Gerry (Name von der Redaktion geändert) ist der Vortragende. Am Pfingstsonntag des Vorjahres hat der damals 18-Jährige seine Freundin von daheim abgeholt. Mit seinem Mercedes CLS, weiß, 265 PS. Sie wollten zur „Night of Wheels“, geendet hat der Ausflug mit sechs Verletzten, zwei davon schwer.
Gerry musste unbedingt vier Autos überholen, dann touchierte er einen Motorradfahrer samt Beifahrerin und krachte in das Auto einer Pensionistin. „Ich konnte mich nicht mehr rühren, hatte den Airbag im Gesicht, Glassplitter waren überall“, erzählt er den Fahrschülern. „Ich habe mich auf die Wiese gesetzt, geweint und gehofft, dass aus dem anderen Auto wer aussteigt und noch lebt.“
Sechs Verletzte
Seine Freundin, ihr Bruder, dessen Freund, die Frau im Unfallauto, der Motorradfahrer und seine Beifahrerin sind alle teils schwer verletzt. Nur er, der schuldige Unfalllenker, nicht. Er muss den Führerschein für neun Monate abgeben und kommt wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung vor Gericht.
2.700 Euro Geldstrafe, sechs Monate bedingte Haft lautet das Urteil. Eine auch mögliche unbedingte Haft bleibt ihm erspart – mit der Auflage, seine Geschichte im Rahmen des Projektes „Close to“ authentisch jenen zu erzählen, die von ihm lernen sollen, wie es nicht geht: Jungen Männern in den Fahrschulen, die nur darauf brennen, ihr eigenes, oft PS-starkes Auto fahren zu dürfen.
Und die schwer gefährdet sind: In den vergangenen vier Jahren kamen viereinhalb Mal so viele junge Männer im Alter von 15 bis 24 Jahren bei Verkehrsunfällen ums Leben wie junge Frauen.
Arbeit mit den Tätern
Verurteilt wurde er von Walter Eichinger. Der Präsident des Landesgerichts Linz war von Anfang an ein großer Unterstützer dieses Projektes. „In den Fahrschulen erreichen wir genau die jungen Leute, um die es geht“, sagt Eichinger.
Und er weiß, dass die Betroffenheit bei den jungen Leuten viel größer ist, als wenn ein Fahrlehrer sagt, sie sollen nicht schnell und nicht alkoholisiert fahren. Und die Arbeit mit dem Täter sei nicht zu unterschätzen: „Der muss sich monatelang immer wieder damit auseinandersetzen.“ Wie Gerry, der heute sagt: „Ich fahre nur mehr mit dem Auto meiner Mutter und habe einen ganz anderen Blick auf den Verkehr.“
Das bestätigt auch Mario Brnic vom Verein „Vision05“, der Gerry – und viele andere, die vom Gericht dazu angewiesen werden – begleitet. 180 verurteilte Autolenker haben solche Vorträge bisher gehalten. „Ich weiß von keinem einzigen, dass er nochmals einen strafrechtlich relevanten Unfall gehabt hat“, ist Brnic stolz. Bei 5.700 Einsätzen in Fahrschulen in ganz Österreich wurden 174.000 Fahrschüler erreicht.
„Will niemand erleben“
Der Steirer Brnic engagiert sich auch wegen seiner persönlichen Erfahrung in diesem Projekt. Er saß wegen eines Alko-Unfalls als 19-Jähriger zwei Monate in Graz in Haft, zuvor lag er einen Monat im Koma. „Die Haft hat bei mir etwas ausgelöst“, erinnert er sich. Er hielt – noch in Haft – selbst erstmals Vorträge, in denen er anderen jungen Menschen von seinem Fehlverhalten erzählte.
Wie wichtig Projekte wie dieses sind, zeigte sich schon am Anfang der speziellen Fahrstunde. Auf die Frage, wer schon einen Freund oder einen nahen Angehörigen im Straßenverkehr verloren hat, meldeten sich gleich fünf Fahrschülerinnen. Ein Freund habe einen Unfall verschuldet, bei dem ihre zwei besten Freundinnen getötet wurden. „Das will keiner von euch auch erleben“, reden Gerry und Mario Brnic den jungen Führerscheinanwärtern ins Gewissen.
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