Haberlander im Interview: „Familien brauchen Unterstützung“

Christine Haberlander, Landeshauptmann-Stellvertreterin (ÖVP)
LH-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) im Interview über Wahlfreiheit und angemessene Bezahlung im Betreuungssektor.

67.903 Kinder besuchen derzeit 1.373 Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen in OÖ. Die Bedürfnisse aller Beteiligten zu kennen und darauf zu reagieren, ist ihr Job. Christine Haberlander ist als Landeshauptmann-Stellvertreterin (ÖVP) auch für diesen Bereich zuständig.

Dass sie das Budget dafür innerhalb von drei Jahren um 63 Prozent erhöht hat – von 256 Mio. Euro im Jahr 2022 auf aktuell 418 Mio. Euro, und somit finanziell einen Schwerpunkt für Familien setzt, sorgt innerhalb ihrer Partei nicht nur für Begeisterung.

Wo es trotzdem noch hakt und warum sie die kostenlose Kinderbetreuung wichtig findet, erklärt die 43-Jährige im Gespräch.

KURIER: Pädagoginnen aus Krabbelstube und Kindergarten ärgern sich darüber, dass ihr Beruf nicht entsprechend wertgeschätzt wird.

Christine Haberlander: Das ist bedauerlich. Wir haben das Gesetz in „Bildungs- und Betreuungsgesetz“ umbenannt. Pädagoginnen und Pädagogen leisten entscheidende Bildungsarbeit, es gibt Bildungspläne, die sie erfüllen müssen.

Wertschätzung drückt sich auch über die Bezahlung aus. Die wird oft kritisiert.

Eine Berufseinsteigerin nach der Matura verdient in der Krabbelstube oder im Kindergarten 3.300 Euro und hat sieben Wochen Urlaub. Da hat sich einiges zum Guten verändert.

Aus der Praxis heißt es, dass die Jungen nicht zu halten sind. Die Gründe: eben die Bezahlung und eine Überforderung mit den Aufgaben.

Zum Einstiegsgehalt einer Volksschulpädagogin fehlen noch 200 Euro. Zur Überforderung: Wir müssen schauen, wo wir die Neueinsteigerinnen verlieren. Sie brauchen eine strukturierte Begleitung, ein Mentoring-Programm. Das ist gute Mitarbeiter-Führung.

Pädagoginnen berichten, dass immer häufiger kranke Kinder in die Einrichtungen gebracht werden. Die Eltern hätten Angst, den Job zu verlieren, wenn sie bei den kranken Kindern daheimbleiben.

Da braucht es ein Entgegenkommen und Verständnis in der Wirtschaft. Sorgearbeit hat ihren Platz. Ein Elternteil, der sich beruhigt um das kranke Kind kümmern kann, ist sicher gesamt einsatzfähiger als einer, der sich viele Sorgen machen muss.

Noch immer sind viele Betreuungseinrichtungen am Nachmittag beinahe leer.

Wenn es den Bedarf gibt, muss das Angebot da sein. Ich bin trotzdem für die Wahlfreiheit. Wer es will und schafft, soll sein Kind nachmittags zu Hause betreuen. Beides muss möglich sein. Es soll nicht gewertet werden, welche Familie es wie macht.

Wie sieht es auf dem Land aus? Steigt das Bewusstsein bei den Gemeinden, das flächendeckende Familienbetreuung wichtig ist?

Das ist die Zukunft. Wenn sie das nicht anbieten, sind sie verloren. Familien gehen dorthin, wo gute Angebote sind. Immer öfter schließen sich Gemeinden zusammen. Jetzt wurde die „Wolke 8“ bei Schwanenstadt eröffnet. Acht Gemeinden sind involviert.

Wie gestaltet sich der parteiinterne Gegenwind für diesen Schwerpunkt?

Es gibt die, die finden, dass zu viel und zu schnell gebaut wird. Es gibt die, die denken, dass nicht so vieles kostenfrei sein sollte. Und es gibt die, die glauben, dass dieser Schwerpunkt eine Geringschätzung der – insbesondere – mütterlichen Begleitung ist. Wenn wir wollen, dass Menschen in diesem Land Familien gründen, müssen wir alles tun, um Familien zu unterstützen.

Arbeiten zu gehen ist ganz oft eine Kosten- und Vereinbarkeitsfrage.

Deswegen ist es mir wichtig, dass die Betreuung am Vormittag, für 30 Stunden pro Woche, kostenfrei ist. Die Frauen sollen das Geld für sich haben. Sie sollen nicht überlegen müssen, ob es sich auszahlt, arbeiten zu gehen. Da geht es um die Pensionsjahre und um die finanzielle Selbstständigkeit von Frauen.

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