Um 1880 lebten rund 100.000 Menschen in Graz, um 1900 waren es bereits 138.000, ein beachtlicher Zuwachs von mehr als einem Drittel.
Das musste auch das Stadtbild verändern, das geprägt ist vom Bürgertum aus (pensionierten Wiener) Beamten, Ärzten und Juristen, aber auch Handwerksleuten und Kaufmännern.
Die erste Straßenbahn
Es entstanden neuer Wohnraum und neue Straßen sowie moderne Verkehrsmittel für jedermann: Die erste Straßenbahn ging 1878 in Betrieb, noch gezogen von Pferden, 21 Jahre später erfolgte die Elektrifizierung.
1844 ging die Eisenbahnstrecke Graz - Mürzzuschlag in Betrieb und damit auch der Bahnhof in Graz, erst Stationsplatz, später Südbahnhof, letztlich Hauptbahnhof genannt.
Annenstraße und Keplerstraße wurden neu angelegt und führten von dort ins Zentrum, der Bahnhof selbst wurde als "Tor zur Stadt" betrachtet und nicht bloß als reiner Funktionsbau.
Der erste Eindruck zählte
Das sei generell bestimmend in jener Zeit, beschreibt Kurator Ulrich Becker: "Das Bürgertum hat sich eine Empfangskultur geschaffen, der erste Eindruck war wesentlich." Schließlich kamen Ende des 19. Jahrhunderts die meisten Reisenden, die Graz als Ziel hatten, mit dem Zug und damit am Bahnhof als erste Station in der Stadt an.
Wo viele Menschen ankommen, sind auch Unterkünfte nötig und Zerstreuung für die gut situierte Bevölkerung wie Besucher. Es entstanden neben bewährten Gasthöfen auch erste Grand Hotels mit Restaurants. Das Grazer Opernhaus stammte auch aus jener Zeit, ebenso das neue Schauspielhaus neben dem damals noch Franzensplatz genannten Platz nahe des Stadtparks, er heißt seit dem ende der Monarchie Freiheitsplatz.
Das erste Kaffeehaus
Auch Wiener Kaffeehäuser prägten das Stadtbild: An die 50 Stück sollen es um 1900 in Graz gewesen sein, mit Thonetstühlen, vielen Spiegeln und ausladenden Lustern am Plafond.
Das erste Grazer Café sperrte aber noch vor dem späteren Kaffeehausboom auf: "Das Promenade" wurde 1833 erstmals erwähnt und existiert heute noch.
Doch keine Stadt ist komplett ohne Einkaufsmöglichkeiten. Und da hatte das Graz des ausgehenden 19., beginnenden 20. Jahrhunderts mehr zu bieten als die Metropole und Kaiserstadt Wien: Das erste Warenhaus der Monarchie, das auch Postversand anbot, stand hier.
Kein Greißler ums Eck
1883 eröffnet und bereits 1894/95 erstmals umgebaut, wurde "Kastner & Öhler" durch mehrere Erweiterungen zum regelrechten Warenpalast mit opulenter Eingangshalle und breitem Angebot auf mehreren Etagen. "Das hatte mit dem Greißler um die Ecke nichts mehr gemein", hält Kurator Becker.
Die Ausstellung "Bühnen des Bürgertum" endet 1914 mit der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand, da das "Attentat die bürgerliche Gesellschaft erschüttert" habe.
Kommentare