Anschläge auf Zeugen Jehovas: Bombenphantom wollte seine Ex-Frau töten

Anschläge auf Zeugen Jehovas: Bombenphantom wollte seine Ex-Frau töten
Die nach dem Erzengel benannte Soko "Michael" hat einen 55-Jährigen Ex-Zeugen Jehova gefasst. Was fehlt, ist die letzte Bombe des Mannes.

Wer steckt hinter drei Anschlägen auf die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Leibnitz, Kalsdorf und Premstätten?

Diese Frage wurde heute um 18 Uhr bei einer Pressekonferenz der Landespolizeidirektion Steiermark beantwortet. Denn das mögliche 55-jährige Bombenphantom ist im Bezirk Leibnitz gefasst worden. 

Festgenommen an seinem Arbeitsplatz. Und: Selbst aktives Mitglied der Glaubensgemeinschaft bis zum Jahr 2011. Das Ziel, das er mit den Rohrbomben verfolgte? Offenbar seine Ex-Gattin zu töten, die ebenfalls ein Mitglied der Glaubensgemeinschaft war und mit der er seit Jahren einen Sorgerechtsstreit geführt haben soll. Bereits in der Vergangenheit soll es zwischen dem Paar zu Gewalttätigkeiten gekommen sein. 

Persönliches Motiv

"Die Bomben richteten sich nicht gegen die Glaubensgemeinschaft, sondern hatten ein persönliches Motiv - den Tod seiner Frau", erklärte der Leiter des Verfassungsschutzes Steiermark, Rupert Meixner. Mit dieser hat der Mann auch zwei gemeinsame Kinder.

"Nach intensiven Ermittlungen wurde heute ein Tatverdächtiger festgenommen", bestätigte auch der steirische Landespolizeidirektor Gerald Ortner

Schein-Anschläge

Die überraschende Wende: Alle bisher drei bekannten Anschläge dienten offenbar nur der Ablenkung. Der heutige geplante Anschlag sollte dann dem Anschein nach seine Frau töten. Mit einer Bombe, montiert an einem Auto in Graz bei einem Supermarkt. Darum schritt die Polizei auch ein.

Denn bereits am Nachmittag überschlugen sich die Ereignisse in der Steiermark: Nach der Festnahme des Mannes, der offenbar Elektrotechniker ist, kam es zu einem großen Einsatz von Bombenentschärfern in Graz. Zwischen Stadtpark und Landeskrankenhaus stand alles still.

Auto mit Sprengstoff-Robotern untersucht

Bei dem Entschärfungseinsatz wurden auch Roboter genutzt, die das Auto der Frau des Tatverdächtigen untersuchten. Die Bombe will der Verdächtige bereits am 3. Mai angebracht haben. Gefunden konnte sie nicht werden, daher gab die Polizei wenig später Entwarnung. Die Frage bleibt aber: Wo ist die Sprengvorrichtung?

Laut KURIER-Informationen soll der Mann, der nicht polizeibekannt ist, bereits von Anfang an zum Kreis der Verdächtigen gezählt haben. Er zeigt sich vollinhaltlich geständig. Eine Hausdurchsuchung dauerte in den Mittwochabendstunden noch an.

Rund 20 Ermittler der Sonderermittlungsgruppe (Soko) Michael, benannt nach dem Erzengel, jagten ihn seit gut neun Monaten. Drei Attentate, jeweils an einem Freitag, sollen auf das Konto des 55-Jährigen gehen:

  • Attentat 1 fand am 18. August in Leibnitz auf zwei abgestellte Autos vor einem Königreichssaal statt
  • Attentat 2 am 29. März, in Kalsdorf wurde ein Paket vor einem Königreichssaal der Zeugen abgestellt – das nicht detonierte. Von diesem Paket erhofften sich die Ermittler auch die meisten Spurentreffer
  • Attentat 3 fand am 3. April in Premstätten statt – wo unter einem abgestellten Auto vor einem Haus eines Zeugen Jehovas abermals eine Bombe detonierte

Auch ein Profiler wurde hinzugezogen, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Eines stand für die Polizei dabei von Anfang an so gut wie fest: Es dürfte in allen drei Fällen derselbe Täter am Werk gewesen sein. Und: seine Bomben wurden von Anschlag zu Anschlag professioneller.

Eine im Vorfeld durchgeführte Hausdurchsuchung bei einem anderen Ex-Mitglied blieb hingegen ohne Erfolg. 

