Kellner erzählen: Wie viel und wo die Österreicher Trinkgeld geben

Von Jasmin Sharma
„Dumm und deppert verdienen wir uns Kellner ned“, scherzt der Kellner eilig im Vorbeigehen. Mit seinem Tablett voller Kaffees, Limonaden und kleinen Häppchen saust der energische Mann zwischen den Tischen im Schanigarten in der Wiener Innenstadt hin und her. In den Lokalen und Gastgärten rund um den Graben geht es am Freitag beim KURIER-Lokalaugenschein hektisch zu: Im Trubel zwischen Servieren, Abservieren und Kassieren bleiben nur Augenblicke, um mit den Mitarbeitern zu sprechen. Nur in einem kurzen Moment des Ausschnaufens erzählt der erwähnte Kellner, dass sich beim Trinkgeld einiges verändert habe: „Im Großen und Ganzen spürt man schon die Sparsamkeit der Menschen.“ Nicht nur er sieht das so.
Szenenwechsel, ein paar Straßen weiter: Heißgetränke stehen auf der Schank eines Cafés zum Abholen bereit. „Die Rechnung, bitte“, rufen Kunden von mehreren Seiten.
Einen Augenblick nimmt sich die Kellnerin aber doch Zeit für ein kurzes Statement zum Thema Trinkgeld: „Es war vergangenes Jahr noch viel besser“, sagt sie. Wobei es nicht nur ums Geld gehe: „Es zeigt einfach Dankbarkeit für unseren Job. Diese Dankbarkeit motiviert uns einfach enorm.“ Dann verschwindet sie wieder im Restaurant-Alltag. Doch welchen Stellenwert hat Trinkgeld in der Gesellschaft?
Große Unterschiede
Das variiert von Land zu Land. Während in Österreich Trinkgeld in der Gastronomie ein Muss für viele ist, spüren immer mehr Kellner und Kellnerinnen, dass seltener und weniger davon gegeben wird. Viele berichten, dass das vor allem bei Touristen der Fall ist: Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass im Ausland das Trinkgeld oft in der Rechnung inkludiert ist, etwa im italienischen „coperto“.
So mancher Kellner hat sich für diesen Fall eine Strategie zurechtgelegt: Ein Mitarbeiter von „Das Café“ im 7. Bezirk weist englischsprachige Gäste extra darauf hin: „Would you like to give a tip?“ (also: „Möchten Sie ein Trinkgeld geben?“) fragt er seine Gäste aus anderen Ländern. Wichtig sei, auch ein „Nein, danke“ freundlich zu akzeptieren, fügt er hinzu. Ein Kollege, der in der Nähe des Stephansdoms in einem Restaurant arbeitet, hat wiederum die Strategie, besonders aufmerksam zu sein: „In solchen Fällen geben auch die Touristen oft mehr als die üblichen zehn Prozent.“ Doch wie sehen das eigentlich die Kunden?
An der Schank eines Beisls im 7. Bezirk verlangt ein junger Mann die Rechnung. Diese beträgt 24,70 Euro. „Mach’ ma 27“, sagt er. „Für den Job, den die Kellner leisten, haben sie einfach Trinkgeld verdient“, erklärt der Gast. Das stehe für ihn außer Frage. Er steckt sein Restgeld ins Geldbörsel und geht weiter.


Nicht nur im Restaurant
Ein Gast aus Australien sieht das wiederum anders: Er gebe tendenziell kein Trinkgeld, auch versteht er das kurze Innehalten des Kellners vorm Eintippen des Betrags in die Bankomatkasse nicht. „In anderen Jobs bekommt man ja auch kein Trinkgeld“, sagt er und trinkt den letzten Schluck aus seinem Getränk. Dies widerlegt jedoch eine aktuelle Studie: Demnach geben zwei Drittel der Österreicher im Friseur- oder Kosmetiksalon einen Aufschlag, ebenso im Hotel. Auch Handwerker, Taxifahrer und Tourguides gehen meist nicht leer aus (siehe Grafik).
Eine Veränderung in der Trinkgeld-Kultur brachte auch die vermehrte Kartenzahlung mit sich: „Wenn die Menschen die Geldscheine in der Hand haben, sind sie viel offener dafür, aufzurunden“, erzählt eine Kellnerin in einem Café im 1. Bezirk. Bei Bankomatzahlungen hingegen sei die Hemmung deutlich größer, auf zehn Prozent zu klicken.
Parallel zur Beobachtung der Kellner und Kellnerinnen wird derzeit in der Politik über die Abgaben auf Trinkgeld diskutiert. Wie sich diese weiterentwickeln, ist noch offen. Im Vorbeigehen sagt einer der vielen Kellner, die mit dem KURIER gesprochen haben: „Ich zahl’ schon gerne meine Steuern, wenn sie mir nachher was bringen, zum Beispiel in der Pension.“ Und wenn es Abgaben auf das Trinkgeld gäbe? „Dann steck ich’s mir halt schwarz ein“, scherzt er und lacht.
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