich-Team auflaufen.
Die Bühne für das bunte Spektakel wird die Olympiaworld sein, mit der sich die Stadt Innsbruck aktuell als Austragungsort für den Eurovision Song Contest (ESC) 2026 bewerben will. Die „Fearless Bruisers“ veranstaltet hier vom 3. bis 6. Juli einen World-Cup.
Ohne Grenzen
Es werden über 40 Teams aus aller Welt aufeinandertreffen, die aus Europa, Australien, Asien, Nord- und Südamerika anreisen. Antreten werden nicht nur Nationalteams, sondern etwa auch ein Indigenen-Team oder eines namens „Black Diaspora“.
Der World Cup wird eine sportliche Großveranstaltung. Rund 1.000 Athletinnen werden erwartet und die gesamte Olympiaworld in Beschlag nehmen. Auf fünf Tracks in großer wie kleiner Eishalle sowie dem benachbarten Landessportzentrum wird geskatet. Geplant ist auch ein umfassendes Rahmenprogramm.
Die „Fearless Bruisers“ rechnen an jedem der vier Tag des Events mit 3.000 Besuchern.
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