Streitthema Wolf: Karte zeigt erstmals "potenziellen Lebensraum" in Österreich

21.500 Wölfe lebten im Jahr 2022 in Europa
Boku-Studie ging der Frage nach, welche Gebiete ökologischer sind – und wo sich Konfliktpotenziale ergeben.

Zusammenfassung

  • Neue Boku-Studie untersucht erstmals Lebensraum und Konfliktpotenzial von Wölfen in Österreich und liefert Grundlagen für ein effektives Wolfsmanagement.
  • Die Studie identifiziert Hotspots mit hohem Konfliktpotenzial, insbesondere im Westen und Süden, und zeigt, dass Herdenschutz allein nicht ausreicht, während Abschüsse kontrovers diskutiert werden.
  • Einrichtung eines aktiven Wolfsmonitorings und weitere Forschung sind geplant, um den günstigen Erhaltungszustand des Wolfes und praktikable Managementmaßnahmen zu ermitteln.

Die einen wollen ihren Lebensraum bewahren, die anderen sorgen sich um die Sicherheit von Menschen und Nutztieren. Was immerhin beide eint: Beim Thema Wolf gehen die Wogen hoch. 

Die Grundlage für eine weniger emotional geführte Debatte könnte nun eine neue Studie der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) liefern. Im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums hat man erstmals das Konfliktpotenzial des Rudeltieres in Österreich erhoben. 

Die Boku-Untersuchung "LeKoWolf: Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodell für den Wolf (Canis lupus) in Österreich" startete im April vergangenen Jahres. Beantwortet werden sollten Fragen wie, welcher Lebensraum ist in Österreich für Wölfe aus ökologischer Sicht potenziell geeignet, wo ergeben sich Konfliktpotenziale mit Wölfen in Österreich aus sozio-ökonomischer Sicht und welche Flächen sind durch Habitat- und Konfliktpotenzial besonders betroffen. 

Diese Modelle sollen eine datengestützte Grundlage für ein effektives Wolfsmanagement bieten, das sowohl den Schutzstatus des Wolfs nach Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als auch die Interessen der betroffenen Menschen berücksichtigen kann.

Studie zeigt potenzielle Lebensräume für Wölfe

Die Studie würde zeigen, dass Österreich theoretisch über potenzielle Lebensräume für Wölfe - vor allem im alpinen Bereich - verfügen würde, sagte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) am Mittwoch. Gleichzeitig würde in diesen Regionen auch Konfliktpotenzial aufgrund der Nutztierhaltung, der Almwirtschaft und des Tourismus bestehen. Mittels präziser Kartendarstellungen wurden erstmals Gebiete mit hohem bis niedrigem Konfliktpotenzial identifiziert, so Totschnig. Erst Anfang Oktober wurde im Bezirk Zwettl in Niederösterreich ein Wolf abgeschossen, weil er zuvor Nutztiere angegriffen, verletzt und gerissen hatte.

Acht Rudel in Österreich

Die Studie zeigte, dass der Wolf in Europa weit verbreitet ist - 21.000 sollen es inzwischen sein. Tiere könnten aus allen Himmelsrichtungen nach Österreich gelangen, sagte Studienautorin Jennifer Hatlauf vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft. "Selbst wenn heute alle Wölfe verschwinden würden, würden morgen welche nachkommen." Der Grund dafür sind die steigenden Bestände in den Nachbarländern und die Ausbreitungsbiologie der Tierart. "Ein Jungwolf wird sich auf Paarungssuche durchaus auf weite Distanzen begeben", so Hatlauf. Nachdem der Wolf in Österreich Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet war, habe es 2016 wieder das erste Rudel gegeben, 2024 waren es bereits neun. 2025 gab es bisher acht bestätigte Rudel in Österreich.

2023 gab es hierzulande noch über 100, 2024 gab es unter 100 Wolfs-Nachweise. Dementsprechend zurückgegangen sind auch die durch die Tiere verursachten Schäden nach einem Höchststand im Jahr 2022, erklärte die Wissenschafterin. Erstellt wurden Modelle zu Lebensraum-, Riss- und Konfliktpotenzial. Daraus wurden Hot Spots - etwa im Westen und Süden Österreichs - identifiziert. Hatlauf bezeichnete die Analyse als "bahnbrechend und wertvoll".

