Anschläge auf Zeugen Jehovas: "Ein perfider Mordplan"

Der 55-Jährige vor Gericht
"Sein einziges Lebensziel ist es gewesen, seine Ex-Frau zu töten", merkt die Staatsanwältin gleich zu Beginn an, während der Angeklagte auf das kleine Tischchen vor sich starrt: Der 55-Jährige steht seit Montag in Graz vor Gericht, weil er mehrere Bombenanschläge verübte - auf die Zeugen Jehovas.
Doch die Religionsgemeinschaft diente nur zur Ablenkung: Er deponierte Rohrbomben in einem Blumenbeet vor dem Königsreichssälen der Zeugen Jehovas in Kalsdorf, ebenso Sprengsätze an Autos von Mitgliedern der Gemeinschaft, unter anderem in Leibnitz.
Damit sollte sein laut Anklage eigentliches Ziel verschleiert werden - den Mordplan an der Ex-Frau, der er vorwarf, ihn finanziell zu ruinieren und die gemeinsamen Kinder zu entfremden.
Der Angeklagte gesteht und bestätigt gleich zu Beginn des Prozesses den Vorwurf der Staatsanwältin: Der Grundgedanke sei gewesen, "eine falsche Fährte zu legen. Aber mein Ziel war immer, nur meine Ex zu treffen nicht andere."
"Kein zweiter Franz Fuchs"
Er sei jahrelang gedemütigt worden, behauptet er: "Meine Ex wollt' den letzten Cent aus mir rausquetschen." Da sei seinem Mandanten nur noch die Frage geblieben, "bringe ich mich um oder die Frau, die mich finanziell und psychisch fertig gemacht hat?", versucht der Anwalt eine Verteidigungslinie aufzubauen. Der 55-Jährige sei kein "zweiter Franz Fuchs", wie ihn die Staatsanwaltschaft darzustellen versuche.
Die Staatsanwaltschaft klagt Mordversuch sowie terroristische Taten an und beantragt die Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum: Der Steirer leider unter einer "psychischen Störung", die weitere Straftaten möglich mache.
Die Bomben gingen nicht hoch
Dass es nur beim Mordversuch geblieben ist, war nicht mehr als ein Zufall. Die ersten Sprengsätze deponierte er an Autos von Mitgliedern der Zeugen Jehovas, die am 18. August 2023 vor dem Königreichssaal in Leibnitz abgestellt waren: Doch die Rohrbomben gingen nicht zur Gänze hoch, bloß die Zündvorrichtung detonierte. Niemand wurde verletzt.
"Ihm war bewusst, dass er das Leben anderer gefährdet", kommentiert die Anklägerin. "Er nahm auch den Tod anderer in Kauf." Und zwar den Tod von bis zu 35 Menschen: "Das war ein perfider Mordplan mit hohem Aufwand."
Ein religiös motivierter Anschlag schien naheliegend. Als ein halbes Jahr später erneut Rohrbomben - getarnt als Paketlieferung - in einem Blumenbeet vor dem Königreichssaal in Kalsdorf (Graz-Umgebung) gefunden wurden, richtete die Polizei eine Sonderkommission ein: Fünf Kilogramm Sprengstoff hatte der Mann in diese Rohrbomben verbaut.
Paket wurde entdeckt
An jenem 29. März 2024 fand eine Versammlung in dem Saal statt, an der auch die Ex-Frau des 55-Jährigen teilnahm - und eines der gemeinsamen Kinder. Die Rohrbomben detonierten nicht, zwei Männer entdeckten das Paket rechtzeitig und alarmierten die Polizei. Beim Prozess beteuert der Angeklagte, er habe diese Bombe "absichtlich nicht gezündet".

Der mit einer Bombe bestückte Wagen war bei Supermarkt geparkt, die Polizei riegelte die Straße ab
Dutzende Hinweise gingen letztlich auf den mutmaßlichen Täter ein, den die Ermittler in Reihen ehemaliger Zeugen Jehovas vermuteten. Am 3. Mai 2024 ging dann tatsächlich eine Autobombe hoch: Sie war an einem geparkten Wagen eines Mannes deponiert - das Auto wurde zerstört, verletzt wurde zum Glück niemand.
DNA-Spuren an der Bombe
Trotz der wuchtigen Explosion gab es verwertbare DNA-Spuren - die wiederum zum Angeklagten führten. Er wurde am 29. Mai festgenommen - und gestand nicht nur die bisher entdeckten Bomben, sondern auch eine weitere, ein Sprengsatz am Wagen seiner Ex-Frau.
Die Steirerin muss wochenlang damit gefahren sein, der Bewegungssensor des Zünders funktionierte zum Glück nicht: Das Auto wurde auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt in Graz entdeckt, die Gegend abgeriegelt.
Allerdings entdeckten die Ermittler keine Bombe, die Steirerin bekam ihren Wagen wieder retour - und fanden Tage später bei einer neuerlichen Kontrolle dann doch einen Sprengsatz an der Unterseite des Autos.
Der Prozess ist für zwei Tage angesetzt, Montag und Mittwoch. Das Urteil wird für Mittwoch erwartet.
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