Kuhkarawane zieht von der Alm heim nach Italien

Ein Hirte führt eine Kuhherde durch eine verschneite Berglandschaft.
Sie haben den beschwerlichsten Weg: Südtiroler Bauern, die Almen in Salzburg bewirtschaften, treiben ihr Vieh übers Hochgebirge.

Der Weg ist weit und es liegt schon Schnee: In einer langen Karawane ziehen die Kühe Richtung Krimmler Tauern, dem mit 2.634 Metern Seehöhe höchsten Punkt auf ihrem Heimweg nach Südtirol. Sie sind trittsicher und robust. Der Schnee erleichtert den Tieren das Gehen sogar.

Am Freitag war schon um zwei Uhr früh Tagwache für Bauer Josef Obermair, die Treiber und die Tiere. Der beschwerliche Marsch dauert alleine am ersten Tag bis zu 14 Stunden. Der Stall beim Obermairhof in St. Jakob im Südtiroler Ahrntal ist dann noch einmal bis zu fünf Stunden entfernt. Rund 1.000 Höhenmeter geht es hinunter ins Tal. Zehn Treiber marschieren in diesem Herbst mit, darunter auch Jungbauer Hannes. Das kaiserliche Wetter mit gigantischem Weitblick lässt Müdigkeit und Erschöpfung gar nicht erst aufkommen. Tier und Mensch haben es hier auch anderes erlebt: Von bitterer Kälte bis Herbststurm oder gar dichtem Schneetreiben schon im Oktober.

Tradition wird von Generation zu Generation weitergegeben

Jedes Jahr im Almsommer kommen Südtiroler Bauern über die Grenze – und das schon seit Generationen. 41 Rinder und Milchkühe hat heuer alleine Josef Obermair sicher nach Hause zu lotsen. Zwei weitere Almbauern machten sich schon früher auf den Weg. „Die Tradition, dass wir zu Fuß über den Berg gehen, gibt es schon seit Generationen. Wir wollen das natürlich beibehalten“, so der Almbauer, der auf österreichischem Staatsgebiet 360 Hektar Almgebiet und davon 60 Hektar Futterfläche bewirtschaftet. Seine Vorfahren kauften die Fläche im 19. Jahrhundert, weil es im Südtiroler Ahrntal damals zu wenige Almen gab.

Seither gab es nur ein einziges Mal eine Ausnahme: Die Corona-Maßnahmen waren auf der Staatsgrenze im Hochgebirge eine zu große Hürde „Deshalb haben wir die Tiere mit dem Transporter heimgeholt“, erzählt der Bauer.

In Krimml sind die Südtiroler gern gesehen, denn die Route nach Italien ist geschichtsträchtig: Rund 5.000 Juden, die 1947 Europa, wegen anhaltender antisemitischer Ausschreitungen, verlassen wollten, gelang auf der historischen Transitroute die Alpenüberquerung. Es war für sie die letzte und einzige Chance, den Hafen von Genua zu erreichen. „Es ist ein Weg mit viel Symbolkraft“, betonen die Krimmler.

Saison der Almabtriebe geht zu Ende

Auch andernorts ziehen an diesem Wochenende Kühe vorbei, die letzten Almbauern bringen ihr Vieh nach Hause: In Gebirgsregionen wird die Tradition mit prächtig geschmückten Kühen jeden Herbst von unzähligen Schaulustigen bestaunt. Alleine zwischen Arlberg und Kaisergebirge grasen auf 2.100 Almen im Sommer rund 110.000 Rinder, über 70.000 Schafe, gut 5.500 Ziegen und 2.000 Pferde. Der Ausklang der Saison wird zelebriert. Der Salzburger Bauernherbst feiert noch einmal rund 70.000 Rinder und Kühe.

„Eigentlich werden die Kühe ja nur geschmückt, wenn auf der Alm nichts passiert ist“, klärt Barbara Gehwolf, Bäuerin in Wagrain (Salzburg) auf. Mit jedem Sommer steigen auch die Sorgen vor Wolfsrissen in den Herden. Oft ist im prächtigen Kopfschmuck aus bunten Blumen, Zweigen und Kräutern auch ein Spiegel eingebaut, der alles Böse vertreiben soll.

Auch die Tiere von Obermair werden für die letzte Strecke im Tal geschmückt, passiert ist ihnen „Gott sei Dank“ nichts.

Kommentare