Aus der Untersuchung sollen in Zukunft Konfliktlösungen und -maßnahmen abgeleitet werden. Die Studie sei "ein wichtiger Baustein in Richtung funktionierender und wissenschaftlich gut abgesicherten Wolfsmanagement in Österreich", sagte Totschnig. Es hätte gezeigt, dass es weiteren Forschungsbedarf gebe. Deshalb werde das Ministerium gemeinsam mit den Bundesländern eine weitere Studie im Hinblick auf die Ermittlung des Vorschlags für einen günstigen Erhaltungszustand des Wolfes in Österreich beauftragen.

Karte Österreichs mit Lebensraumpotenzial für Wölfe

Einrichtung aktives Wolfsmonitoring

Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Abbildung der geänderten EU-Rechtslage mit entsprechenden Gesetzen der Bundesländer. Einerseits würde dazu ein aktives Wolfsmonitoring eingerichtet, sprich die Wolfspopulation in Österreich erfasst. Zudem gehe es um die Feststellung des günstigen Erhaltungszustandes als Voraussetzung für die Durchführung eines aktiven Wolfsmanagements. "Wir schaffen nun die Grundlagen auf wissenschaftlicher Basis", sagte Totschnig. Die nun durchgeführte Studie behandle nur einen Teilaspekt des Themas.

Das Thema Wolf habe sehr viel mit Emotionen zu tun, sagte der Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP). "Der urbane Mensch in den Städten ist weniger betroffen als Menschen am Land oder im Gebirge." Wenn Konflikte mit Großraubtieren weniger als 50 Kilometer entfernt seien, steige die Ablehnung relativ stark, meinte Geisler. "Deshalb wäre es wichtig, hier weniger Ideologie, sondern mehr Pragmatismus hereinzubringen und auch die Wissenschaft zu Wort kommen zu lassen."

Landwirtschaftsminister Totschnig stellt weitere Hilfen in Aussicht

Herdenschutz als Diskussionsthema

Im Zuge der Pressekonferenz hob der Minister etwa den Herdenschutz, der immer wieder als alleiniger Lösungsansatz genannt werde, hervor. Auch aus Erfahrungen anderer EU-Mitgliedsstaaten würde zeigen. "Letztlich muss man zur Einsicht gelangen, dass ohne einer Regulierung der Wolfsbestände es in der Praxis nicht funktioniert", sagte Totschnig. Geisler betonte ebenfalls, dass der Herdenschutz einen "organisatorisch sehr hohen Aufwand" bedeute. Früher seien die Schafe auf den Almen frei in der Natur unterwegs gewesen und "jetzt beim Herdenschutz müssen sie auch eingepfercht werden", sagte der Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Josef. Das würde nur funktionieren, wenn die Tiere einen hohen Gesundheitsstatus hätten, sonst würde es rasch zu Ansteckungen verschiedenster Krankheiten kommen. Die medizinische Betreuung würde deshalb bereits im Winter beginnen, damit die Tiere bis zum Almauftrieb medizinisch einwandfrei betreut werden.

Anlässlich der Studienpräsentation forderte die Tierschutzorganisation WWF erneut eine flächendeckende Herdenschutz-Offensive. Abschüsse seien keine nachhaltige Lösung, hieß es in einer Aussendung. Mit der Herdenschutz-Offensive sollen die Weidetierhalter bei der Anstellung von Hirten sowie beim Ankauf von Herdenschutzhunden und Elektrozäunen unterstützt werden. Dass solche Maßnahmen wirken, zeigen Beispiele aus vergleichbaren Alpenregionen wie der Schweiz: Dort sei die Zahl der gerissenen Nutztiere pro Wolf um 87 Prozent zurückgegangen, so WWF-Sprecher Leonhard Steinmann.

Abschüsse seien laut WWF die häufigste Todesursache für Wölfe in Österreich. Allein im Jahr 2024 würden hierzulande 13 Tiere getötet. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2024 zwei Tiere geschossen, obwohl dort mit 209 Rudeln und 46 Paaren rund 30-mal mehr Wölfe mit fixem Revier leben als in Österreich, hielt die Organisation fest.

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