Tödliche Raserei am Wiener Ring: Der schwierige Kampf gegen Straßenrennen
Ein Lenker raste bei einer Wettfahrt über eine rote Ampel und in das Auto einer unbeteiligten Frau, die dabei ums Leben kam. Der Unfall befeuert die Debatte: Was können Polizei und Politik gegen diesen Wahnsinn tun?
Der Wiener Schottenring, Sonntagabend. Zwei Fahrzeuge kommen an einer Kreuzung bei einer roten Ampel nebeneinander zu stehen. Ein BMW, ein Mercedes. Die Motoren heulen. Die Ampel wird grün, beide rasen los. Bis zur nächsten Ampel. Nur, dass der Lenker des Mercedes über die rote Ampel rast. Das Todesurteil für eine 48-jährige Wienerin, die gerade bei Grün aus der Wipplingerstraße über den Ring fährt. Sie wird noch aus dem Wrack geschnitten und in ein Spital gebracht. Dort stirbt sie an ihren Verletzungen.
Ein Video, das der Polizei vorliegt, zeigt, wie die beiden Lenker an der ersten roten Ampel stehen und dann mit Vollgas wegbeschleunigen. Aufgezeichnet von einem unbeteiligten Fahrzeuglenker. Der Unfalllenker stammt aus Syrien, lebt in Belgien und war mit einem belgischen Führerschein mit seinem dort angemeldeten, 15 Jahre alten Mercedes, unterwegs. Warum er in Wien war, wird noch ermittelt. Der 26-Jährige verweigerte bislang die Aussage.
Sein Renngegner ist Wiener, 30 Jahre alt. Derzeit geht die Polizei davon aus, dass die beiden zufällig am Ring zusammengetroffen sind und diesen zur tödlichen Rennstrecke umfunktioniert haben. Der Mann hat sich unmittelbar nach dem Unfall bei der Polizei gemeldet, die rote Ampel an der Wipplingerstraße soll er nicht missachtet haben.
Wie schnell der Mercedes-Fahrer zum Unfallzeitpunkt unterwegs war, kann die Polizei aktuell nicht sagen. Das werden die Gutachter ermitteln. Der Mann wurde festgenommen, eine Amtsärztin hatte zudem festgestellt, dass der Lenker völlig übermüdet gewesen sei.
Zwar ereignete sich Sonntagabend der tödliche Unfall durch Raser am Wiener Ring, die Roadrunner-Szene ist in der Bundeshauptstadt aber meist woanders zu finden. Als Hotspots gilt etwa der Kahlenberg in Döbling. An einem Wochenende im Mai stellte die Polizei in einer einzigen Nacht allein 416 Anzeigen wegen Geschwindigkeitsübertretungen aus.
Der Druck aus der Bevölkerung war so hoch, dass Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) und Döblings Bezirksvorsteher Daniel Resch (ÖVP) – sonst nicht gerade für gemeinsame Aktionen bekannt – im August ein neues Konzept präsentierten. Auf dem großen Kahlenbergparkplatz, auf dem bis zu 600 Autos abgestellt werden können und auf dem sich Roadrunner gern zu schaffen machen, wurden 65 neue Betonleitwände aufgestellt.
Der Parkplatz ist damit nicht mehr nur mit Betonpollern begrenzt, auch auf der Parkfläche selbst werden solche Poller aufstellt. Eine lange gerade Strecke gibt es auf dem Parkplatz somit nicht mehr. Rasen sollte damit also nicht mehr möglich sein.
In Favoriten ist besonders die Triester Straße betroffen. SPÖ, ÖVP und FPÖ sind sich zwar einig, dass etwas gegen die Roadrunner getan werden muss, und fordern Maßnahmen – die Verantwortung sehen sie aber bei den jeweils anderen, feinstes Polit-Hickhack inklusive. Bisher setzt man hauptsächlich auf Kontrolle durch Planquadrate. In ganz Wien wurden heuer schon mehr als 600 durchgeführt.
Agnes Preusser
Dem Unfallfahrer könnte nun sogar eine Mordanklage ins Haus stehen. In Deutschland gab es bereits derartige Verurteilungen nach einem Autorennen in Berlin. Und die sind auch in Österreich möglich. Voraussetzung dafür ist, dass es der Täter „ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet“, dass jemand sterben könnte. „Wenn ich absichtlich rote Ampeln überfahre, kann das durchaus so gewertet werden“, sagt ÖAMTC-Verkehrsjurist Martin Hoffer. Zudem entspreche es der „Lebenserfahrung“, dass an der Unfallstelle mit anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen sei.
Ein etwas anders gelagerter Fall führte in Wien bereits im Jahr 2018 zu einer Mordverurteilung. Damals wollte sich ein 34-jähriger Wiener das Leben nehmen und raste mit bis zu 100 km/h durch die Stadt. Dabei erfasste er zwei Männer auf einer Vespa, die an Ort und Stelle starben. Die Geschworenen verurteilten den Mann zu zehn Jahren unbedingter Haft plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.
2020 wurden 217 Anzeigen wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr erstattet, 16 weitere wegen grober Fahrlässigkeit.
Kampf gegen Raser
Kampf gegen tödliche Raserei ist ein Kampf gegen Windmühlen. Deshalb führt die Polizei regelmäßig Schwerpunktaktionen durch. Und zuletzt wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen verschärft. Aus dem Verkehrsministerium heißt es dazu: „Extreme Raserei ist ein besonders verantwortungsloses Verhalten, bei diesen Geschwindigkeiten wird das Auto zur Waffe.“ Zuletzt wurden in zwei Gesetzesnovellen harte Maßnahmen gegen extreme Raserei gesetzt mit deutlich höheren Strafen bei Raserei oder extremer Beschleunigung und dem neuen Delikt zur „Teilnahme an illegalen Straßenrennen“. Jetzt soll noch die Beschlagnahme des Autos bei rücksichtslosen Wiederholungstätern umgesetzt werden, heißt es aus dem Ministerium: „Hier läuft aktuell die regierungsinterne Abstimmung.“
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