Rechtsruck in der katholischen Kirche? Theologen schlagen Alarm

Im Stift Heiligenkreuz – und nicht nur dort – wartet man gespannt auf die wohl noch unter Papst Franziskus in die Wege geleitete und von Papst Leo XIV. nun verkündete apostolische Visitation.
Nicht Inhalt dieser päpstlichen Einschau ist ein anderes Thema, das Heiligenkreuz bewegt und in seiner Dimension über das Stift und die dortige Theologische Hochschule hinaus die Ausrichtung der katholischen Kirche in Österreich betrifft. Zumindest nach Ansicht zweier Theologinnen und des Dekans der Theologischen Fakultät Innsbruck.
In den letzten Monaten seien – hauptsächlich – weibliche Theologinnen „eingeschüchtert, belästigt und bedroht worden“, schreiben Angelika Walser und Sigrid Rettenbacher von der Uni Salzburg, die der Europäischen Gesellschaft von Frauen in der Theologischen Forschung angehören, an die Bischofssynode in Rom.
Einschüchterungen
Die beiden Frauen weisen auf ein wachsendes rechtes Netzwerk hin, das von reichen Geldgebern, vornehmlich aus den USA und Russland, unterstützt werde. Mitglieder dieser Netzwerke würden junge, begeisterte Christinnen und Christen für ihre Zwecke instrumentalisieren und die Angst vor dem Islam, der LGBTQIA*-Bewegung und Frauen- und Menschenrechten schüren. Und eben liberale Theologen und Theologinnen einschüchtern.
Mit dem Theologen Edmund Waldstein befinde sich eine Person an einer wichtigen Stelle im Stift Heiligenkreuz und der dortigen theologischen Hochschule, der diesem rechtskatholischen Lager zugerechnet wird. Er ist etwa für den Integralismus – also die Durchsetzung kirchlich-religiöser Interessen über staatliche Mittel – eingetreten.
Wilhelm Guggenberger, Dekan der Theologischen Fakultät der Uni Innsbruck, warnt vor dieser Entwicklung, ohne das nur auf die Person Waldstein beschränken zu wollen.
II. Vatikanisches Konzil
Dieser habe „öffentlich Positionen vertreten, die mit der katholischen Lehre des II. Vatikanischen Konzils nicht in Einklang zu bringen sind“, wichtig sei darüber hinaus, über die stärkere Entwicklung in Richtung eines konservativen Katholizismus zu reden.
Es handle sich zwar nur um eine kleine Minderheit, die aber gut organisiert sei, über soziale Medien stark Einfluss nehme und gut finanziert sei. Darüber hinaus würden gute Verbindungen zu politische Parteien wie die AfD und die FPÖ bestehen.
"In den USA sehen wir, was passiert, wenn eine Politik an die Macht kommt, mit der diese problematischen Strömungen gut vernetzt sind“, mahnt Guggenberger Achtsamkeit ein. Waldstein selbst wurde abgeraten seine Habilitierung an der Uni Innsbruck zu versuchen.
Befürwortung der Todesstrafe zurückgezogen
Waldstein, der unter anderem auch für die Todesstrafe für Personen eingetreten ist, die katholische Irrlehren verbreiten, hat sich in seinem Blog "Sancrucensis" (Heiligenkreuz) davon distanziert: „Ich befürworte solche Strafen heute nicht.“ Er räumt darin auch ein, früher manchmal bei der Verteidigung der Lehren zu weit gegangen zu sein und wolle solche Übertreibungen korrigieren.
In einem früheren Schreiben haben sich das Stift und die Hochschule Heiligenkreuz von Waldsteins Aussagen distanziert, weitere Konsequenzen hat es für ihn bislang offenbar nicht gegeben.
Mittlerweile beschäftigen Waldstein und die von Rettenbacher, Walser und Guggenberger angesprochenen rechtskatholischen Netzwerke auch die Bischofskonferenz und das Kontaktkomitee der katholisch-theologischen Hochschulen und Fakultäten.
Erzbischof Lackner nimmt Stellung
Beiden steht derzeit der Salzburger Erzbischof Franz Lackner vor. Die Thematik sei ausführlich besprochen und integralistische Ansätze klar abgelehnt worden, auch von der Hochschule Heiligenkreuz. Lackner: „Mögliche persönliche Konsequenzen für P. Edmund Waldstein liegen in der Verantwortung des Stifts Heiligenkreuz und der dortigen Hochschule, in nächster Instanz beim vatikanischen Bildungsdikasterium.“
Mit der bevorstehenden Visitation habe nun ein Prozess eingesetzt, der abzuwarten bleibe. Das Stift Heiligenkreuz ließ eine Anfrage nach den Konsequenzen unbeantwortet.
Zu rechtskatholischen Tendenzen und extremen Positionen wie dem Integralismus stellte Lackner klar, dass sich die Bischöfe zu einer „freien Kirche in einem freien Staat“ bekannt hätten: „Tendenzen, die dem entgegenstehen, wären in jedem Fall sehr ernst zu nehmen, ihnen würde auch entschieden begegnet. In jedem Fall ist in Zeiten, wo vermehrt extreme Positionen auch in der Politik Anklang finden, Vorsicht und Umsicht geboten. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass unterschiedliche Meinungen zu verschiedensten Themen nebeneinander existieren können.“
Bekenntnis zu freiem demokratischen Miteinander
Die Kirche bekenne sich „ganz klar und unwiderruflich zu einem freien, demokratischen Miteinander“, ergänzte Lackner: „Wo es unterschiedliche Auffassungen zu gesellschaftlichen Themen gibt, stehen wir dafür, dass diese benannt werden können und benannt werden dürfen. Die Kirche möchte das Evangelium auch heute verkünden und verkünden können, das bedeutet gerade nicht, es durch politische Zwänge zu oktroyieren.“
Und zu den Einschüchterungen gegen Theologinnen stellte Lackner klar: „Sofern es dabei Zusammenhänge mit der Lehrtätigkeit an katholischen Einrichtungen geben sollte, wird sich die Theologische Kommission damit befassen.“
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