Dass Mitglieder bzw. Ex-Mitglieder der Glaubensgemeinschaft einen enormen Hass auf ihre Gemeinschaft entwickeln, kommt dabei nicht zum ersten Mal vor. Dies verdeutlichte auch eine Amoktat bei den Zeugen Jehovas in Deutschland 2023.

Feuer eröffnet

In Hamburg- Alsterdorf war am 9. März ein 35-Jähriger in den Königreichssaal eingedrungen und hatte das Feuer eröffnet. Acht Menschen starben, darunter auch ein ungeborenes Kind, sowie der mutmaßliche Täter, der selbst ein Anhänger der Glaubensgemeinschaft war. 

Bei den Zeugen Jehovas in Österreich zeigte man sich nach der Festnahme beruhigt: "Wir sind sehr erleichtert. Die Befragungen laufen nun. Alles andere wird sich ergeben", sagte der Sprecher der Glaubensgemeinschaft, Markus Kakavis.

Die Zeugen Jehovas

sind in Österreich eine staatlich anerkannte Kirche. Nach über 30 Jahren Einsatz hatte das zuständige Kultusamt im Mai 2009 der damals fünftgrößten Glaubensgemeinschaft in Österreich grünes Licht für den Status als Religionsgemeinschaft gegeben. Dem vorausgegangen war ein entsprechender Spruch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

22.000 Mitglieder
Nach eigenen Angaben haben die Zeugen gut 22.000 aktive Mitglieder in Österreich, die stärkste Gruppierung davon in Oberösterreich. In der Steiermark sind knapp 2.800 Mitglieder vermerkt. Die Treffen der Kirche finden in der Regel in so genannten Königreichssälen statt. Davon gibt es hierzulande 160. 

Lehre
Grundlage der Lehre der Zeugen Jehovas ist der aus der Bibel abgeleitete „Plan Gottes mit der Menschheit“. Dem „allmächtigen Gott und Schöpfer“ Jehova oder Jahwe, sind seine Zeugen zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Als „wahre Christen“ müssen sie Zeugnis für ihren Gott ablegen und die Botschaft von seinem Königreich predigen.
Anders als die großen christlichen Religionen glauben die Zeugen Jehovas nicht, dass die Seele des Menschen nach seinem Tod weiterlebt. Er habe keine, sondern sei die Seele selbst. Den Weltuntergang haben die Zeugen Jehovas mehrfach angekündigt.

Keine Wahlen

Weil sie Politik und Religion für unvereinbar halten, nehmen sie nicht an Wahlen teil. Gleiches gilt für Demonstrationen.
Bekannt sind die Zeugen Jehovas vor allem wegen ihrer stark ausgeprägten Missionstätigkeit, bei der sie von Haus zu Haus ziehen und ihre Zeitschriften „Der Wachtturm“ und „Erwachet!“ an die Frau und den Mann bringen wollen. Finanziert werden die Zeugen Jehovas mit - nach eigenen Angaben freiwilligen - Spenden.

Keine Bluttransfusionen, kein Rauchen
Der Glaube greift in allen Bereichen stark in das Leben der Anhänger ein. Aufmerksamkeit erregen die Zeugen Jehovas auch medial immer wieder wegen der Ablehnung von Bluttransfusionen, was mitunter lebensbedrohlich sein kann. Rauchen dürfen Zeugen übrigens auch nicht. Privat bleibt man gerne unter sich. Von Heiraten mit Personen, die keine Zeugen sind, wird abgeraten. Die Ehe ist heilig, Scheidungen nur bei Ehebruch vorgesehen.

Gründung
Gegründet wurde die Gemeinschaft von dem US-Amerikaner Charles Taze Russell Ende des 19. Jahrhunderts als Verlagsgesellschaft der Bibelforscher. 1911 kam Russell erstmals für einen Vortrag nach Wien. Regelmäßige Vorträge gab es ab 1921, ein Jahr später wurde die Tätigkeit auf andere österreichische Städte ausgedehnt.
Im Jahr 1938 gab es in Österreich 550 aktive Zeugen Jehovas. Wegen der Verweigerung des Hitlergrußes und des Wehrdienstes kam es zu Verfolgungen durch das Hitler-Regime, etwa ein Viertel der Anhänger der Glaubensgemeinschaft wurde getötet. Nach dem Krieg nahmen die Zeugen Jehovas ihre organisierte Tätigkeit wieder auf.

Kommentare