Medizin: 17.823 Bewerber müssen um 1.740 Studienplätze kämpfen
Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, die Nervosität steigt: Am Mittwoch werden wieder Tausende junge Menschen in Wien, Innsbruck, Graz und Linz in die diversen Hallen pilgern, um einen Platz für ein Medizinstudium zu ergattern.
Rund acht Stunden dauert der Aufnahmetest, nur eine kleine Essenspause ist dazwischen möglich. Die Prüflinge werden streng kontrolliert und bewacht, Schummeln ist kaum möglich. Am Abend verlassen die meisten ausgelaugt den Prüfungsort, ohne zu wissen, ob sie aufgenommen werden oder nicht. Das Ergebnis erfahren sie erst um den 20. August.
Nur jeder zehnte wird einen der begehrten Plätze ergattern. Das sorgt für Kritik der Länder.
Das Ausleseverfahren ist beinhart, die Chance auf einen Studienplatz gering. 17.823 haben sich verbindlich angemeldet. Um rund 200 mehr als noch vor einem Jahr. Die Zahl der Studienplätze an den öffentlichen Medizin-Universitäten ist mit 1.740 dennoch seit Jahren gleich geblieben. Die meisten davon werden mit 740 in Wien angeboten, die wenigsten mit 240 an der Kepler-Universität in Linz.
Seit Jahren drängen die Bundesländer bereits darauf, dass die Zahl der Studienplätze erhöht wird. Sie bangen in erster Linie um ihre Landärzte, weil in den Gemeinden immer mehr Praxen nicht besetzt werden können. Den niederösterreichischen Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) ärgert, dass sich da nicht wirklich etwas bewegt.
Der ländliche Raum braucht Ärzte
„Neun von zehn Jugendlichen wird der Zugang zum Medizinstudium verwehrt, obwohl sie bereit und motiviert wären, dieses anspruchsvolle Studium zu absolvieren und anschließend als Ärztinnen und Ärzte tätig zu werden. Das ist Zukunftsverweigerung für diese jungen Menschen. Gleichzeitig reden wir immer von Ärztemangel. Gerade auch die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig medizinisches Personal ist. Daher müssen die Studienplätze endlich massiv aufgestockt werden, wir brauchen Jungärztinnen und Jungärzte. In den Kliniken, vor allem aber als Hausärzte im ländlichen Raum“, sagt Stephan Pernkopf.
Den Gesundheitsverantwortlichen bereitet es vor allem Sorge, dass viele nach Ende des Studiums Österreich verlassen und freie Stellen in benachbarten Staaten wie Deutschland oder der Schweiz annehmen. Nicht nur jene, die EU-Bürger sind und in Wien oder einer anderen Landeshauptstadt studieren, sondern auch viele Österreicher zieht es dort hin.
"Kein Wunsch der Unis"
Für Stephan Pernkopf ist Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) da gefragt, dass er sich für mehr Studienplätze einsetzt. Pernkopfs Regierungskollege Martin Eichtinger (ÖVP) allerdings nimmt auch Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in die Pflicht. Immerhin hätten die neun Bundesländer bereits im Jahr 2019 einen Beschluss gefasst, dass die Studienplätze aufgestockt werden sollen.
Im Jahr darauf war das dann der erste Punkt eines Acht-Punkte-Papiers, das Forderungen zur Absicherung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum zusammenfasst. Dieses Papier erhielt im November 2020 die Zustimmung aller Landesgesundheitsreferenten.
Martin Eichtinger: „Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, die wohnortnahe Gesundheitsversorgung sicherzustellen sowie mehr Studienplätze für Humanmedizin einzurichten.“ Es habe dazu auch immer wieder einen konstruktiven Austausch mit Minister Faßmann gegeben – aber ohne befriedigende Ergebnisse. Es wurde zwar Zustimmung signalisiert, aber ohne einen konkreten Zeithorizont. „Das ist zu schleppend, das Bundesministerium muss bei der Erhöhung der Studienplätze jetzt dringend handeln“, sagt Eichtinger.
Gegenüber dem KURIER heißt es aus dem Ministerium, dass man derzeit eher weniger die Notwendigkeit sehe, mehr Studienplätze anzubieten. Das sei auch „kein Wunsch der Medizin-Universitäten“. Grundsätzlich sei Österreich ein Land mit einer äußert hohen Ärzte-Dichte. Wenn es darum geht, mehr Landärzte zu bekommen, müsse man eben die Rahmenbedingungen dafür ändern.
Wer am Mittwoch nun eine jener Hallen besucht, in denen die Prüflinge ihre Testbögen bearbeiten, der stellt fest, dass sich deutlich mehr junge Frauen angemeldet haben. Von den 17.823 Personen sind über 11.000 Frauen.
Die meisten der zukünftigen Mediziner haben im Vorfeld auch eigene Kurse besucht, um für den Mittwoch gut vorbereitet zu sein. Dabei wird ihnen mittlerweile von den einzelnen Bundesländern nicht nur finanziell unter die Arme gegriffen, es gibt sogar ein Angebot der öffentlichen Gesundheitsabteilungen. Immerhin kostet so ein Vorbereitungskurs über 700 Euro. Im rein privaten Bereich muss man meist noch mehr bezahlen.
Der Plan zur Absicherung der ärztlichen Versorgung am Land
Erarbeitet wurde es im Vorjahr in NÖ. Im November 2020 erhielt es die Zustimmung von allen Landesgesundheitsreferenten: ein Acht-Punkte-Forderungspapier an das Gesundheitsministerium zur Absicherung der ärztlichen Versorgung in den ländlichen Regionen. Konkret in Angriff genommen wurde seither noch nichts. Lediglich bei den Primärversorgungszentren ist unter dem neuen Minister Wolfgang Mückstein (Grüne) Bewegung in die Diskussion gekommen.
Der Acht-Punkte-Plan:
- Mehr Studienplätze Für Allgemeinmediziner soll es künftig mehr Studienplätze geben. Gleichzeitig sollen die Ausbildungsinhalte im Rahmen des Studiums adaptiert werden. Mit dem Ziel, die Allgemeinmedizin dem Facharzt gleichzustellen.
- Soziale Kompetenz Bei den Aufnahmetests zum Studium soll auch die soziale Kompetenz ein wichtigeres Kriterium werden.
- Landarztquote bei Studienplätzen Ein Teil der Studienplätze soll für Studenten reserviert sein, die sich in Folge verpflichten, mindestens fünf Jahre in einer Bedarfsregion tätig zu sein.
- Landarztstipendien Wenn sich jemand entschließt. Landarzt zu werden, soll er für das Studium spezielle Stipendien in Anspruch nehmen können.
- Genug Kassenärzte Die Versorgung mit Kassenärzten in den Regionen muss sichergestellt werden.
- Eigene Förderungen Für Landärzte soll es eine eigene Niederlassungsförderung geben.
- Finanzielle Neuregelung Unbesetzte Kassenstellen sollen der Gesundheitskasse ÖGK in Zukunft keine finanziellen Vorteile mehr bringen. Die ersparten Mittel durch unbesetzte Kassenstellen sollen direkt in einen Länder-Fonds zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum fließen.
- Primärversorgungszentren Die Gesetzesgrundlage für Gesundheitsnetzwerke soll adaptiert werden. Vor allem soll die Trägerschaft für Gesundheitszentren erleichtert werden.
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