Jeder langweilt sich mal. Aber die wenigsten werden deshalb kriminell. Man überschätzt da gerne die Bedeutung von Freizeitaktivität. Man muss auch bedenken, dass selbst die Kriminellsten unter uns nur sehr wenig Zeit damit verbringen, Verbrechen zu begehen, vielleicht ein paar Stunden pro Woche. Also sogar wenn man einen Kalender voller Aktivitäten hat, kann man Zeit für kriminelle Handlungen finden. Das Problem ist, es werden viel Zeit und Ressourcen dafür verwendet, entsprechende Freizeitangebote auf die Beine zu stellen. Das ist aus vielen Gründen gut, aber Kriminalprävention gehört nicht dazu.
Wenn von Kriminalität die Rede ist, steht zunehmend auch Jugendkriminalität im Fokus. Wie sollte man damit umgehen?
Es braucht langfristige, aktive Maßnahmen, die brauchen wiederum Zeit. Man sieht die Ergebnisse vielleicht erst in 10, 15 Jahren – und das ist dann für Politiker schwierig, weil sie meistens schnelle Ergebnisse wollen. Wir wissen aber, dass die meisten Schwerverbrecher schon als Kinder kriminell waren. Das hat mit ihrer moralischen Entwicklung und ihrer Fähigkeit zur Selbstkontrolle zu tun. Man muss also wirklich schon bei den Kleinen ansetzen, schon im Kindergarten. Da wird der Grundstein gelegt. Aber man konzentriert sich in den Maßnahmen hauptsächlich auf die Jugendlichen, die dann oft schon länger kriminell sind. Gleichzeitig muss man aber natürlich auch auf die Verbrechen reagieren, die aktuell passieren. Es braucht beide Ansätze.
Wie kann man Moralvorstellungen ändern? Werden diese Vorstellungen nicht von den Eltern vermittelt?
Es gibt da schon eine gewisse Stabilität in den Moralvorstellungen. Aber unsere Moralvorstellungen sind schon einem Wandel unterworfen, weil sich auch das Leben ständig ändert. Man geht zur Schule, man wechselt den Beruf, man lernt andere Menschen kennen, man gründet eine Familie. Das verändert auch unsere Moralvorstellungen. In der Schule gibt es ein großes Potenzial, Kinder positiv zu beeinflussen. Das Wichtigste ist, ihnen beizubringen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und wie es das Wohlergehen anderer Menschen beeinflusst. Das ist das Grundprinzip. Es ist wie ein Training, man lernt Verhalten. Wenn man lernt, dass es in Ordnung ist, Gewalt anzuwenden, dann kann das zur Gewohnheit werden. Und das darf man natürlich auch nicht vergessen: Die meisten Jugendlichen sind nicht kriminell. Es ist eine kleine Gruppe, die sehr aktiv und für die meisten Straftaten verantwortlich ist.
Wo liegen die Schwachstellen in der gängigen Praxis der Kriminalprävention?
Dass vor allem reagiert wird. Prävention würde aber bedeuten, zu handeln, bevor ein Problem entsteht. Das ist auch eine vorherrschende Meinung: Manche meinen, im Grunde seien wir alle kriminell, das Einzige, was uns zurückhalte, sei die Angst, erwischt zu werden. Absurd. Und so kaufen wir uns bessere Schlösser, Überwachungskameras und so weiter. Aber das brauchen wir für die, die schon kriminell sind. Für die meisten macht das keinen Unterschied – die würden auch nicht einbrechen, wenn die Tür offen wäre. Es ist nur für die relevant, die bereit sind, eine kriminelle Handlung zu begehen.
Per-Olof Wikström war zu Gast bei den Campus Lectures des FH Campus Wien.
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