Kritik an radikaler steirischer Sozialreform: "Eine Armutsfalle"

Ältere Frau hält Münze und Geldtassche
Landesregierung plant Novelle der Sozialhilfe. Kritiker warnen: Kürzungen betreffen jene, die am stärksten von Armut betroffen seien.

Zusammenfassung

  • Die steirische Landesregierung plant eine Reform der Sozialhilfe mit Kürzungen, Mindeststrafen und strengeren Auflagen, die vor allem Familien, Frauen und Kinder treffen könnten.
  • Die Mindestsätze für Sozialhilfe werden erstmals in Österreich um fünf Prozent unterschritten, zusätzliche Kürzungen und Staffelungen bei Unterstützungen für Kinder sowie Wohnkostenpauschalen sind vorgesehen.
  • Kritik kommt von Caritas und Grünen, die warnen, dass die Maßnahmen das Existenzminimum gefährden und das Landesbudget kaum entlasten.

"Eines ist klar: Kürzungen sind kaum budgetwirksam, aber für die betroffenen Menschen existenzgefährdend", mahnt Nora Tödtling-Musenbichler, Direktorin der Caritas Steiermark. "Die Sozialhilfe darf nicht zur Armutsfalle werden." 

Mindeststrafen bei Verstößen

Damit kontert Tödtling-Musenbichler, die auch Präsidentin der Caritas Österreich ist, der jüngsten Gesetzesnovelle der blau-schwarzen Koalition in der der Steiermark: Die FPÖ-ÖVP-Landesregierung rühmt eine "österreichweit wegweisende" Reform der Sozialunterstützung.

Sie sieht nicht nur massive Kürzungen der Unterstützungsleistungen vor, sondern sogar Mindeststrafen von 200 Euro bei Verstößen.

Grundsätzlich ist die Summe, die Bezieherinnen und Bezieher von Sozialunterstützung bekommen, vom Bund geregelt: Der Richtsatz für die Ausgleichszulage sieht beispielsweise für einen Erwachsenen in einem Ein-Personen-Haushalt rund 1.200 Euro monatlich vor.

Mindestsatz wird unterschritten

Die steirische Landesregierung will das aber nun unterschreiten, das wäre ein einmaliger Schritt in Österreich: Dieser Mindestsatz soll um fünf Prozent bzw. rund 60 Euro monatlich reduziert werden.

"Die soziale Hängematte ist Geschichte", kommentierte FPÖ-Soziallandesrat Hannes Amesbauer am Donnerstag bei der Präsentation der Novelle.

Ob das rechtlich hält, sollte das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft werden, ist allerdings fraglich. Das Modell sei jedenfalls "mit dem Verfassungsdienst" des Landes akkordiert, hieß es seitens der Koalition. 

Die Änderungen haben freilich eine deutliche Zielrichtung, aus der FPÖ und ÖVP auch keinen Hehl machen: Sie richtet sich gegen "Zuwanderung ins Sozialsystem", wie es in den Unterlagen heißt.

"9.000 Euro netto monatlich für eine syrische Großfamilie in Wien versteht niemand und ist ein warnendes Beispiel für verfehlte Sozialpolitik", merkte Landeshauptmann und FPÖ-Landesparteichef Mario Kunasek an. "Wir korrigieren Fehlentwicklungen der Vergangenheit."

Was noch geplant ist

Die Novelle ist derzeit in Begutachtung, sie soll im März 2026 in Kraft treten und folgende weitere Punkte umfassen:

  • Staffelung: Wie bereits in Nieder- und Oberösterreich sollen die Unterstützungen für Kinder und Jugendliche gestaffelt werden. Derzeit gibt es im Bundesland z. B. für drei Kinder jeweils rund 254 Euro, das sind rund 21 % der Ausgleichsgrundlage. Künftig gibt es für das erste Kind etwas mehr, 25 %  bzw. 302 Euro nämlich, für die weiteren beiden Kinder etwas weniger, jeweils 20 Prozent (241 Euro).
  • Wohnkostenpauschale: Bisher waren 20 % zusätzlich an Sozialunterstützung für Wohnkosten möglich, dieser Prozentsatz wird auf 15 % gekürzt.  
  • "Bemühungspflicht": Das zielt auf die Fortschritte bei Spracherwerb bzw. Suche nach Ausbildungs- oder Arbeitsplatz ab. Wer dagegen verstößt, bekommt derzeit drei Monate lang um 25 Prozent weniger Sozialunterstützung, künftig sollen es 50 Prozent weniger sein. Ab dem dritten Verstoß sind  75 Prozent weniger - und eine völlige Streichung gibt es ab dem vierten Verstoß.
  • Geldstrafe: Bei Verwaltungsübertretungen - im Rahmen von Sozialbetrug - sind Mindeststrafen von 200 Euro vorgesehen.  Auch das sei laut FPÖ-ÖVP-Koalition "erstmalig" in Österreich so vorgesehen.

Durch diese Änderungen sollen die Kosten für die steirische Sozialunterstützung um 12 bis 13 Millionen Euro pro Jahr sinken, rechnet Blau-Schwarz vor.

"Kinder, Frauen, Alleinerziehende"

Kritik kommt nicht nur von der Caritas, die vorrechnete, dass 58 Prozent aller Bezieherinnen und Bezieher Kinder, Personen mit gesundheitlichen Problemen oder Menschen seien, die in Betreuungspflichten gebunden sind.

"Die vorgesehenen Kürzungen sind ein Angriff auf das Existenzminimum vor allem von Familien, Frauen und Kindern", warnt Präsidentin Tödtling-Musenbichler.

"Die Kürzungen bekommen jene knallhart zu spüren, die am stärksten von Armut betroffen sind: Kinder, Frauen, Alleinerziehende", mahnt auch Veronika Nitsche (Grüne). Die Sozialunterstützung mache im laufenden Jahr gerade einmal 0,8 Prozent des Landesbudgets aus.

"Die Kürzungen der Sozialunterstützung werden das Landesbudget nicht sanieren. Stattdessen nimmt die Landesregierung bewusst eine Verschärfung der sozialen Lage in Kauf, indem sie das letzte Auffangnetz mutwillig zerstört."

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