PCR-Lutschertests: Vernichtender Freispruch für Stadt Wien
„Es freut uns, mitteilen zu können, dass wir das Feststellungsverfahren ,PCR-Lutschertests an den Kindergärten der Stadt Wien’ gewonnen haben; sämtliche Anträge der Antragstellerin wurden abgewiesen. Zudem wurde die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erkannt.“
Mit diesem Schreiben ihrer Anwaltskanzlei informiert die Stadt Wien über den Ausgang eines Verfahrens am Landesverwaltungsgericht Wien, das das Salzburger Unternehmen „ARGE für molekulare Diagnostik“ gegen die Vergabe zur Durchführung von PCR-Lutschertests durch die Stadt Wien an die Firma „Lifebrain“ angestrengt hatte.
Die Salzburger Firma, vertreten durch Rechtsanwältin Kathrin Hornbanger von der Kanzlei Baker McKenzie, ist gerichtlich gegen die Vergabe vorgegangen, um deren Rechtswidrigkeit gerichtlich feststellen zu lassen.
Das Ergebnis ist kurios: Das Gericht sagt nämlich, es könne nicht antragsgemäß feststellen, dass ein rechtswidriges Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei, weil die Stadt „in Wahrheit eine Direktvergabe vorgenommen und diese bloß im Nachhinein in den Mantel eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung gekleidet wurde“.
Heißt im Klartext: Für das Verwaltungsgericht ist erwiesen – und das Gericht hat das in der mündlichen Urteilsverkündung auch so deutlich ausgesprochen –, dass „die gegenständliche Auftragserteilung nicht den Vorgaben des Vergaberechts entsprochen hat. Mehr noch, das Verwaltungsgericht ist der Überzeugung, dass die Direktvergabe „vergaberechtswidrig“ erfolgt ist, weil jedenfalls davon auszugehen sei, dass der geschätzte Auftragswert über dem Schwellenwert von 100.000 Euro gelegen ist.
Im Verfahren hatten die Stadt und „Lifebrain“ immer betont, der Auftragswert sei in diesem Verfahren immer unter diesem Schwellenwert gelegen. Dazu stellt das Gericht unmissverständlich fest: „Eine gesetzeskonforme Auftragswertschätzung für einen Zeitraum von 12 Monaten müsste [...] unter Berücksichtigung der bis dato tatsächlich abgerechneten Tests deutlich über 100.000 Euro aber auch deutlich unter 750.000 Euro liegen.“
Keine Dokumentation
Einen weiteren bitteren Nachgeschmack hinterlässt in den Augen des Verwaltungsgerichts die nicht ordnungsgemäße Dokumentation dieses Verfahrens. Wie das Gericht festhält, ist ein Vergabevermerk mit 28. April 2022 datiert: „Dieser wurde also zu einem Zeitpunkt erstellt, als der Auftrag bereits seit beinahe zwei Monaten abgewickelt wurde. Eine Dokumentation eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung im Vorfeld dieses Vergabevermerks ist nicht erfolgt.“ Im Vergabeakt sei weder eine Leistungsbeschreibung, noch ein als solches ausgewiesenes Angebot zu finden, bemängeln die Verwaltungsrichter. Einzig die offizielle Preisliste des Unternehmens, das dann den Zuschlag erhalten hat, sei im Akt aufliegend – und dabei handle es sich gleichermaßen um das Erst- wie auch Letztangebot dieses Unternehmens.
Keine Gegenangebote
Und worüber sich die Juristen des Wiener Landesverwaltungsgerichts auch wundern: Dass „die von der Auftraggeberin behauptete Kontaktierung anderer Labore“ im Vergabeakt nicht entsprechend dokumentiert sei. Sprich: Das Gericht ist trotz anderslautender Aussage der Vertreter der Stadt eher der Meinung, dass eine Kontaktierung anderer Labore nicht stattgefunden haben dürfte.
Darüber hinaus wurde die ARGE für molekulare Diagnostik in einem Vergabeverfahren zur Auswertung der PCR-Lutschertests von der Stadt ausgeschieden, ein Rahmenvertrag mit „Lifebrain“ abgeschlossen.
Kathrin Hornbanger erklärt dazu: „Die Ausscheidensentscheidung sowie die Entscheidung, mit der Firma „Lifebrain“ die Rahmenvereinbarung über die Auswertung der Lutschertests abzuschließen, wurde von der ARGE mit einem Nachprüfungsantrag angefochten.“ Der Rechtsstreit geht also weiter.
Das Projekt
Bei dem Gerichtsverfahren geht es um PCR-Lutschertests in den Kindergärten der Stadt Wien. Die Stadt hat am Klinikum Favoriten mit der Sigmund-Freud-Universität PCR-Lutschertests für Kindergartenkinder entwickelt
Das System
Dabei wurde ein kommerzielles Speichelabnahmesystem, das für Erwachsene existierte, modifiziert und an die kleineren Speicheleinheiten von Kindern angepasst. Die Lutschertests wurden im Klinikum Favoriten hergestellt und ausgewertet
Die Interessentensuche
Um die Screenings auf mehr Kinder ausweiten zu können, wurde von der Stadt geprüft, ob das andere Anbieter übernehmen könnten. Die klageführende Partei wurde von der Stadt nicht kontaktiert, obwohl sie in der Lage gewesen sei, diese Leistungen zu erbringen. Nur die zum Zug gekommene Firma wurde angefragt
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