Ur-Wölfe aus Allentsteig spurlos verschwunden

2015 wurden die ersten Wölfe in dem Gebiet nachgewiesen.
"Wir gehen davon aus, dass sie wahrscheinlich nicht mehr da sind", bringt es Andreas Berger auf den Punkt. Mit "sie" meint der Naturschutzbeauftragte am Truppenübungsplatz Allentsteig jenes Wolfspaar, das vor rund zehn Jahren auf dem über 15.000 Hektar großen militärischen Areal sesshaft wurde. Die beiden Raubtiere gelten als die ersten Exemplare, die – seit der Ausrottung der ursprünglichen Population im Laufe des 19. Jahrhunderts – das Waldviertel wieder besiedelten.
2015 kam es erstmals zu Sichtungen der Wölfe in der Region. Im Jahr darauf folgte der erste Nachwuchs. Eine Sensation, wie Ottokar Jindrich, oberster Naturschützer des Verteidigungsministeriums, damals schilderte: "Es handelt sich um die ersten Wölfe, die in Österreich seit ihrer Ausrottung vor über 100 Jahren in freier Wildbahn geboren wurden." Seither konnten auf dem Areal wiederholt Jungwölfe nachgewiesen werden. Ein Umstand, der sich kürzlich änderte. Denn von den ursprünglichen Elterntieren fehlt bereits seit rund einem Jahr jede Spur.

Auf dem Militärgelände kam es in den vergangenen Jahren häufig zu Wolfssichtungen.
Konkrete Beweise für ihren Tod gibt es aktuell nicht. Berger vermutet allerdings, dass die Tiere aufgrund ihres Alterns eines natürlichen Todes gestorben sein könnten. Wilderei schließe er jedenfalls aus. Das Ableben der beiden Elterntiere möchte Aldin Selimovic vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinische Universität Wien derzeit nicht bestätigen. Schließlich besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass genetische Proben die Existenz der beiden Wölfe in den kommenden Monaten doch noch bestätigen.
Von Karte gestrichen
Allgemein habe es 2025 jedoch wenige Belege für Wölfe im Gebiet um Allentsteig gegeben, so der Experte. In den letzten Wochen sei es zwar wieder zu Sichtungen, auch mittels Kamerafallenaufnahmen, gekommen. Um welche Tiere es sich dabei handelt, ist aktuell aber noch unklar.
Wir konnten die Tiere nach den Monitoring-Standards nicht mehr als ein Rudel bestätigen.
Wolfs-Forscher
Wenngleich der Verbleib der "Ur-Wölfe" offen ist, wurde ihr Rudel bereits von der Karte des Österreichzentrums Bär-Wolf-Luchs gestrichen. "Wir konnten die Tiere nach den Monitoring-Standards nicht mehr als ein Rudel bestätigen", erklärt Selimovic. Denn dafür bräuchte es entweder Fotonachweise von Welpen oder Bildnachweise mit mindestens drei Individuen zusammen. Auch ein genetischer Nachweis von mindestens drei Individuen im gleichen Gebiet wäre ein gültiger Beweis. "Und das haben wir seit Anfang des Jahres nicht mehr gehabt."
Forschung am Rudel
Seit 2019 waren das Allentsteiger Wolfspaar und seine Nachkommen Gegenstand eines Forschungsprojekts unter der Leitung von Selimovic. Auslöser sei die Frage gewesen, wie sich ein etabliertes Rudel auf das ansässige Wild auswirken würde. "Dann war unsere Forschungsidee, dass wir die Interaktion zwischen Beutegreifern und seiner Beute untersuchen", schildert der Experte.
Darüber hinaus wurde im Rahmen der Untersuchungen die Biologie des Wolfes analysiert. Dafür habe das Team einzelne Tiere mit GPS-Sendern ausgestattet. „Da haben wir auch super Ergebnisse bekommen“, so der Forscher. Es konnte unter anderem bestätigt werden, dass die Tiere Richtung Norden abwandern und dabei weite Strecken zurücklegen – bis nach Tschechien und Polen.
Schuss oder Schutz, so lässt sich die wiederkehrende Debatte über den Umgang mit Wölfen im Kern zusammenfassen. Nachdem das Raubtier hierzulande – sowie im Großteil Europas – lange Zeit als ausgerottet galt, kehrten Mitte der 2000er-Jahre die ersten Exemplare aufgrund zahlreicher Schutzmaßnahmen in die österreichischen Berge und Wälder zurück.
Seither hat die Anzahl der Wölfe europaweit zugenommen – allein in Österreich wurden im Vorjahr 102 Tiere bestätigt. Die steigende Population führte schließlich zu einer Senkung des Schutzstatus von „streng geschützt“ auf „geschützt“, die vom Rat der Minister der EU entschieden und im vergangenen Juli durchgesetzt wurde. Während die beschlossenen Maßnahmen seitens der Landwirtschaft begrüßt wurden, kritisierten Umwelt- und Tierschützer den Schritt. Kürzlich wurde im Bezirk Zwettl der erste niederösterreichische „Problemwolf“ erlegt. Das Tier soll zuvor eine Schafherde bedroht haben.
Im Zuge der Forschungen konnten unterschiedlicher Monitoring-Methoden getestet und die gesammelten Erfahrungen auf andere Rudelgebiete übertragen werden. Aktuell sitze die Forschungsgruppe außerdem an einer Publikation mit Fokus auf die Ernährung der Tiere. "Wir haben uns sozusagen angeschaut, was bei ihnen auf den Tisch kommt", erklärt Selimovic. Ende diesen Jahres wird das Projekt abgeschlossen. Über ein Folgeprojekt werde derzeit verhandelt.
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