Graz im 19. Jahrhundert: Die aufstrebende Metropole der Monarchie

Herrengasse in schwarz-weiß Aufnahme um 1900
Graz hatte um 1900 an die 50 Wiener Kaffeehäuser, der Bahnhof galt als Tor zu Stadt. Eine Ausstellung führt zurück zur Glanzzeit des Bürgertums.

Wann wuchs Graz am stärksten? Warum hielten ausgerechnet in der steirischen Landeshauptstadt so viele Kaffeehäuser Einzug, die ganz nach Wiener Stil ausgerichtet waren?  Und wieso entstand hier das erste große Warenhaus mit Postversand der Monarchie und nicht etwa in der Kaiserstadt Wien?

Viele Fragen, eine Antwort: Graz begann, sich Mitte, Ende des 19. Jahrhunderts zur aufstrebenden Stadt der Monarchie zu entwickeln, stellen Ulrich Becker und Walter Feldbacher in ihrer Ausstellung "Bühnen des Bürgertums" dar.

Um 1880 lebten rund 100.000 Menschen in Graz, um 1900 waren es bereits 138.000, ein beachtlicher Zuwachs von mehr als einem Drittel.

Das musste auch das Stadtbild verändern, das geprägt ist vom Bürgertum aus (pensionierten Wiener) Beamten, Ärzten und Juristen, aber auch Handwerksleuten und Kaufmännern.

Die erste Straßenbahn

Es entstanden neuer Wohnraum und neue Straßen sowie moderne Verkehrsmittel für jedermann: Die erste Straßenbahn ging 1878 in Betrieb, noch gezogen von Pferden, 21 Jahre später erfolgte die Elektrifizierung.  

Graz im 19. Jahrhundert: Die aufstrebende Metropole der Monarchie

Ein Teil der Ausstellung befasst sich mit dem Bahnhof, dem Tor zur Stadt

1844 ging die Eisenbahnstrecke Graz - Mürzzuschlag in Betrieb und damit auch der Bahnhof in Graz, erst Stationsplatz, später Südbahnhof, letztlich Hauptbahnhof genannt.

Annenstraße und Keplerstraße wurden neu angelegt und führten von dort ins Zentrum, der Bahnhof selbst wurde als "Tor zur Stadt" betrachtet und nicht bloß als reiner Funktionsbau.

Der erste Eindruck zählte

Das sei generell bestimmend in jener Zeit, beschreibt Kurator Ulrich Becker: "Das Bürgertum hat sich eine Empfangskultur geschaffen, der erste Eindruck war wesentlich." Schließlich kamen Ende des 19. Jahrhunderts die meisten Reisenden, die Graz als Ziel hatten, mit dem Zug und damit am Bahnhof als erste Station in der Stadt an.

Wo viele Menschen ankommen, sind auch Unterkünfte nötig und Zerstreuung für die gut situierte Bevölkerung wie Besucher. Es entstanden neben bewährten Gasthöfen auch erste Grand Hotels mit Restaurants. Das Grazer Opernhaus stammte auch aus jener Zeit, ebenso das neue Schauspielhaus neben dem damals noch Franzensplatz genannten Platz nahe des Stadtparks, er heißt seit dem ende der Monarchie Freiheitsplatz.

Das erste Kaffeehaus

Auch Wiener Kaffeehäuser prägten das Stadtbild: An die 50 Stück sollen es um 1900 in Graz gewesen sein, mit Thonetstühlen, vielen Spiegeln und ausladenden Lustern am Plafond.

Das erste Grazer Café sperrte aber noch vor dem späteren Kaffeehausboom auf: "Das Promenade" wurde 1833 erstmals erwähnt und existiert heute noch.

Doch keine Stadt ist komplett ohne Einkaufsmöglichkeiten. Und da hatte das Graz des ausgehenden 19., beginnenden 20. Jahrhunderts mehr zu bieten als die Metropole und Kaiserstadt Wien: Das erste Warenhaus der Monarchie, das auch Postversand anbot, stand hier.

Kein Greißler ums Eck

1883 eröffnet und bereits 1894/95 erstmals umgebaut, wurde "Kastner & Öhler" durch mehrere Erweiterungen zum regelrechten Warenpalast mit opulenter Eingangshalle und breitem Angebot auf mehreren Etagen. "Das hatte mit dem Greißler um die Ecke nichts mehr gemein", hält Kurator Becker. 

Die Ausstellung "Bühnen des Bürgertum" endet 1914 mit der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand, da das "Attentat die bürgerliche Gesellschaft erschüttert" habe.

Kommentare