Vier Jahre KPÖ: Die „Revolution“, die Graz nicht weiter störte

Bürgermeisterin Elke Kahr sitzt in ihrem Büro an einem Tisch
Seit 2021 regiert KPÖ-Stadtchefin Elke Kahr mit Grünen und SPÖ. Nun beginnt bereits wieder der Wahlkampf.

Als die KPÖ 2021 bei den Gemeinderatswahlen in Graz auf den ersten Platz stürmte, war das politische Beben bis in die USA zu spüren. „In einer reichen Stadt gewinnt eine marxistische Bürgermeisterin die Wähler für sich“, schrieb etwa die renommierte New York Times. Und widmete Elke Kahr später ein ganzseitiges Porträt.

Und vier Jahre später? Da marschierte Zohran Mamdani, Demokrat und laut Eigendefinition Sozialist, bei Wahlen ins Rathaus des „Big Apple“ durch. Das Titelbild der New York Post nach Mamdanis Wahlsieg („The Red Apple“) fand offenbar so viel Gefallen, dass längst Tassen, T-Shirts und Kapuzenpullis mit dem Sujet bedruckt wurden. Das gab es in Graz 2021 nicht, denn wer will schon die Bewertung „Stalingraz“ auf einem Leiberl tragen?

In Graz wird in weniger als einem Jahr – der mögliche Zeitraum liegt zwischen September und Ende Oktober – wieder gewählt, Zeit für eine Rück- und Vorschau.

  • Die Ausgangslage: 28,8 Prozent der Stimmen gingen am 26. September 2021 an die KPÖ unter Spitzenkandidatin Elke Kahr, während der amtierende Bürgermeister Siegfried Nagl fast zwölf Prozentpunkte verlor. Für seine ÖVP reichte es mit 25,9 Prozent nur noch für Platz 2. Die Grünen unter Judith Schwentner drängten mit 17,3 Prozent die FPÖ auf den vierten Platz (10,6 Prozent), SPÖ und Neos lagen bei 9,5 Prozent bzw. 5,4 Prozent.
  • Die Prognosen: Valide Umfragen für 2026 gibt es keine, bloß Befragungen im Auftrag von Parteien. Im Mai ventilierte die Stadt-ÖVP eine Umfrage, die die Schwarzen gleichauf mit der KPÖ (jeweils 25 bis 26 Prozent) sah, doch die Schwankungsbreite lag bei mehr als vier Prozent. Eine Umfrage der Grünen aus Juni sagt den Kommunisten den Sprung über die 30-Prozent-Marke voraus. Kahr, die im Juli ihre Wiederkandidatur bekannt gab, hat sich festgelegt: Wird die KPÖ nicht mehr stimmenstärkste Fraktion, trete sie zurück. „Dann höre ich auf. Das ist ja nur logisch.“ Nachfolger wäre vermutlich Stadtrat Robert Krotzer.
  • Der Motor des KPÖ-Erfolgs: Auch wenn es vermessen scheinen mag, die US-Metropole mit Graz in einem Satz zu nennen: Der New Yorker Sozialist Mamdani setzte auf Themen wie günstigere Lebensmittel, kostenlose Kindergartenplätze und Deckelung der Wohnungsmieten. Die heimische KPÖ hat genau diesen Aspekten ihren Aufstieg zu verdanken: Leistbares Wohnen ist Motor des KPÖ-Wahlerfolgs, der sie die Sozialdemokratie links überholen ließ. Ein weiterer Aspekt ist der Verzicht auf den Großteil der Politikerbezüge; Geld, das dann vom KPÖ-Sozialfonds in Waschmaschinen oder Mieten für jene Bürger fließt, die darum bitten. Und: Seit 1945 sitzt die KPÖ durchgehend im Gemeinderat.
Das Grazer Rathaus von außen.

Wer regiert im Rathaus? Im Herbst 2026 wird  wieder gewählt.

  • Wer mit wem (nicht) kann: Seit 17. November 2021 bilden KPÖ, Grüne und SPÖ eine Koalition, allerdings hat die SPÖ keinen Stadtratssitz. Das ist der Knackpunkt für 2026: Dass der frühere SPÖ-Graz-Obmann Michael Ehmann gemeinsam mit Judith Schwentner (Grüne) Elke Kahr die Räuberleiter machte, missfiel der Landes-SPÖ. Die neue SPÖ-Chefin in Graz, Doris Kampus, dürfte ein Ja zur Fortsetzung der Koalition nicht so einfach hergeben. KPÖ und ÖVP als Duo gab es bereits kurzzeitig mit Nagl als Bürgermeister und Kahr als Vize, aber wirklich grün waren sich die Parteien nicht.
  • Was sich verändert hat: Vier Jahre mit einer KPÖ-Stadtchefin haben keine Rebellion gebracht. Dazu hat eine Stadt auch zu wenig Macht; anders als ein Bundesland, wo unter Blau-Schwarz in der Steiermark etwa Sozialunterstützungen per Gesetzesnovelle gekürzt wurden. Deutlich unterscheidet sich die linke Koalition aber von der schwarz-blauen Vorgängerregierung in Schwerpunkten, etwa im Verkehrsbereich (Ausbau Radwege, Reduktion Parkplätze) oder Sozialbereich (Aufstockung des Sozialfonds „Graz hilft“). Dass in Graz überhaupt eine Machbarkeitsstudie über den Neubau eines Fußballstadions erstellt wurde, gab es auch erst unter Dunkelrot-Grün-Rot.
Grafik Wahlergebnisse KPÖ in Graz
  • Die offenen Baustellen: Das Grazer Budget ist zum Zerreißen angespannt. Kahr wurde zu Beginn der Amtszeit mangelnde Distanzierung von totalitären Regimes vorgeworfen (Stichwort: Jugo-Nostalgie), hat sich aber nach dem Amoklauf vom 10. Juni als Krisenmanagerin etabliert.
  • Der Sonderfall FPÖ Graz: 2017 bis 2021 stellten die Blauen den Vizebürgermeister in Graz – dann kam die Finanzaffäre um mutmaßlich veruntreute Klubfördermittel. Sie führte zu Rücktritten und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Durch eine Abspaltung kommt es zur kuriosen Situation, dass die Grazer Blauen in der seit 2024 von einem FPÖ-Landeshauptmann regierten Steiermark als Mini-Partei ins Rennen gehen: Der aus der FPÖ entstandene (Korruptions-)Freie Gemeinderatsklub (KFG) nahm Mandatare und Stadtratssitz bei der Neugründung mit.

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