Nach Amoklauf in Graz: "Wollen bis Schulschluss jeden Schüler erreichen"

Eine Woche ist vergangen, seit ein 21-Jähriger im BORG Dreierschützengasse in Graz einen Amoklauf verübte. Zehn Menschen verloren ihr Leben, der Täter tötete sich selbst. Die Tat hat das Land tief erschüttert. Am Mittwoch trat in Graz der steirische Sicherheitsbeirat zusammen. Im Mittelpunkt standen erste politische und pädagogische Konsequenzen. Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ), Landeshauptmann-Stellvertreterin Manuela Khom (ÖVP), Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner und Bildungslandesrat Stefan Hermann (FPÖ) informierten im Anschluss über die Ergebnisse.
"Was passiert ist, ist die Spitze des Eisbergs", sagte Landeshauptmann Kunasek. Neben der konkreten Tat stehe das Ereignis auch exemplarisch für eine Vielzahl an ungelösten Problemen in der Kinder- und Jugendarbeit. Im Zuge der Sitzung wurde daher die Einrichtung eines neuen Beirats für Gewaltprävention angekündigt. Dieser soll mit Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien sowie mit Expertinnen und Experten aus der Präventionsarbeit besetzt sein, regelmäßig tagen und konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit an Schulen entwickeln. Die Ergebnisse sollen dem Landtag zur Umsetzung vorgelegt werden.
"Eltern wissen nicht, wo sich Kinder stundenlang aufhalten"
Ein Schwerpunkt lag auf der Rolle von Sozialen Medien. "Wir wissen oft gar nicht, wo sich unsere Kinder stundenlang aufhalten", so Kunasek. Eltern müssten besser geschult werden, um Entwicklungen früher zu erkennen. Bestehende Konzepte, etwa zur Elternbildung, sollen nun ausgeweitet und in praxistaugliche Programme überführt werden. "Wir müssen jetzt auch liefern", sagte Kunasek.
Landeshauptmann-Stellvertreterin Manuela Khom betonte die Notwendigkeit gemeinsamer Maßnahmen über Parteigrenzen hinweg. Sie sprach sich für eine landesweite Unterstützung der Eltern aus, beispielsweise durch einen "Elternbildungspass". Kinder würden oft auf Plattformen unterwegs sein, von denen ihre Eltern noch nie gehört hätten. "Wir müssen diese Eltern abholen"
Vertrauen auf bestialische Art zerstört
Bildungslandesrat Stefan Hermann würdigte die Leistungen aller Beteiligten – von Lehrpersonen über Einsatzkräfte bis hin zu Psychologinnen und Psychologen. Die Reaktionen auf das Ereignis hätten einen bemerkenswerten Schulterschluss über Bundesländergrenzen hinweg gezeigt. In der jüngeren Vergangenheit sei es vermehrt zu Fällen von Radikalisierung und Gewalt an Schulen gekommen. Die eigens eingerichtete steirische Koordinierungsstelle habe allein in den vergangenen Monaten rund 200 Kontaktaufnahmen verzeichnet. Als besonders wichtig wertete Hermann die Möglichkeit, Kinder nach Suspendierungen nicht sich selbst zu überlassen, sondern professionell zu begleiten.
Hermann stellte zudem klar, dass Sicherheit nicht durch bloße Symbolpolitik erreicht werden könne. Ideen wie Alarmknöpfe, Schleusen oder Kameras stünden zur Diskussion, aber Schulen dürften keine Hochsicherheitszonen werden. "Das Vertrauen, dass Schulen sichere Orte sind, wurde auf bestialische Art zerstört – und muss nun wiederhergestellt werden."
Ab Montag Rückkehr in die Schule möglich
Die psychosoziale Nachbetreuung läuft derzeit über ein Interventionszentrum in der Grazer Listhalle. Dort wurden bisher rund drei Viertel der betroffenen Schülerinnen und Schüler erreicht. Ziel sei es, bis Schulschluss mit allen in Kontakt zu treten. "Wir haben gesehen, man kann die Kinder nicht einfach so in die Ferien entlassen", sagte Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner. Psychologische Betreuung soll am Montag auch im Schulgebäude stattfinden – für diejenigen, die diesen Schritt schon gehen können. Für andere werden mobile Einheiten bereitgestellt, auch auf dem Gelände der Listhalle wird es weiterhin Angebote für die Kinder und Jugendlichen geben.
Der Unterricht wurde durch alternative Angebote ersetzt – etwa mit sportlichen, musisch-kreativen oder literarischen Aktivitäten. Am Montag startet ein auf mehrere Wochen angelegtes Begleitprogramm. Eltern und Schulsprecher wurden in die Gestaltung eingebunden.
Die Diskussion über den richtigen Umgang mit Sozialen Medien soll auch in künftigen Sitzungen des Sicherheitsbeirats weitergeführt werden. Ein grundsätzliches Verbot sei jedoch "nicht der Weisheit letzter Schluss", wie es Hermann formulierte. Vielmehr brauche es Bewusstsein und Medienkompetenz – nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Eltern. "Die Obsorgepflicht endet nicht vor dem Eingang zum digitalen Raum."
Die kommenden Wochen sollen dazu dienen, erste Maßnahmen zu erproben und langfristige Konzepte auf den Weg zu bringen. Alle Beteiligten waren sich einig: Es gibt keine einfachen Antworten – aber viele Möglichkeiten, um dazu beizutragen, solchen Taten künftig zu verhindern.
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