„Wir sind eine Formel-1-Region“

Eine leere Rennstrecke mit Reifenspuren und Tribünen im Hintergrund.
Das Revival der dröhnenden Boliden beschert der Obersteiermark neue Aufbruchstimmung.

Noch dröhnen keine Motoren am Red-Bull-Ring in Spielberg, die Tribünen und die Strecke sind verwaist. Simon, 13, blickt auf den Start, nippt an seiner Red-Bull-Dose und lauscht seinem Vater Franz Zanger. „Ich war als Kind schon da und hab' den Motorenlärm noch in den Ohren“, erzählt der 49-Jährige. „Traumhaft ist das.“

Ein Mann im karierten Hemd und eine Frau in einem blauen Top stehen vor einem Gebäude.
Spielberg, Formel 1, Lokalaugenschein

Hier, am Red-Bull-Ring im obersteirischen Aichfeld, feiert die Formel 1 nach elf Jahren Absenz im kommenden Jahr ihr Comeback. Mittendrin wird Simon sein. Denn die Familie aus Klosterneuburg, die gerade in der Region urlaubt, reservierte gleich für das Renndatum, den 6. Juli 2014, ein Zimmer. Und änderte den Urlaubsplan: „Wenn wir die Nachricht nicht gehört hätten, wären wir nicht hier“, am Ring, fügt Martha Zanger bei.

Die Ankündigung versetzte nicht nur Formel-1-Fans, sondern auch Politiker und Ex-Sportler in Euphorie. Die Kommentare überschlugen sich in Superlativen. Spielberg sei eine „globale Veranstaltungsdestination“, die „erfolgreichste Event-Region Österreichs“. New York, Sochi und Spielberg sind neu im Rennkalender. In so einem Reigen sehen Politiker die Region gerne.

Eine Familie posiert auf einer Tribüne mit Blick auf eine Rennstrecke.
Spielberg, Formel 1, Lokalaugenschein

Und die Spielberger?

Seit Jahrzehnten leben sie mit und auch vom Rennsport. Im Jahr 1969 eröffnete der Österreich-Ring, die Formel 1 kam und ging. Ab 2003 wurde es turbulent. Der Getränkeriese Red Bull plante ein Großprojekt, Anrainer wehrten sich, die Behördenverfahren wurden zu einem Marathon. Tausende Befürworter standen Dutzenden Gegnern gegenüber. Mehrfach platzten die Pläne, bis im Mai 2011 eine Light-Version eröffnet wurde. Erst am vergangenen Wochenende wurden die „ World Series by Renault“ ausgetragen.

Ein Mann steht vor der Burg Lockenhaus und gibt einen Daumen nach oben.
Spielberg, Formel 1, Lokalaugenschein

Robert Neumann, 43, Chef der „Burg“, einer Disco samt Restaurant und eines Hotels, glaubte zuerst an einen Scherz. Stunden nach der Ankündigung fragte der erste Gast für den Grand Prix 2014 per eMail an. „Ich hab' geglaubt, mich will wer sekkieren“, erzählt er. Vom Revival erfuhr er erst später.

„Turbo für Region“

Dienstagmittag verfolgt er gerade die Nachrichten zum Formel-1-Comeback. Der Grüne Abgeordnete Werner Kogler ist zu hören. Der einzige wirtschaftliche Effekt sei ein gestiegener Bierkonsum, sagt er abfällig. „Na hoffentlich!“, fährt es aus Neumann heraus. „Wir haben ja tolle steirische Brauereien. Ich freue mich für die gesamte Region. Wir sind ja eine Formel-1-Region.“ Seit der Red Bull-Ring in Betrieb sei, gehe es aufwärts. Das Rennjahr 2014 werde zum „Turbo für die Region“, schwärmt er.

Ein großes, weißes Gebäude mit braunem Dach, teilweise von Bäumen verdeckt.
Spielberg, Formel 1, Lokalaugenschein

Hans Köstner kämpfte einst als Tourismus-Chef für die Rennstrecke. Was soll ein Drei-Tages-Event bringen? „Alle sehen nur drei Tage. Aber der gesamte Tross kommt viel früher.“ Wie auf anderen Rennstrecken werden sich Firmen ansiedeln. Wofür? „Etwa für Reifentests.“ Die Gäste werden essen, hier nächtigen, einkaufen. Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz habe schon in Eigenregie mehrere Hotels eröffnet. „Die Umwegrentabilität und der Werbeeffekt sind gigantisch.“ Erklärt werden solche abstrakten Begriffe anhand von Beispielen. Beliebt ist jenes von den Besuchern, die zu Stammgästen wurden. Bei Freddy Wascher, Chef des Hotels Grand Prix, trifft das zu: „Einige Schweizer Gäste kommen noch immer, auch ohne Grand Prix.“

Nachbarschaftsrechte

Im Ort gibt es zwei Reizwörter – „Anrainer“ und „Umweltauflagen“. Sie könnten den Formel-1-Traum theoretisch platzen lassen. Wer will das? „Niemand“, erklärt Anrainer-Vertreter Karl Arbesser. Doch der gültige Bescheid limitiere die Besucherzahl (auf 40.000). „Es geht um die Frage, ob der Event in den Bescheid passt. Wir werden unsere Nachbarschaftsrechte geltend machen.“ Simon hat andere Sorgen. „Ich brauch eine Karte.“ Die liegen aber noch nicht auf.

Das Interview mit Dietrich Mateschitz und mehr zur F1-Rückkehr nach Österreich lesen Sie unter kurier.at/sport

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