Warum ein privates Krankenhaus in Sarajevo Patienten aus Wien anlockt

Warum soll jemand mit dem Flugzeug zu einer MR-Untersuchung, zu einer Herz- oder Knie-Operation jetten, wenn er doch in Österreich das Krankenhaus fast überall vor seiner Haustür weiß?
Diese erste und nicht ganz unerhebliche Frage des KURIER dürften der Wiener Herzchirurg und Medizinmanager Roland Fasold und der in Wien ausgebildete Pflegedienstleiter Esmir Kavazović erwartet haben.
Jedenfalls haben Fasold und Kavazović sofort eine Antwort parat. Die beiden wurden erst vor Kurzem von der Medical University of Vienna International, kurz MUVI, einer Tochter-GmbH der MedUni Wien, in die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina (BiH) entsandt, um in einem neu gebauten privaten Krankenhaus ihr Know-how beim Aufbau der neuen Einrichtung sowie bei der Qualitätssicherung aus erster Hand weiterzugeben.
Beide betonen, dass das mehrstöckige Krankenhaus auf halbem Weg zwischen dem historischen Zentrum und dem Flughafen von Sarajevo top eingerichtet ist und ihre Kollegen im Team ebenso top ausgebildet sind.

Kurze Wartezeiten
Aber reicht das schon, um nach Sarajevo zu fliegen? Roland Fasold, der als Arzt viel in der Welt herumkam, ist davon überzeugt. Und er will seine Überzeugung mit zwei konkreten Beispielen aus den vergangenen Tagen untermauern: „Einer unserer Patientinnen wurde in Wien gesagt, dass sie mit einiger Sicherheit Brustkrebs hat. Sie hat dann tagelang kein Auge zugemacht, weil sie keinen Termin für eine weitere Untersuchung bekam. Dann hat sie bei uns angerufen. Zwei Tage später saß sie im Flugzeug. Sofort hatte sie Gewissheit bei uns.“
Weil noch kaum jemand in Österreich von seinem speziellen Angebot weiß, führt der Medical Director des Spitals als ein weiteres Beispiel seine Tochter an: „Sie hat in Wien monatelang auf eine Magnetresonanz-Untersuchung gewartet. Weil die Bandscheiben wehtaten, kam sie zu uns.“
Sein bosnischer Kollege Esmir Kavazović, der in Wien als Pflegedienstleiter bei Malteser Care im Einsatz war, ergänzt: „Bei uns reicht ein Anruf, sofort hat man einen Termin.“ Auch preislich würde sich der medizin-touristische Trip nach Sarajevo absolut lohnen: „Die meisten Leistungen kosten in Sarajevo ein Drittel von dem, was man in Österreich dafür bezahlt.“

Die Ex-YU-Community
Was er nicht sagt, was aber Faktum ist: dass eine Jahreskarte der Wiener Linien weniger kostet als ein Hin- und Retourticket für den rund einstündigen Flug in die Multikulti-Stadt Sarajevo.
Vor allem Patienten aus Österreich und Deutschland mit Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien waren schon zur OP in ihrem Spital, fügt Kavazović fort. Der Diplompfleger erklärt das so: „Sie fühlen sich bei uns besser aufgehoben, auch deshalb, weil sie die Sprache unseres Personals besser verstehen.“
Der Medizinmarkt quasi vor der Haustür ist groß, weiß Esmir Kavazović aus seiner Zeit in Österreich: „Nicht nur in Wien ist die Ex-YU-Community sehr groß. Für viele ist Sarajevo auch eine Art Heimspiel, haben sie doch noch Familie hier unten bei uns.“
An sich sei die Akquise von Patienten gar nicht ihre Aufgabe, betonen Roland Fasold und Esmir Kavazović. „Doch als wir in den Medien gelesen haben, wie lange man in Österreich auf Arzttermine warten muss, haben wir uns gedacht, dass wir unbedingt auf uns aufmerksam machen sollten.“
In dem Spital, in dem das Duo im Auftrag der österreichischen MUVI GmbH ihr Wissen weitergibt, wären wie in einem allgemeinen Krankenhaus alle wichtigen Fachabteilungen vertreten. Eigentümer der im April 2024 eröffneten Einrichtung ist die ASA-Gruppe, die in BiH auch im Finanz- und Transportsektor tätig ist.
„Gastarbeiter“ am Balkan
Noch viel zu tun: Sarajevo sei erst der Anfang, verraten die beiden „Gastarbeiter“ aus Wien. Weitere Medizin-Angebote sind in Kroatien, Montenegro, im Kosovo und auch in Serbien geplant.
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