Der Piburger See liegt malerisch oberhalb der Gemeinde Oetz im Ötztal. Die Postkartenidylle täuscht. Wie schon einmal vor 50 Jahren droht das Gewässer zu kippen
Der Piburger See im Ötztal ist einer der schönsten des Landes. Aber Klimawandel und Massen an Wildbadenden bringen das ökologische Gleichgewicht ins Wanken.
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Der Piburger See ist aufgrund von Klimawandel und übermäßigem Besucherandrang ökologisch gefährdet.
Maßnahmen wie die Ableitung von sauerstoffarmem Wasser haben bisher geholfen, reichen aber nicht mehr aus.
Es wird eine Verhaltensänderung der Besucher gefordert, um ein Kippen des Sees zu verhindern.
Kurz nach 10 Uhr finden sich die ersten Gäste auf den Holzstegen der romantischen Badeanlage am Piburger See ein. Zwei Schwimmer genießen bereits das tiefgrüne Wasser und haben es vorerst noch für sich allein. Viel malerischer kein ein See eigentlich kaum liegen. Aber das Postkartenidyll trügt.
Denn wer das Gewässer im Tiroler Ötztal so erlebt, der kann sich gar nicht vorstellen, was sich hier an Spitzentagen abspielt. Mit freiem Auge ist auch nicht erkennbar, wie schlecht es um den Piburger See bestellt und wie sehr dieses Naturjuwel bedroht ist. Das zeigen allerdings Messungen der Universität Innsbruck, die hier bereits seit 1935 forscht.
„Eher früher als später“
„Es besteht die Gefahr, dass der See kippt. Dieses Szenario droht eher früher als später“, sagt Hansjörg Falkner, Bürgermeister der Gemeinde Oetz, die 1980 einen Großteil dieses Paradieses in den Bergen über dem Dorf erworben hat.
Hansjörg Falkner (Bürgermeister Oetz), René Zumtobel (SPÖ-Landesrat) und Thomas Schmard (Geschäftsführer Naturpark Ötztal)
An diesem Freitagmorgen wird er bei einem Pressegespräch auf einer Plattform am See von zwei Männern flankiert. Gemeinsam wollen sie appellieren und warnen.
„Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir einen Schulterschluss machen müssen“, sagt Tirols Naturschutzlandesrat René Zumtobel (SPÖ). Es brauche eine Veränderung im Verhalten der Menschen, um diesen wunderbaren See zu schützen. Andernfalls wäre „die Endkonsequenz eine Verordnung für ein Betretungsverbot des Ufers“.
Eine Altlast in der Tiefe
Das ist zwei Kilometer lang und wird mitunter von Wildbadenden regelrecht belagert. Und das ist einer von vielen Gründen, warum das ökologische Gleichgewicht des Piburger Sees aus den Fugen zu geraten droht. „Die Thematik des Kippens haben wir schon einmal in Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre gehabt“, so Falkner.
Damals habe man Gegenmaßnahmen eingeleitet und die Sache wieder in den Griff bekommen. Vor allem aufgrund von landwirtschaftlicher Nutzung im Nahbereich seien zuvor viele Nährstoffe – sprich Düngemittel – in den See gelangt, erklärt Thomas Schmarda, Geschäftsführer des Naturparks Ötztal, zu dem das Gewässer seit 2009 gehört.
Die Folge war ein sinkender Sauerstoffgehalt im Wasser, das ökologische Gleichgewicht geriet ins Wanken. „Jetzt haben wir wieder so eine Situation.“
Ableitung von Tiefenwasser
Um den Piburger See zu retten, wurde seinerzeit ein sogenanntes Olszewski-Rohr eingebaut, das sauerstoffarmes, mit Phosphor und Stickstoff angereichertes Tiefenwasser ableitet. „Diese Maßnahme wirkt bis heute nach. Doch die Kombination aus Klimawandel und jahrzehntelanger Nutzung zeigt, dass das allein nicht mehr ausreicht“, so der Naturparkchef.
Der Piburger See wurde bereits 1929 als Naturdenkmal unter Schutz gestellt.
Es sind viele verschiedene Dinge, die dem bereits seit 1929 als Naturdenkmal geschützten Piburger See zusetzen. Zum einen laboriert er bis heute an der vor Jahrzehnten entstandenen Übersättigung, da Zu- und Abfluss gering sind und der Wasseraustausch im See somit nur langsam vonstattengeht.
Die zunehmende Hitze in Zeiten des Klimawandels sorgt zudem für eine starke Erwärmung der Oberfläche, was den Wasseraustausch ebenfalls bremst. Immer häufiger vorkommende Perioden ohne Niederschlag bedeuten auch weniger Frischwasser und Abkühlung.
Baden vom Ufer aus unerwünscht
„Die natürlichen Negativfaktoren werden durch das sorglose Verhalten allzu vieler Seebesucher noch einmal verstärkt“, kommt Falkner wieder zurück auf das problematische Nutzungsverhalten der Badegäste. Geht es nach der Gemeinde, sollten die sich ausschließlich in der auf 450 Personen begrenzten und kostenpflichtigen Badestelle aufhalten.
Vor der Auffahrt Richtung Berg wird angezeigt, ob es überhaupt noch Parkplätze am See gibt. Die sind begrenzt vorhanden.
An Spitzentag drängen jedoch bis zu 1.500 Menschen an den See. Die Besucher lassen sich oft auch nicht davon aufhalten, wenn der nur 200 Fahrzeuge fassende Parkplatz neben dem See voll ist. Dann wird von etlichen in Wiesen und Feldern geparkt. Eine digitale Info-Tafel unten im Tal zeigt, wann kein Platz mehr ist.
„WC statt See“
Die Wildbadenden zerstören die Vegetation am Uferrand, wodurch das Erdreich seinen Halt verliert. Bei Starkregen wird lockeres, ebenfalls nährstoffreiches Material ins Wasser gespült. Jeder Tropfen zählt, könnte man sagen. Schmarda gibt deshalb auch die Devise aus: „WC statt See. Man muss nicht in den See pieseln. Auch das sind Nährstoffe“, mahnt er.
Wer den See schützen will, verzichtet aufs Wildbaden und geht in die Badeanstalt
Zumtobel „will nicht mit Verboten arbeiten. Aber wir müssen uns zusammenreißen“, appelliert er an Einheimische wie Urlaubsgäste, den See zu schonen. Der ist bis zu 24 Meter tief. Die mit Sauerstoff angereicherte Schicht reicht inzwischen nur mehr zehn bis zwölf Meter unter die Oberfläche.
Der Badequalität des Wassers tut das bis jetzt noch keinen Abbruch, die ist hervorragend. Aber wird der Prozess der schleichenden Verschlechterung nicht gestoppt, kippt der See eines Tages. Und dann hat es sich ausgebadet.
Mit einer breit angelegten Infokampagne will man nun sensiblisieren. Falkner hofft auf ein Umdenken: "Wem der See wirklich am Herzen liegt, der hilft mit, ihn zu schützen. Das heißt: Aufs Wildbaden verzichten und in die Badeanstalt gehen."
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