Nach Debatte um den Mondsee: Wer besitzt Österreichs Seen?

Der Mondsee geriet in die Schlagzeilen
"Wir sind nicht gerade beleidigt", versichert Thomas Ebner und klingt am Telefon so, als würde er ziemlich breit grinsen: "So eine Geschichte kannst eigentlich gar nicht erfinden, die dich bis in die deutschen Medien bringt."
Ebner, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mondsee-Irrsee, ist dieser Tage wie Josef Wendtner, Bürgermeister der Gemeinde Mondsee in Oberösterreich, ein viel gefragter Interviewpartner: Seit publik wurde, dass die neue Eigentümerin des gleichnamigen Gewässers bestehende Pachtverträge kündigt, herrscht "Aufruhr im Touristen-Idyll". Jedenfalls, wenn man die Schlagzeile der deutschen Bild-Zeitung liest.
Ist das tatsächlich so, herrscht Aufruhr? Nun wirkt Touristiker Ebner so, als würde er gerne laut seufzen. "Für uns Ortsansässige ist das ja alles keine Neuigkeit, der See ist seit Jahrzehnten im Privatbesitz", betont er.
Napoleon und die Grafen
Tatsächlich ist der viertgrößte See Österreichs seit Napoleons Zeiten als Kaiser der Franzosen im Besitz der Grafen Wrede bzw. der Almeida, deren Nachkommen. Die aktuelle Eigentümerin Anna Mathyl ist wiederum eine Nachfahrin des Grafengeschlechts und übernahm den See von ihrer Mutter Nicolette Waechter, die den Mondsee in den späten 2000er Jahren an die Bundesforste abgeben wollte, doch das kam nicht zustande.

Wem gehören Österreichs Seen?
Der See blieb also in Privateigentum, jedenfalls die Seewanne, also quasi der Boden unter dem Wasser. Und das ist auch der entscheidende Punkt in der Debatte: Sämtliche Nutzung des Wassers, vom Schwimmen bis zum Tretbootfahren, ist öffentliches Gemeingut.
Worum es geht
Die Pachtverträge betreffen laut offizieller Angaben bloß an die 20 Grundstücke, der größte davon der Seeboden selbst (für Bojen und Stege) sowie einige Grundstücke – das kleinste hat gerade einmal einen Quadratmeter, am ehesten betroffen sind noch eine Handvoll Bootshüttenbesitzer, die ihre Grundstücke im Gegensatz zu rund 150 anderen bisher nicht käuflich erworben haben.
Als wären die Eigentumsverhältnisse mit Wasserfläche da, Grundstück dort nicht schon knifflig genug – es geht immer noch ein Stückchen komplizierter.
- Gesetz: Grundsätzlich gilt das Wasserrechtsgesetz, das zwischen öffentlichen und privaten Gewässern differenziert. Das Gesetz sieht den "großen Gemeingebrauch" an öffentlichen Seen vor (§ 8, Absatz 1) und meint unter anderem Wassernutzung "zum Baden, Waschen, Tränken, Schwemmen, Schöpfen". Der "kleine Gemeingebrauch" (§ 8, Absatz 2) an privaten Gewässern gestattet bloß "Tränken und Schöpfen mit Handgefäßen".
- Stege und Wege: Mit Ausnahme expliziter Naturschutzgebiete dürfen jene Wege, die ins Wasser eines öffentlichen Sees führen, von jedermann benutzt werden. Ein Steg wiederum ist eine eigene Sache: Auch wenn der Grund am See im Privatbesitz, braucht es neben der Zustimmung des Seeeigentümers auch behördliche Genehmigungen, um einen Steg zu bauen.
- Boote und Bojen: Die Nutzung von Booten fällt in das Schifffahrtsgesetz. Motorboote brauchen Lizenzen, die von den Bezirkshauptmannschaften vergeben werden. Eine Boje wird am Grund eines Sees verankert, der Seewanne: Dieser Boden gehört dem Seeeigentümer, er muss zustimmen. In manchen Seen gibt es zudem nur eine limitierte Anzahl von Bojen unter Zustimmung der Naturschutzbehörden
"Also irgendwo schon eine Sommerlochgeschichte", überlegt Ebner, der aber seit Bekanntwerden durchaus mehr Zugriffe auf die Tourismushomepage verzeichnet.
Wem die Seen gehören . . .
Der Mondsee im oberösterreichischen Teil des Salzkammergutes ist allerdings der einzige See mit mehr als zehn Quadratkilometern Größe, der im Privateigentum steht. Alle anderen in diesen Dimensionen – Attersee, Traunsee, Wörthersee, Millstätter See und Ossiacher See – gehören den Bundesforsten und damit der Republik.
Insgesamt betreuen die Bundesforste 74 Seen in Österreich, sie bewirtschaften rund 70 Prozent aller großen Seen. Gemeinsam mit jenen, die Bundesländern oder Kommunen gehören, sind die meisten Seen in öffentlicher Hand.
Was aber nicht gleichzeitig bedeutet, dass auch der freie Zugang zum Badesee damit automatisch verbunden ist.
Doch was ist mit den Ufern?
Am Beispiel Wörthersee: Vier Fünftel der Uferzugänge sind privat, also nicht für die Allgemeinheit zugänglich. Am Attersee sind es rund drei Viertel, am Traunsee geht es um zwei Drittel des direkt erreichbaren Seeufers, am Wolfgangsee um rund 60 Prozent, am Wallersee oder Mattsee in Salzburg jeweils rund die Hälfte.
Insgesamt stehen laut Bundesforsten aber rund 70 Badeplätze auf 350.000 Quadratmetern frei zur Verfügung, zuletzt kamen am Attersee rund 8.000 Quadratmeter dazu.
Die Größenordnungen der Privatzugänge stößt aber immer wieder auf Kritik, auch politisch: So forderte die SPÖ 2023 die Verankerung eines freien Seezugangs in der Bundesverfassung.
Wo "Naturschönheiten" in der Verfassung stehen
In Oberösterreich wurde der Zugang zu Seen, Bergen und Flüssen sowie „sonstigen Naturschönheiten“ 2019 in die Landesverfassung aufgenommen, Kärnten folgte mit einer ähnlichen Formulierung 2022. Dort war das Ausfluss eines Volksbegehrens, das aber mehr forderte, ein Veräußerungsverbot öffentlicher Uferflächen.
Am Mondsee schauen Touristiker an diesem Wochenende aber weniger darauf, wem Ufer, Wasserfläche oder Seeboden gehören. Das Seefest soll es bloß nicht verregnen, hofft Tourismuschef Ebner. Aber auch schlechte Wetterprognosen nimmt er mit Humor: "Hier sind alle Gummistiefel ausverkauft, nur falls Sie eine neue Schlagzeile brauchen."
Kommentare