Wer starb früher: Makaberer Streit ums Erbe

Wer starb früher: Makaberer Streit ums Erbe
Entscheidende letzte Minuten: Ein Ehepaar kam bei einem Autounfall ums Leben – doch wer starb zuerst?

Der Anprall war gewaltig: Ein 40 Tonnen schwerer Lkw fuhr im Frühjahr 2014 auf einer Schnellstraße in der Steiermark auf ein Auto auf, das am Pannenstreifen stand. In dem Auto saß ein Ehepaar. Es überlebte den Unfall nicht. Was dann folgte, war ein langjähriger und makaberer Streit um das Erbe der Verstorbenen.

Der Mann und die Frau hatten jeweils erwachsene Kinder in die Ehe mitgebracht. Die Frau zwei, der Mann drei. Ein Testament hinterließen die Eheleute nicht.

Kinder wollten teilen, doch dann kam ein Kurator

Im Verlassenschaftsverfahren der verstorbenen Frau wollten sich die beiden Kinder das Erbe teilen. Doch dann tauchte ein Kurator, also ein Vertreter der Verlassenschaft des Ehemannes auf – er vertrat die Meinung: Auch ihm steht ein Teil des Erbes der Frau zu. Denn schließlich sei die Frau bei dem Unfall zuerst gestorben. Das Erbe sei somit zu dritteln.

Aus den Sterbeurkunden geht hervor, dass die Frau um 9:31 Uhr starb, der Mann um 10:50 Uhr.

Wer starb früher?

Doch war das wirklich so? Die Gerichte mussten bei der Beurteilung dieser Frage in schmerzliche Details gehen.

Wie aus den Aufzeichnungen der Ärzte hervorging, waren die Wiederbelebungsversuche bei der Frau um 10.30 Uhr wegen Erfolglosigkeit abgebrochen worden. Der Mann allerdings wurde „medizinisch lebend“ um 10:45 Uhr einem anderen Arzt im Krankenhaus übergeben.

"Schnappatmung" laut Protokolle

In den medizinischen Protokollen ist vermerkt, dass es bei dem Patienten noch eine Schnappatmung gegeben habe – dabei handle es sich um kein Atemmuster vor dem Eintritt des Todes. Außerdem zeigte das EKG auch noch keine Nulllinie an. Fünf Minuten später allerdings war dann auch er tot. Oder vielleicht doch schon früher?

Es könne „nicht ausgeschlossen“ werden, dass der Hirntod des Mannes gleichzeitig mit dem Tod der Frau eingetreten ist, befand das zuständige Bezirksgericht.

Es komme darauf an, wann der Funktionsverlust des Gehirns eingetreten sei. Und das sei in diesem Fall einfach nicht mehr festzustellen. Also sei auch nicht bewiesen, dass der Mann seine Ehefrau tatsächlich überlebt hat.

Dieses Urteil bestätigte in weiterer Folge auch die nächste Instanz. Die Folgerung des Gerichts: Der Mann könne seine Frau auch nicht beerben.

Doch damit war noch nicht Schluss in dieser überaus heiklen Causa. Der Streit ums Erbe ging bis zum Obersten Gerichtshof. Und der sah die Sache tatsächlich anders: Es sei nicht mehr zu beweisen, ob der Mann tatsächlich schon hirntot war. Bisher hätte nur „nicht ausgeschlossen“ werden können, dass der Hirntod beim Mann gleichzeitig eintrat. Das reicht nicht.

Sterbeurkunde zählt

Und deshalb gelten die Angaben, die auf der Sterbeurkunde stehen. Oder anders ausgedrückt: „Ist strittig, ob eine Person die andere überlebt hat, so machen die Sterbeurkunden vollen Beweis für die darin bezeugten Todeszeitpunkte.“

Und weil der Mann seine Ehefrau zumindest auf dem Papier um exakt eine Stunde und 19 Minuten überlebt hat, hat er ein gesetzliches Erbrecht.

Somit konnten sich die beiden hinterbliebenen Kinder der Frau das Erbe auch nicht zur Hälfte aufteilen. Es wird nun gedrittelt.

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