Was bewegt Eltern auf dem Land? Was Familien in der Stadt?

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Christian Rudisch vom SOS Kinderdorf über Herausforderungen für Eltern über fehlende Bewegungsfreiheit in der Stadt und Versorgungslücke auf dem Land.

Alleinerziehende in der Stadt, Eltern im Speckgürtel und Bauernfamilien auf dem Land –  alles Familie. SOS Kinderdorf-Geschäftsleiter Christian Rudisch kennt die unterschiedlichen Herausforderungen, die Eltern  auf dem Land und in der Stadt  zu bewältigen haben und welche  Probleme alle Familien betreffen.

KURIER: Herr Rudisch, was sind  die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Familienleben in der Stadt und auf dem Land?
Christian Rudisch: In der Stadt gibt es vor allem den begrenzten Raum. Kinder haben weniger Platz, sich zu entfalten und ihre motorischen Fähigkeiten zu entwickeln, was fatal ist. „Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der motorischen und der emotionalen sowie psychischen Entwicklung.   Wir verbauen immer mehr öffentlichen Bewegungsraum und sollten uns fragen, wie ein Lebensraum gestaltet sein muss, damit Kinder sich gesund und unbelastet entwickeln können.  Auf dem Land hingegen haben Kinder da mehr Raum,  auch um die Natur zu entdecken – dabei kommen sie auch ganz praktisch mit Physik, Biologie etc. in Kontakt.

Welche Vorteile haben Kindern in der Stadt?
Die Stadt bietet mehr kulturelle und sportliche Angebote sowie eine größere Vielfalt an Vereinen und Betreuungsangeboten. Aber auch das kann Probleme schaffen, wenn Kinder viele Dinge ausprobieren und schnell wieder aufgeben. In diesem Fall müssen Eltern stärker eingreifen, wenn sie merken, dass ihr Kind nicht an einer Sache bleiben kann, weil es gerade einmal langweilig wird.

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Christian Rudisch

Dass Kinder nicht dran bleiben können, hat sicher auch mit der Nutzung von Handys und digitalen Medien zu tun.
Sicher. Aber wir delegieren das Problem oft an die Kinder, statt aktiv einen gesunden Umgang mit digitalen Medien zu fördern. Besonders in einer Zeit, in der unangemessene Inhalte wie Pornografie nur einen Klick entfernt sind, müssen Eltern eine stärkere Korrekturfunktion übernehmen.

Hier brauchen manche Eltern Unterstützung. Es gibt hier das Konzept der „frühen Hilfen“, wo  Expertinnen schon früh in die Familien gehen. Gibt es da  Unterschiede zwischen Stadt und Land?
In städtischen Gebieten sind Hilfsangebote leichter zugänglich.  Wer auf dem Land z.B. kein Auto hat, der kann diese Einrichtungen oft nur schwer erreichen.  Hinzu kommt die Scham zuzugeben, dass man Hilfe braucht. Wichtig ist: Um gesund aufzuwachsen, brauchen Kinder Liebe, Geborgenheit und Struktur. Wer das als Kind nicht erhalten hat, kann dies auch nicht vermitteln.

Wie kann man garantieren, dass alle Eltern, die Hilfe brauchen, diese erhalten?
Eine mögliche Lösung wäre, im Eltern-Kind-Pass verpflichtende Beratungsgespräche einzuführen, um Eltern frühzeitig zu unterstützen.

Gibt es bei der Gesundheitsversorgung Unterschiede zwischen Stadt und Land?
In ländlichen Gebieten müssen Familien oft weite Strecken zurücklegen, um bestimmte Therapien erhalten. In Wien haben wir derzeit das Problem, dass nur jeder zweite Kinderarzt mit Kassenvertrag noch neue Patientinnen und Patienten nimmt. Das Problem:  Es fehlt an  Daten, um das Gesundheitswesen besser auf die Bedürfnisse der Familien anzupassen. SOS-Kinderdorf fordert daher eine bessere Datenerhebung.

Was halten Sie vom Stopp der Valorisierung bei den Familienleistungen?
Das ist für manche eine Katastrophe, besonders angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten. Viele Familien kämpfen dann darum, ihren Kindern eine  Jause oder Unterrichtsmaterialien zu finanzieren. Diese Belastungen spüren auch die  Kinder  und haben langfristige  Auswirkungen auf ihre Psyche.  Wir sollten uns als Gesellschaft schon fragen, welchen Wert Kinder  haben, wenn wir gerade hier sparen. Auch die Kurzfristigkeit dieser Maßnahme sehe ich als Problem: Wir nehmen uns da unsere Zukunft weg, was uns langfristig teuer zu stehen kommt.

Wie stehen Sie zum  Stopp des Familiennachzugs? Verstehen Sie österreichische Eltern, die Angst haben, dass ihr Kind in migrantisch dominierten Klassen nicht ausreichend lernen?  
Ich verstehe die Sorgen der Eltern und es zeigt auch, dass bei der Integration  vieles nicht gut gelaufen ist. Dennoch müssen wir die Rechte der Kinder wahren – jedes Kind hat das Recht auf seine Eltern. Eine Familie mit feinfühligen Eltern(teilen) ist das Fundament für die gesunde Entwicklung eines Kindes.

 

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