Erster "Drogenkonsumraum" in Österreich geplant
Die Stadt Graz erwägt einen "Konsumraum" für Drogenkranke (Symboldbild)
Die Deutsche Aidshilfe (DAH) ist deutlich: 2023 - aus dem Jahr stammen die aktuellsten verfügbaren Daten - wurden die sogenannten "Drogenkonsumräume" rund 650.000-mal benützt. Dabei wurden auch in mehr als 650 Drogennotfällen geholfen, berichtet die DAH - und es gab keinen Todesfall.
Abseits dieser Räume sei die Bilanz tragisch: Laut Bundeskriminalamt gab es 2.277 Todesfälle in Deutschland, die auf Suchtgiftmissbrauch zurückzuführen seien, doppelt so viele wie 2013. Auch die Zahl der HIV-Neuinfektionen unter den Drogenkonsumenten steige, warnt die Aidshilfe.
Seit rund 20 Jahren geht Deutschland - Vorreiter war bereits die Schweiz 1986 - mit Suchtgiftkonsum anders um, "Drogenkonsumräume" mit sterilen Spritzen wurden in Kommunen mehrerer Bundesländer eingerichtet, darunter Hamburg und Düsseldorf. So kann die Übertragung von Krankheiten wie HIV oder Hepatitis verhindert werden.
Graz will "Drogenkonsumraum"
Für Österreich ist dieses Konzept neu, bis jetzt: Die Politik in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, könnte sich vorstellen, so einen "Konsumraum" einzurichten.
Das wurde zumindest vergangene Woche im Gemeinderat beschlossen, einstimmig. Der Antrag kam vom (Korruptions)Freien Gemeinderatsklub (KFG), einer Abspaltung der FPÖ.
Was bezweckt der Grazer Vorstoß?
Der Grazer Vorstoß zielt allerdings mehr auf Sauberkeit und Sicherheit in städtischen Toiletteanlagen, Parks oder Spielplätzen ab: "Bedauerlicherweise bleiben immer wieder auch dort weggeworfene, bereits benutzte Nadeln von Drogenkonsumenten liegen, die im schlimmsten Fall der Fälle spielende Kinder verletzen bzw. schwere Krankheiten übertragen können", begründete Antragsteller Michael Winter namens des KFG.
Angebote an Suchtkranke, die Utensilien um wenig Geld zu erneuern, gibt es bereits seit Längerem. Die Caritas Steiermark etwa bietet in ihrem "Kontaktladen" so etwas an. Dort sieht man das als Teil der "niederschwelligen Drogenarbeit und Schadensminimierung".
Der Grazer Gemeinderat will aber darüber hinaus gehen, als "temporäre, gesellschaftliche Notlösung", wie es im KFG-Antrag heißt. Damit wäre Graz die erste Stadt Österreichs, die dem deutschen Vorbild folgt. In Linz gab es im Frühjahr eine Debatte darüber, angestoßen von der Fraktion LinzPlus, abgelehnt von der FPÖ.
Zuständig ist aber der Bund
Doch ob Linz oder Graz - rechtlich können die Landeshauptstädte alleine wenig ausrichten. Zuständig ist der Bund: Um "Konsumräume" einzurichten, müsste das Suchtmittelgesetz geändert werden.
Deshalb folgt nun eine Petition der Stadt Graz an die Bundesregierung. Darin wird die Novellierung des Gesetzes gefordert: Sie soll den Kommunen ermöglichen, nach eigenem Ermessen "Drogenkonsumräume" einrichten zu können.
Wien hat ein anderes Modell
In Wien verfolgt die Suchthilfe am Gumpendorfer Gürtel ein anderes Modell: 2018 wurde das "Jedmayer" eröffnet, das einerseits Tageszentrum und Notschlafstelle für Betroffene ist, andererseits aber Spritzentausch ermöglicht - und Hilfe im Kampf gegen die Sucht.
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