"Vor ein paar Monaten noch hätte ich mir nicht vorstellen können, dass hier wieder Menschen sein würden", sagt Petra Leschanz. Die Juristin wohnt in der Nähe der Zelte. Sie ist fast jeden Tag hier, bringt warme Mahlzeiten oder Kleidung und Schuhe vorbei. Schon 2015 habe sie hier nicht wegschauen können. Dass die Zelte, die seither leer standen, nun wieder aus dem, wie sie es nennt, „Dornröschenschlaf“ geweckt wurden, ist für sie unfassbar. "Sie sind menschenunwürdig und absolut nicht geeignet, um Menschen hier länger unterzubringen."
Über 400 Menschen waren laut Pressestelle der Landespolizei zeitweise in Spielfeld untergebracht. Derzeit seien nur zwei der drei Zelte belegt, sagt ein Beamter vor Ort. Ein weiteres Zelt gibt es zur Essensausgabe. Dreimal am Tag gibt es Nahrungsmittel. Laut Schutzsuchende sind es Folgende: Brot in der Früh. Burger oder Kebab zu Mittag. Am Abend noch mal Brot.
Laut Polizei wird daran gearbeitet, ein Catering aufzustellen. Und zweimal die Woche gebe es nun auch eine medizinische Anlaufstelle im Wartebereich. "Wir bemühen uns wirklich", so der Polizeibeamte.
"Es ist furchtbar für alle hier"
Die Gruppe Crossing Border Spielfeld, in der auch Leschanz aktiv ist, schlug in den vergangenen Wochen mehrmals Alarm. Neben der Unterbringung in Zelten sei auch die medizinische Versorgung mangelhaft. Immer wieder haben Menschen aus der Umgebung die Schutzsuchenden zu Ärzten oder in Krankenhäuser begleiten müssen. Unbehandelte Verletzungen vom Fluchtweg wie Eiterflechten seien ein großes Problem. "Natürlich ist es nur eine Notlösung", heißt es auch von der Pressestelle der Polizei. Für ein paar Tage sei es schon machbar. Die Menschen dürften sich zudem frei bewegen und das Rote Kreuz sei auch immer zur Stelle, wenn nötig.
"Es ist furchtbar für alle hier", sagt Johanna Schell. Sie wohnt seit zwei Jahren unmittelbar von den Zelten entfernt. Wie schlecht es um die Menschen dort stehe, habe sie mitbekommen, als sie buchstäblich vor ihrem Haus auftauchten. "Ich habe Nussbäume auf meinem Grundstück. Da kamen immer wieder Menschen, um Nüsse zu essen“, erzählt sie. Einmal haben Menschen sogar ihren Restmüll nach Essen durchstöbert. "So ein Elend tagtäglich mitzubekommen. Es ist eine Zumutung für uns alle", so Schell.
Auch hätten manche der Bewohner Angst vor den Männergruppen, sagt sie. "Das kann ich teilweise ja auch verstehen. Auf der anderen Seite wird man angefeindet, wenn man hilft".
Alles zurück gelassen
Fragt man die Lagerbewohner, hört man Gemischtes über die Unterbringung. Manche sind zufrieden, überhaupt einen Schlafplatz und Essen zu haben. Andere wiederum beschweren sich über das Essen. Wieder andere zeigen direkt auf ihre Verletzungen, deuten Schmerzen an.
In Spielfeld sind Schutzsuchende aus vielen Ländern wie Syrien, Marokko, Somalia, Algerien oder auch der Türkei anzutreffen. Manche kommen direkt aus Kriegsgebieten. Wie etwa der Kurde Osman, der sich vom syrischen Afrin auf den Weg gemacht. Andere waren schon länger in der Türkei. „Aber auch da ist es schwierig. In Syrien wird man getötet. In der Türkei gibt es keine Arbeit“, sagt ein zweifacher Familienvater. Trotz seines verletzten Fußes, von einer Bombenexplosion in Syrien, hat er sich auf den Weg gemacht, dafür auch seine zwei Kinder und Frau in der Türkei gelassen. Am schlimmsten sei es in Bulgarien gewesen. “Da lassen Polizisten die Hunde auf uns los“.
Ein anderer junger Mann hat ebenfalls seine Kinder in der Türkei zurückgelassen. Er ist in der Türkei geboren. Aber als Kurde sei er politisch verfolgt worden. Und seit den 1960er-Jahren befinde sich seine Familie in einer Blutfehde. "Entweder werde ich getötet. Oder ich muss jemanden töten. Ich will beides nicht", sagt er und zeigt als Beweis einen Zeitungsartikel über die Tötung von fünf Familienmitgliedern. Viermal habe er einen Visumantrag gestellt. Schließlich habe er sich so auf den Weg gemacht. Für die Schlepperkosten von 10.000 Euro hat er sein Grundstück verkauft. "Glauben Sie, ich bekomme Asyl?", fragt er.
Wie es fürs Erste weitergeht, entscheidet die Nummer auf seinem gelben Band.
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