Wahlversprechen-Check: Was hat Türkis-Rot-Pink erfüllt, was nicht?

Wahlplakate auf Wiese, Neos im Vordergrund, dahinter SPÖ
Die Uni Graz untersuchte die Umsetzung von Versprechen der Regierungsparteien im Wahlkampf. Ein Großteil ist bisher unerledigt geblieben.

Seit März ist die Dreierkoalition im Bund im Amt, ihre Beliebtheit unter den Wählerinnen und Wählern hat gelitten: Eine KURIER-OGM-Umfrage ergab zuletzt, dass ÖVP, SPÖ und Neos keine Mehrheit mehr zustande brächten, zu gering wären ihre Stimmenanteile.

Vor und nach den Wahlen

Die Universität Graz hat Österreichs erste türkis-rot-pinke Bundesregierung zudem auf Versprechen vor den Nationalratswahlen 2024 und deren Umsetzung danach abgeklopft. Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik zieht am Dienstag Resümee: "Die Umsetzung hat begonnen, aber die Liste der offenen Punkte ist noch sehr, sehr lang." 

Für den Politikmonitor der Uni  griffen die Expertinnen und Experten auf die Wahlprogramme der drei Parteien zurück, exakt 1.674 Wahlversprechen filterten sie heraus. "Wir verstehen den Monitor als unser Instrument gegen Poltikverdrossenheit", begründet Rektor Peter Riedler

Wie gewertet wurde

Nicht einbezogen wurden Reden bei Parteiveranstaltungen oder Interviews. "Wir sehen Wahlversprechen als objektiv überprüfbare Forderungen von Parteien, Maßnahmen zu setzen oder ein Ziel zu erreichen", erläutert Praprotnik. So flossen schwammige Allerweltsforderungen wie jene nach "fairen Pensionen" nicht in die Bewertung ein, da "fair" für jede Person etwas anderes bedeute. "Wenn aber eine Partei fordert, dass Pensionsanpassungen in der Höhe der Inflationsrate passieren sollen, dann wäre das objektiv überprüfbar."

Bezogen auf die gesamte Bundesregierung wurden laut Monitoring bisher 14 Prozent der Wahlversprechen vollständig und  fünf Prozent teilweise umgesetzt - macht also vier Fünftel, die unerledigt sind. Nimmt man jene Wahlversprechen, die Reformen ankündigen, als Basis, sinkt die Umsetzungsrate noch weiter:

  • 6 % vollständig umgesetzt
  • 5 % teilweise umgesetzt
  • 89 % nicht umgesetzt

Bezieht man aber ausschließlich die Vorgaben des Koalitionsabkommens ein, verbessern sich die Werte: Ein Viertel zumindest teilweise erledigt, drei Viertel noch offen. Das liegt aber daran, dass nur 45 Prozent aller Wahlkampfschwerpunkte überhaupt ins Regierungsübereinkommen eingeflossen sind.

"Ob eine Demokratie funktioniert, hängt von der Verbindung ab: Was sagen Parteien vor einer Wahl und was setzen sie danach um?", überlegt Praprotnik.

Die Unterschiede innerhalb der Koalition

Doch die Verteilung innerhalb der Koalition präsentiert sich bisher höchst unterschiedlich.

  • ÖVP - 188 bzw. 25 % der Versprechen zumindest zum Teil umgesetzt. Das meint z. B. die Einführung einer Teilpension, die Forderung nach einem degressiven Arbeitslosengeld wurde noch nicht umgesetzt.
  • SPÖ - 66 bzw. 15 % der Versprechen zumindest zum Teil umgesetzt. Erfolgreich war man bei der Aussetzung der Mieterhöhung bis Ende 2026, die geforderte Kindergrundsicherung gibt es bisher nicht nicht.
  • Neos - 54 bzw. 14 % der Versprechen zumindest zum Teil umgesetzt. Auch die Neos hatten die Teilpension im Programm; die von den Pinken gewünschte Teilarbeitsfähigkeit im Gesundheitssystem gibt es bisher noch nicht.

Somit führt Türkis bei der Umsetzung von Wahlversprechen.  "Die ÖVP kann eine für sich günstigere Stellung einnehmen", analysiert Praprotnik, "sie profitiert von ihrer Kontinuität."

Wer es mit der Umsetzung leichter hatte 

Da die ÖVP länger "eine dominante Rolle in der Bundesregierung" hatte, konnte sie öfter mit der Beibehaltung des Status Quo werben. "Das ist in der Umsetzung vergleichsweise leicht." Das meint etwa das türkise Nein zu Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Vergleichswerte gibt es mit der Regierung Schüssel II (2003 - 2007), Schwarz-Blau hatte im ersten Jahr einen ähnlichen Umsetzungsgrad der Wahlversprechen, betont Praprotnik.

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