Die Idee war gut, allein, sie ging nicht auf. Railjet 130 von Venedig über Klagenfurt (Planabfahrt 19.39) nach Wien, Planankunft 23.28 in Wien Meidling. Sichere Sache, möchte man meinen, für jene, die noch schnell vor dem Streik nach Wien wollten.
Sie haben nicht mit den ÖBB gerechnet. Denn der Zug wurde nur bis Wiener Neustadt geführt. Die Erklärung der ÖBB: "Wegen einer Verzögerung auf der italienischen Strecke kann der Zug von Wiener Neustadt Hbf bis Wien Hbf nicht fahren."
Für diesen letzten Teil der Strecke haben die ÖBB einen Schienenersatzverkehr bereit gestellt. Schon während der Fahrt wurde in dem Railjet aus Venedig - laut einem Fahrgast sieben volle Waggons - darüber diskutiert, ob und wie das mit den Bussen aus Wiener Neustadt funktionieren werde.
Ob das überhaut funktionieren kann, einen ganzen Zug in Wiener Neustadt in Busse umzuladen? Der KURIER war rund um Mitternacht am Bahnhof in Wiener Neustadt dabei.
Aber bevor der Zug aus Venedig ankommt, nehmen noch einige Pendler den letzten Zug nach Wien am Sonntag Abend, er geht um halb zwölf. Eine Frau hätte noch bis sechs Uhr morgens Dienst, sie hat ihre Kollegin kurz vor Mitternacht jetzt alleine gelassen. In Absprache mit dem Dienstgeber, allerdings sei noch nicht sicher, wie die Sache für sie geregelt wird.
"Ich habe einen Hund zu Hause, der muss gefüttert und versorgt werden." Wobei sie schon sagt: "Ich habe Verständnis für den Streik."
Groß ist der Ärger auch bei einer Lehrerin, die extra noch am Sonntag spät in der Nacht nach Wien fährt: "Ich kann meine Schüler ja nicht alleine lassen." Sie wird von Montag auf Dienstag nochmals in Wien schlafen, weil sie nach dem Unterricht nicht nach Hause fahren kann.
"Das sollten sich Leute im Krankenhaus einmal leisten!"
"Das sollten sich einmal wir Lehrer, Leute im Krankenhaus, Ärzte oder Behindertenbetreuer leisten, dass sie 24 Stunden ihre Arbeit niederlegen", kritisiert sie die ÖBB-Gewerkschaft. Wobei sie Verständnis für einen Streik, etwa von 6 bis 9 Uhr am Montag aufbringen könnte.
Ein Schaffner sagt zum KURIER auf die Frage, was er morgen machen werde: "Sitzen und warten." Für den Fall, dass der Streik doch noch kurzfristig abgesagt werden sollte: "Dann müssen wir sofort in der Lage sein, den Betrieb aufzunehmen." Für sehr wahrscheinlich hält er das aber nicht.
In der Zwischenzeit nehmen die VOR-Busse Aufstellung beim Wiener Neustädter Bahnhof. Sechs an der Zahl. "Wenn wir zur HTL fahren, bringen wir 100 Schüler auch rein", scherzt ein Busfahrer auf die Frage, ob alle Fahrgäste aus dem Zug überhaupt Platz finden werden.
So eng wird es dann doch nicht. Um 0.14 fährt der Zug am Bahnhof ein, gleich auf Gleis 1, damit die Fahrgäste barrierefrei zu den Autobussen gelangen. Alles läuft ruhig und gesittet ab, in den bereit gestellten Bussen ist ausreichend Platz.
Touristen haben erst in Wiener Neustadt realisiert, dass sie raus müssen
Glücklich ist aber niemand. Zwei Freundinnen, die gerade aus Venedig zurückkommen, erzählen: "Im Zug hat man uns nicht gesagt, dass die Busse nur bis Meidling fahren. Mein Radl steht aber am Hauptbahnhof. Und die ausländischen Touristen haben gerade erst mitbekommen, dass sie hier aussteigen und mit dem Bus weiterfahren müssen."
Sie ersparen sich die Fahrt nach Wien, weil sie von ihren Freunden, mit denen sie in Venedig waren, nach Pernitz mitgenommen werden, um dort zu übernachten.
Pia Dallitz aus Villach hat sich extra schon am Sonntag Abend aufgemacht, um rechtzeitig in die Arbeit nach Wien zu kommen. "Das ist schon sehr unangenehm jetzt", sagt sie, obwohl sie Verständnis für das Anliegen der ÖBB-Mitarbeiter hat.
Diesen Zug hätte die ÖBB aber durchaus nach Wien bringen können, "schließlich ist die Verspätung ja auch Verantwortung der ÖBB, nicht unsere."
Fabrice Keller ist das Lachen nicht vergangen, sagt er in der kalten, nebeligen Nacht am Wiener Neustädter Bahnhof. Er arbeitet in der Pflege, wollte deshalb auch rechtzeitig in Wien sein, um am Montag seiner Arbeit nachgehen zu können. Das kann er, allerdings mit weniger Schlaf als geplant.
Das Umsteigen vom Railjet 130 in die sechs Busse ist dann nach knapp zehn Minuten erledigt, der Schienenersatzverkehr verlässt das nebelig graue Wiener Neustadt im Konvoi Richtung Wien.
Gestrandet in der Bahnhofshalle
Weniger Schlaf bekommt heute Nacht auch die junge Ungarin Kitty ab, die in der Bahnhofshalle gestrandet ist. Sie war auf ein Date in der Nähe von Wiener Neustadt, wollte am Abend zurück nach Györ. Wegen einer Verspätung habe sie ihren Anschluss verpasst.
Sie hat es geschafft, eine Freundin zu erreichen, die sie vom Bahnhof abholen und nach Ungarn bringen wird. So lange darf sie jedenfalls im warmen Bahnhof warten. Denn rausgeschmissen wird heute Nacht niemand, versichern die Securitys der jungen Frau.
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