Blind und gehörlos: „Fühle mich oft ausgeschlossen von der Welt“

Frau sitzt mit einem Hund auf dem Bett
Die 28-jährige Tamara hat das seltene Wolfram-Syndrom. Die Oberösterreicherin leidet an Diabetes, sie ist gehörlos und blind.

Sie hat große Träume. Tamara möchte gerne mit ihrem Gesang und ihren Gedichten berühmt werden. „Ich möchte etwas schaffen, bei dem jeder sagt: Wow!“.

Der Wunsch, nach außen zu wirken, kommt bei Tamara vielleicht auch daher, dass ihr Alltag, ihre eigene Welt sehr beschränkt und eingeengt ist. Seit ihrer Kindheit leidet die 28-Jährige am seltenen Wolfram-Syndrom. Mit fünf Jahren ging es los, da wurde Diabetes diagnostiziert, danach nahm die Sehleistung immer mehr ab, mit 18 Jahren war für Tamara alles schwarz. Dazu kam der Verlust des Hörsinns. Die Cochlea-Implantate machen Gespräche und die Teilnahme an der Umwelt wieder möglich.

Mit 12 Jahren gab es die finale Diagnose. Auch Riechen und Schmecken wird immer weniger, dazu kommt ein ständiger Schwindel sowie Schluckbeschwerden. „Die meisten Ärzte kennen meine Erkrankung gar nicht. Es weiß auch niemand so genau, wie alt ich werden kann.“

Krank, aber selbstbewusst

Tamara ist selbstbewusst, lebt trotz 24-Stunden-Betreuung so aktiv und selbstbestimmt wie möglich. Ihre große Freude ist ihr Hund Stella: „Sie ist alles für mich. Ohne Hund könnte ich nicht leben. Sie ist für mich da, auch wenn es mir nicht so gut geht.“

Denn auch diese Phasen gibt es immer wieder in Tamaras Leben: „Ich bin manchmal überfordert mit meiner Krankheit, will mich nicht damit abfinden.“ Vor allem die hohen Ansprüche an sich selbst machen der jungen Oberösterreicherin sehr zu schaffen. „Natürlich fühle ich mich oft ausgeschlossen – so, als ob ich nicht dazugehören würde zu dieser Welt.“

Zusätzlich zu den körperlichen Belastungen gesellen sich psychische Erkrankungen. Deswegen bekommt Tamara regelmäßig Besuch von der Betreuungsorganisation „Neue Wege“. Da stehen Spaziergänge, gemeinsame Erledigungen oder Gespräche auf dem Programm. „Das wünsche ich mir sehr, so richtig kindisch sein und viel Spaß zusammen haben. Ich kann mich auch sehr gut mit anderen mitfreuen, wenn sie mir etwas erzählen“, weiß Tamara um ihre eigenen Stärken.

Frau und Mann mit Hund auf einem Zebrastreifen

Mit ihrem Betreuer ist Tamara unter anderem in Ottensheim unterwegs.

Musik macht sie froh und gibt ihr Kraft, in ihren Gedichten thematisiert sie alles, was sie beschäftigt, ihre Freundinnen trifft sie in der Stadt und mit ihrem Betreuer geht sie in Ottensheim, wo sie wohnt, manchmal einen Kaffee trinken oder zum Friseur. Haare waschen und föhnen ist nämlich aufgrund ihrer verkrümmten Wirbelsäule sehr schmerzhaft. „Das kostet jedes Mal 10 Euro, aber das gönne ich mir“, sagt Tamara.

„Blindsein schreckt ab“

Gönnen kann sich die 28-Jährige sonst nicht allzu viel. Sie bekommt Unterstützung und geht auch selbst arbeiten in einem integrativen Betrieb, aber das Geld ist aufgrund vieler Spezialbehelfe, die sie im Alltag braucht, knapp. Alleine die Anschaffung eines neuen Mobiltelefons ist eine finanzielle Belastung. „Vor allem beruflich wünsche ich mir mehr Aufgaben. Ich mag nicht nur herumsitzen.“ Bei Bewerbungen habe sie es immer schwer: „Dass ich blind bin, schreckt alle gleich ab.“

Blinde Frau mit Hund auf einer Parkbank

Der Alltag ist für Tamara oft beschwerlich.

Da es in Österreich nur 10 bis 15 Fälle des Wolfram-Syndroms gibt, wünscht sich Tamara Austausch mit anderen Betroffenen. „In Oberösterreich bin ich die Einzige. Aber vielleicht gibt es ja Eltern mit betroffenen Kindern, die Hilfe oder Rat brauchen.“ Heilung für die seltene Erkrankung gibt es derzeit keine, die Medizin kann nur auf die einzelnen Symptome reagieren.

Der schlimmste Teil an der Entwicklung des Syndroms war für Tamara der Verlust des Augenlichts: „Ich habe ja gesehen, ich weiß, wie das ist. Dann ist es vorbei.“ Im Alltag wissen Menschen oft nicht, wie sie mit ihr umgehen sollen, „dass sie zum Beispiel meinen Namen sagen müssen, wenn sie mich ansprechen. Sonst weiß ich nicht, dass ich gemeint bin.“

Ihre Träume lässt sich Tamara von der belastenden Erkrankung nicht nehmen. Weder im übertragenen, noch im wörtlichen Sinne: „In meinen Träumen sehe ich noch immer. Und ich träume manchmal von der Farbe Lila.

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