Neonazi-Homepage sorgt für Debatte über Akteneinsicht

Die Veröffentlichung der Daten zweier Anzeiger auf der Neonazi-Homepage "Alpen-Donau.info" brachte die alte Diskussion über den Umgang mit der Akteneinsicht in Strafverfahren wieder aufs Tapet. Staatsanwalt Gerhard Jarosch hält Maßnahmen gegen die Veröffentlichung von personenbezogen Daten für nötig. Medienanwalt Alfred Noll lehnt ein strafbedrohtes Verwertungsverbot und ähnliches ab.
Die beiden Personen, die die " Alpen-Donau.info" bei der Wiederbetätigungs-Meldestelle des Innenministeriums angezeigt haben, haben gegen die Veröffentlichung ihrer Namen, Adresse und Telefonnummer kaum rechtliche Mittel. Er sehe keine Gesetzeswidrigkeit, sagte Noll. Personen, die sich auf diese Weise engagieren, hätten allerdings die Möglichkeit, bei der Meldestelle den vertraulichen Umgang mit ihren Daten anzufordern.
Staatsanwälte fordern mehr Schutz
Strafen für den Verstoß gegen eine Verwertungsverbot oder andere Maßnahmen gegen Veröffentlichungen von Aktenteilen hält Noll nicht für nötig. Jarosch, der Vorsitzende der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte, ist hingegen der Meinung, dass man Verfahrensbeteiligte schützen müsse. Versuche, solche Veröffentlichungen zu sanktionieren, seien in der Vergangenheit immer politisch gescheitert. Aber man könnte überlegen, dass personenbezogene Daten von Opfern, Beschuldigten und Zeugen prinzipiell nicht in den Akt kommen - also technische Vorkehrungen getroffen werden, dass die Polizei diese Daten zwar erfasst, aber die anderen Verfahrensbeteiligten sie nicht einsehen können.
Laut Strafprozessordnung haben die Verfahrensbeteiligten das Recht der Akteineinsicht und der Anfertigung von Kopien. In Par. 54 ist auch ein Verwertungsverbot formuliert, dass die Veröffentlichung personenbezogener Daten anderer Beteiligter oder Dritter, die "nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen" sind, untersagt - aber keine Strafdrohung enthält. Gegen solche Veröffentlichungen vorgehen können Betroffene allenfalls im Zivilrechtsweg, über das Medienrecht.
Innenministerium will prüfen
Das Innenministerium will den Fall nun prüfen. Im ORF-Mittagsjournal kritisierte Christian Pilnacek, Sektionschef für Strafrecht im Justizministerium, dass schon der Verfassungsschutz die betreffenden Daten schwärzen hätte sollen, bevor sie an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden.
Grüne kündigen parlamentarische Anfrage an
Die StPO gestatte aber ausdrücklich, Daten und andere Fakten, die Rückschlüsse auf die Identität gefährdeter Person zulassen, von der Akteneinsicht auszunehmen und nur solche Kopien auszufolgen, in denen diese Informationen unkenntlich gemacht wurden, betonte der Grüne Abg. Harald Walser in einer Aussendung. Deshalb ist es für ihn ein "unglaublicher Skandal", dass "persönliche Daten von AntifaschistInnen an militante Rechtsextreme durch österreichische Behörden" weitergegeben wurden. Denn der Betreiber der Website " Alpen-Donau.info" sei ein amtsbekannter Neonazi, der 2012 in erster Instanz wegen NS-Wiederbetätigung und schwerer gemeinschaftlich begangener Körperverletzung - noch nicht rechtskräftig - verurteilt worden sei. Walser kündigte parlamentarische Anfragen an das Innen-und Justizministerium an.
Auch das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes verurteilte die Weitergabe der Daten, weil damit Zivilcourage vom Staat denunziert werde.
Die neonazistische Homepage "Alpen-Donau.info" hat am Sonntag Name und Telefonnummer von zwei Personen veröffentlicht, die die Website beim Innenministerium als rechtsextrem gemeldet haben. Die Betreiber der Seite schreiben, dass sie eine vollständige Liste mit allen Meldern besitzen. Außerdem fordern sie ihre Leser auf, "Fanpost“ an die Personen zu verschicken. Einem Bericht des Standard zufolge könnten die Betreiber der Homepage über Akteneinsicht an diese Daten gekommen sein.
Die Meldestelle NS-Wiederbetätigung, die im Innenministerium für derartige Angelegenheiten zuständig ist, verweist gegenüber dem Standard darauf hin, dass persönliche Angaben nur "auf Wunsch“ vertraulich behandelt werden. Daher könnten Personen, die Rechtsextreme melden, bei Berichten an andere Behörden mit Namen genannt werden.
Das Schreiben, in dem die Daten der beiden Melder genannt werden und das auf der Alpen-Donau-Homepage veröffentlicht wurde, ist vom Verfassungsschutz an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt worden. Dort hieß es laut Standard, dass - ohne auf den konkreten Fall einzugehen - im Allgemeinen Beschuldigte und ihre Anwälte Akteneinsicht erlangen und eine Kopie des Akts erhalten können.
Küssel verurteilt
Auf der Alpen-Donau-Seite wurde jahrelang gegen Politiker, Juden und Andersdenkende gehetzt. Fotos von Politikern und Aktivisten waren dort zu sehen, dazu ihre Adressen und Gewaltaufrufe. Unter ihnen waren prominente Opfer wie die am Samstag verstorbene Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Im Jahr 2011 wurde die Seite vom Netz genommen, deren Initiator, der Neonazi Gottfried Küssel und zwei Gleichgesinnte kamen hinter Gitter. Der OGH bestätigte Mitte Jänner den Schuldspruch gegen Küssel, setzte die Strafe geringfügig auf sieben Jahre und neun Monate herab.
Seit einigen Monaten gibt es nun eine Nachfolge-Seite mit dem identen Domain-Namen. Die Vorgänger-Homepage wurde anonym über einen Server in den USA betrieben. Diesmal ist der Inhaber namentlich bekannt – es handelt sich um Richard P., der auch als Kontaktperson auf der Homepage angeführt wird.
P. ist in der rechten Szene kein Unbekannter: Das ehemalige Vorstandsmitglied der FPÖ-Jugendorganisation in Graz (Anm. des Rings Freiheitlicher Jugend) ist Burschenschafter und stand in Graz bereits zwei Mal vor Gericht. Er wurde zu 24 Monaten bedingter Haft wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung und nicht rechtskräftig wegen Körperverletzung zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt.
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