In tiefen Lagen gehen nicht nur Salzburg die Schmetterlinge aus

Den Schmetterlingen geht es an den Kragen. Diesen Schluss legen Langzeitbeobachtungen der Tagfaltervielfalt vor allem in niederen Lagen nahe, wo dramatische Rückgänge zu verzeichnen sind. 68 Prozent der Arten sind in niederen Lagen bereits gefährdet.
Laut einer neuen Studie stelle sich ein auf den ersten Blick paradoxer neuer Zustand ein: Der Falterbestand abseits der Berge bleibt einigermaßen stabil, wird gleichzeitig aber immer artenärmer, berichten Forscher im Fachblatt "Ecological Entomology".
Angesichts der "monotonen Stabilität" brauche es mehr Schutzmaßnahmen in agrarisch geprägten Gebieten, um die Diversität wiederherzustellen. Bei ihrer Studie stützen sich die Wissenschafter aus Österreich, Deutschland und Polen auf Aufzeichnungen aus dem Archiv des Hauses der Natur Salzburg, die von 1990 bis zum Jahr 2022 reichten.
Diese Langzeitdaten lassen das Team um Jan Christian Habel von der Universität Salzburg tief in die Entwicklungen der Schmetterlingsvielfalt im Salzburger Land blicken.
Neue Landwirtschaft dezimiert Schmetterlingsvielfalt
Die Zunahmen der intensiven Landwirtschaft habe die Zusammensetzung der Natur tiefgreifend verändert - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Tagfalter, berichten die Wissenschafter. Von der einstigen Artenvielfalt ist in den tieferen Lagen bis rund 800 Meter Seehöhe nur noch wenig übrig, zeigen die ausgewerteten Daten.
Grund dafür seien neben der modernen Form der Landwirtschaft mit dem teils massiven Einsatz von Düngemitteln sowie häufigem Mähen auch die Zerstörung vieler ursprünglicher Lebensräume. Da die meisten Tagfalterarten eher nährstoffarme Umwelten bevorzugen, bereitet ihnen das häufige Düngen Probleme, sagen die Schmetterlingsforscher.

Habel erinnert daran, dass "in Zeiten, in denen halbwegs naturbelassene Ökosysteme noch häufiger verfügbar waren, diese immer wieder als Rückzugsgebiete für Schmetterlingsarten" gedient hätten, wo Schmetterlinge in einem großen Verbund gut überleben konnten.
Biodiversitäts-Netzwerke sind verschwunden
Das habe sich vor allem in Tieflagen verändert. Denn diese einstigen Netzwerke seien verschwunden, "und mit ihnen auch viele dieser spezialisierten Arten", so der Studien-Co-Autor Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg (Deutschland).
Für Habel ist demnach klar: "Besonders die ökologisch anspruchsvollen und standorttreuen Arten zeigen negative Bestandsentwicklungen." Das gelte bei weitem nicht nur für das Untersuchungsgebiet, denn die Salzburger Erkenntnisse stehen beispielhaft für den Großteil der landwirtschaftlich geprägten, außeralpinen Gebiete Mitteleuropas.
Tagpfauenauge ist anpassungsfähig
Gewinner in dieser Entwicklung seien sehr mobile und mehr oder weniger überall anzutreffende "Allerweltsarten", wie zum Beispiel Tagpfauenauge oder Kleiner Fuchs, bzw. unterschiedliche Weißlingsarten, wie der Rapsweißling oder der Kleine Kohlweißling. Diese Schmetterlinge seien wiederum zum Teil sogar in relativ großer Zahl anzutreffen.
Weiter oben sieht die Welt noch bunter aus
Weiter oben - ab in etwa 800 bis 1.000 Meter - sieht es laut der Untersuchung "noch recht dynamisch und artenreich" aus, weiß Patrick Gros vom Haus der Natur Salzburg. Im gebirgigeren Gebiet verhindert die Beschaffenheit des Geländes die starke Intensivierung der Landwirtschaft - "was sich positiv in der noch vorhandenen Artenvielfalt in den Bergen widerspiegelt". Dort flattern noch Arten wie diverse Bläulinge sowie Schecken- oder Perlmuttfalter herum.
37 Prozent der Arten gefährdet
Sieht man sich die "Rote Liste der Tagfalter Salzburgs" an, werden über das gesamte Landesgebiet hinweg mittlerweile insgesamt rund 37 Prozent der Arten in eine Gefährdungskategorie eingereiht. 3,3 Prozent der bekannten Arten gelten - Stand 2023 - als verschollen oder ausgestorben.
In der tief liegenden Region "Alpenvorland und Salzburger Becken" wurden sogar knapp mehr als 68 Prozent der Tagfalter-Arten in eine Gefährdungskategorie eingestuft. Hier sind "dramatische" 28 Prozent der historischen Bestände verschollen oder ausgestorben.
Maßnahmen gegen "monotone Stabilität"
Um der "monotonen Stabilität" entgegenzuwirken, sollten der Erhaltung und Förderung der wenigen verbleibenden natürlichen oder naturnahen Lebensräume mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, plädieren die Forscher.
Trotz intensiven und oftmaligem Mähens von Wiesen müssten dort auch Brachflächen stehen gelassen werden. Besonderen, regional abgestimmten Schutz sollten vor allem magere Niedermoorstreuwiesen, Magerweiden und Magerwiesen genießen.
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