"Müssen endlich aufhören": Klage gegen Deutschland wegen Grenzkontrollen
Zusammenfassung
- Der Innsbrucker Europarechtler Werner Schroeder hat Deutschland wegen anhaltender Grenzkontrollen, die er als Verstoß gegen den Schengener Grenzkodex und EU-Recht sieht, verklagt.
- Anlass war eine Kontrolle in einem Zug, bei der Schroeder sich weigerte, seinen Ausweis zu zeigen, und auf frühere Urteile verwies, die die Rechtmäßigkeit solcher Kontrollen anzweifeln.
- Deutschland begründet die seit 2015 bestehenden und zuletzt ausgeweiteten Grenzkontrollen mit irregulärer Migration, obwohl laut Schengenrecht solche Maßnahmen nur ausnahmsweise zulässig sind.
Der Leiter des Instituts für Europarecht und Völkerrecht an der Universität Innsbruck, Werner Schroeder, hat die Bundesrepublik Deutschland - in Zusammenarbeit mit der deutschen Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) - wegen ihrer andauernden Grenzkontrollen vor dem Verwaltungsgericht München geklagt.
"Die Grenzkontrollen müssen endlich aufhören", sagte Schroeder der Tiroler Tageszeitung und sah einen klaren Verstoß gegen den Schengener Grenzkodex.
Mit Gewalt festgehalten
Der unmittelbare Anlass für die Klage war ein Vorfall vom 26. Juni dieses Jahres. Schroeder, selbst Deutscher, saß laut eigenen Angaben zwischen Kufstein in Tirol und dem bayerischen Rosenheim in einem Zug der Bayerischen Regionalbahn, als zwei deutsche Polizisten ihn einer Grenzkontrolle unterziehen wollten. Er weigerte sich, seinen Ausweis zu zeigen.
"Die haben mich tatsächlich mit Gewalt festgehalten, mir meine Tasche weggerissen und mein Portemonnaie herausgefischt", empörte sich der Wissenschafter. Er reise jedenfalls häufig über die Grenze - und verweigere stets die Grenzkontrolle: "Die meisten Polizisten haben letztendlich darauf verzichtet."
Verweis auf andere Urteile, weitere Klagen
Schon im Jahr 2022 habe ein Kollege von ihm ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erwirkt, wonach "diese Grenzkontrollen nicht legal sind, sondern gegen EU-Recht verstoßen." Gegenüber der Online-Ausgabe des Magazins "Der Spiegel" verwies Schroeder auch auf ein Urteil des Bayerische Verwaltungsgerichtshofs (VGH) aus dem heurigen Jahr, wonach die Verlängerung von Grenzkontrollen zu Österreich zumindest in einem Fall rechtswidrig sei. Auch in diesem Fall hatte ein Österreicher wegen einer Kontrolle durch deutsche Bundespolizisten im Juni 2022 in einem Zug in Bayern gegen Deutschland geklagt. Die Urteile blieben jedoch bisher ohne Auswirkungen. "Der Spiegel" berichtete unterdessen von zwei weiteren Betroffenen, die vor dem Verwaltungsgericht München sowie bei jenem in Stuttgart Klage wegen der Grenzkontrollen einbrachten.
"Ich bin jetzt der, der den Sack zumachen will", sagte Schroeder der "TT". Indem die Politik die höchstgerichtlichen Entscheidungen ignoriere, missachte sie den Rechtsstaat, meinte er gegenüber dem "Spiegel": "Meine Klage ist auch der Versuch zu zeigen, dass es so nicht weitergeht." Darüber hinaus handle es sich um reine Symbolpolitik, viel effektiver seien Kontrollen hinter den Grenzen, Schleierfahndung und Zusammenarbeit zwischen den Behörden.
Kontrollen wegen irregulärer Migration
Deutschland hatte im Jahr 2015 im Zuge der Migrationsströme erstmals wieder Kontrollen an der Grenze zu Österreich eingeführt. Im September 2024 entschied die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die Kontrollen auf alle deutschen Grenzen auszudehnen. Zuletzt wurde das deutsche Grenzregime von der aktuellen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD verlängert und intensiviert. Als Gründe wurden vor allem Gefahren durch "irreguläre Migration" und ein überlastetes Asylsystem angeführt. Als Teil des Schengenraums darf Deutschland an seinen Grenzen nur dann Kontrollen einführen, wenn die innere Sicherheit oder die öffentliche Ordnung bedroht ist. Solche Kontrollen müssen gut begründet sein, da sie eine Ausnahme bleiben sollen.
Im Schengenraum gilt grundsätzlich freie Fahrt. Ausnahmen sind nur in Sonderfällen und für maximal sechs Monate erlaubt. Deutschland, Österreich und andere EU-Länder führen die Grenzkontrollen seit Jahren durch.
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