Alarmierende Zahlen der Polizei: Jugendkriminalität stieg stark an

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Bundeskriminalamts-Chef Andreas Holzer am Montag, 14. April 2025, während einer Präsentation des Innenministeriums zum Thema "Kriminalpolizeiliche Anzeigenstatistik 2024" in Wien
Die Aufklärungsquote wurde gesteigert, 46,8 Prozent der Tatverdächtigen stammen nicht aus Österreich.

Bei der Auswertung der polizeilichen Anzeigenstatistik 2024 zeigte sich eine "massive Zunahme der Jugendkriminalität", wie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien ausführte. Karner bezeichnete diesen Bereich als "Sorgenkind", weil die Täter auch immer jünger werden. Die Anzeigen mit Tatverdächtigen im Alter von zehn bis 14 Jahren haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. 2024 gab es hier 12.049 Anzeigen.

Der Anteil der nicht österreichischen Tatverdächtigen in diesem Bereich liegt bei 48 Prozent. Anzeigen mit syrischen Tatverdächtigen haben sich von 2020 mit 150 auf rund 1.000 im vergangenen Jahr "praktisch verzehnfacht", sagte Karner. Er nannte als wichtigste Maßnahme den Stopp des Familiennachzugs, denn hier hätte der Anteil der syrischen Staatsbürger 90 Prozent ausgemacht, sagte der Minister.

Laut Dieter Csefan, Leiter der Abteilung zur Bekämpfung der organisierten und allgemeinen Kriminalität im Bundeskriminalamt (BK) und der im vergangenen Jahr neu gegründeten Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität, gibt es vor allem ein Problem mit sogenannten Systemsprengern: Das sind minderjährige bzw. unmündige Intensivtäter, die mehr als 50 Taten pro Monat auf ihr Konto bringen. Die aktivsten unter ihnen haben mehr als 150 Strafanzeigen pro Monat auf ihrem Kerbholz. Die Nummer eins liege bei mehr als 1.200 Straftaten insgesamt, die Nummer zwei bei mehr als 1.000 und die Nummer drei bei an die 900 Anzeigen. "Die drei sind alleine für 28 Prozent der Straftaten von unter 18-Jährigen bei Einbrüchen verantwortlich", führte Csefan aus.

Der BK-Abteilungsleiter nannte es ein Problem, dass ein Großteil der für unmündige Straftäter vorgesehenen Maßnahmen "auf Freiwilligkeit beruhen". Es brauche "rasch Maßnahmen - sowohl präventiv als auch repressiv -, die auch durchzusetzen sind".

"Maßnahmenbündel" statt Herabsetzung der Strafmündigkeit

Die von Karner im vergangenen Sommer im Vorfeld der Nationalratswahl geforderte Herabsetzung des Alters bei der Strafunmündigkeit sei nach den Regierungsverhandlungen nicht mehr Teil des Regierungsprogrammes, räumte der Innenminister ein. Es gebe aber "weitere wichtige Punkte" wie eine Novelle des Heimaufenthaltsgesetzes, dank der die Möglichkeit bestehen soll, solche Intensivtäter "gefängnisähnlich" unterzubringen. Es sei ein "Maßnahmenbündel", das "nicht ganz" die Herabsetzung der Strafmündigkeit ersetze. "Aber es geht in die Richtung", sagte Karner. Detail am Rande: Die Forderung nach der Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit hatte große Skepsis bei Experten und auch in Polizeikreisen mit sich gebracht.

Als weitere Maßnahme führte der Ressortchef eine drastische Erhöhung der Strafandrohung für Eltern von schulpflichtigen Kindern, die den Lehranstalten fern bleiben, an: "Die Androhung von 400 Euro ist viel zu gering." Sie soll auf 2.000 Euro erhöht werden.

Zunahme der Anzeigen um 1,2 Prozent

Im vergangenen Jahr habe es 534.193 Anzeigen gegeben, was eine Zunahme von 1,2 Prozent zu 2023 (528.010 Anzeigen) bedeute, so Karner. Die Aufklärungsquote lag bei 52,9 Prozent mit etwa 280.000 geklärten Fällen. Das sei die dritthöchste Aufklärungsquote in den vergangenen zehn Jahren. 335.911 Tatverdächtige wurden ausgeforscht. 46,8 Prozent dieser Personen stammen nicht aus Österreich. Die meisten nicht österreichischen Tatverdächtigen kommen aus Rumänien, gefolgt von Deutschland und Syrien. Die höchste Steigerung um knapp 30 Prozent gab es bei den syrischen Tatverdächtigen.

Bei Einbrüchen im Wohnraum gab es laut Karner einen Rückgang, allerdings einen deutlichen Anstieg bei Einbruchsdiebstählen in Pkw und Automaten um 25 Prozent, was eben vor allem auf das Konto von Kindern und Jugendlichen gehe. Die Kriminalitätsstatistik, die jedes Jahr veröffentlicht wird, gelte als "Richtschnur bzw. Handlauf" für die Arbeit der Polizei, sagte Karner. Daraus lassen sich aktuelle Trends und Entwicklungen sowie Steigerungen, Rückgänge und Auffälligkeiten in den einzelnen Bereichen ableiten.

Cybercrime "auf hohem Niveau" eingependelt

Die Internetkriminalität hat sich 2024 auf einem hohen Niveau eingependelt, während die Eigentumsdelikte zugenommen haben. "Die Zahlen beim Cybercrime haben sich im vergangenen Jahr auf hohem Niveau eingependelt. Der Rückgang um rund fünf Prozent gegenüber 2023 zeigt, dass unsere Sensibilisierung der Österreicherinnen und Österreicher zu greifen beginnt. Aber die Bedrohung im Internet ist hoch und steigt", warnte der Innenminister.

BK-Direktor Andreas Holzer brach in dem Zusammenhang eine Lanze für weitere Polizeimaßnahmen im Bereich Internetkriminalität wie die laufende Umsetzung der Kriminaldienstreform. "Wir brauchen einen Ausbau der digitalen Forensik", sagte er. "Und es ist notwendig, junge und gut ausgebildete Kräfte zu rekrutieren." Holzer verwies in dem Zusammenhang auf die Kooperation mit Cyber-Handelsakademien.

Leichter Rückgang bei Gewalt in der Privatsphäre

Holzer zufolge gab es einen leichten Rückgang bei Gewalt in der Privatsphäre. Es gab 36 weibliche und 40 männliche Opfer von Tötungsdelikten im vergangenen Jahr. Ein gesellschaftlich relevantes Problem nannte der BK-Chef einerseits Gewalt gegen Beamte und politisch motivierte Straftaten. Dabei verwies er darauf, dass auch hier ein Großteil der Anzeigen auf wenige "Intensivtäter" zurückzuführen sei. "Wir haben kein Massenproblem." Er plädierte einmal mehr für mehr digitale Ermittlungsmöglichkeiten, wofür man "gesellschaftliche Rückendeckung" benötige: "Stichwort Messenger-Überwachung: Das ist keine Massenüberwachung, das ist Massenschutz."

Reaktionen

Reaktionen kamen vor allem aus dem wahlkämpfenden Wien: Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte die Einführung der Strafmündigkeit ab zwölf Jahren und einen politischen Kurswechsel bei der Zuwanderung in Wien. Karl Mahrer, Chef der ÖVP in Wien - die dort in der Opposition ist -, kritisierte, dass die "überbordenden Sozialleistungen und die Willkommenspolitik der links-linken Stadtregierung (...) zunehmend als Magnet für Kriminalität" wirken würden.

Klarheit: Die wichtigsten Begriffe

Die Kriminalität in Wien gilt im Vergleich zu vielen anderen Großstädten als relativ niedrig. Laut der aktuellsten polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2023 insgesamt 186.475 Anzeigen bei der Polizei Wien erstattet, das entspricht 10,8 Prozent mehr als im Jahr davor (2022: 168.303). 

Die Aufklärungsquote lag bei 44,3 Prozent. Mit 98.878 ausgeforschten Tatverdächtigen konnten 15,9 Prozent mehr als im Vorjahr angezeigt werden (85.295 Personen). 

Der prozentuale Anteil der fremden Tatverdächtigen stieg auf 55,3 Prozent an (2022: 52,9 Prozent).

ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.

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