Kompensationsprüfung: Ein Joker nach dem Fünfer

Kompensationsprüfung: Ein Joker nach dem Fünfer
Diese Woche dürfen alle, die einen Fleck bei der Matura hatten, zur Kompensationsprüfung antreten, um die Note zu verbessern.

Alle Maturanten, die bei einer schriftlichen Prüfung negativ waren, haben diese Woche noch einen Joker, den sie ausspielen können: Die sogenannte Kompensationsprüfung. In dieser mündlichen Prüfung können sie ihre Noten verbessern – im besten Fall sogar auf einen Dreier.

Für viele Schulen ist das eine logistische Herausforderung, wie Leopold Mayer, Direktor der HLW Hollabrunn sagt: „Wir würden uns mehr Aufgaben vom Ministerium wünschen, dann könnten wir diese Prüfung besser organisieren.“

Der Grund: Die Schulen haben sehr genaue Vorgaben, wie die Prüfung durchzuführen ist. Derzeit gibt es für das Fach Mathematik beispielsweise acht Aufgabenstellungen. „Maximal fünf Schülern darf dieselbe Aufgabe gestellt werden“, erläutert Mayer. Heißt: In Mathematik gibt es für maximal 40 Schüler Aufgaben. Haben mehr Maturanten einen Fleck – was heuer besonders in großen Schulen durchaus vorgekommen ist – müssen mehrere Prüfungskommissionen organisiert werden. Beinahe 18 Prozent kassierten laut einer Hochrechnung des Ministeriums einen Fünfer (die komplette Auswertung wird heute, Montag, vorliegen, Anm.).

Im Gegensatz zu früheren mündlichen Maturatests gibt es für Kompensationsprüfungen ein genaues Prozedere: Alle Aufgaben werden vom Ministerium vorgegeben. Ebenso der Zeitpunkt, wann welche Aufgabe gestellt werden muss. So soll gewährleistet werden, dass kein Schüler von einem anderen erfährt, welche Fragen auf ihn warten.

Praxistest

Das alles stellt viele Schulen vor Herausforderungen. So berichtete der Lehrer einer HTL im Osten Österreichs dem KURIER, was das in der Praxis heißt: Für die erste Aufgabe ist z. B. der Zeitslot 7.30 bis 10 Uhr vorgesehen. „Wenn der erste Kandidat fertig ist, kann er noch Kontakt zu Kandidat vier und fünf für die gleiche Aufgabe aufnehmen“, sagt der Pädagoge. Früher hätte es eine Aufgabe für maximal drei Schüler gegeben, da sei es sich auch zeitmäßig gut ausgegangen: Der Erste wurde fertig, wenn der Letzte bereits in Vorbereitung war. Es gab keine Überschneidungen. „Bei fünf Schülern geht sich das nicht aus. Da muss ich dafür sorgen, dass keine Informationen an die anderen Kandidaten weitergegeben werden. Deshalb müssen alle fünf Maturanten in unserer Schule schon um 7.15 Uhr da sein und auf ihre Prüfung warten – ohne Handys oder andere Geräte mit Internetzugang“, fährt er fort.

Dem Bildungsministerium ist dies bewusst. In einer Aussendung an die Schulen heißt es: „Durch entsprechende Aufsichtsführung muss die Sicherheit der Aufgabenstellungen am Standort gewährleistet und die Kommunikation zwischen den Kandidaten verhindert werden.“ Bisher sei es aber zu keinen Beschwerden deswegen gekommen, heißt es aus dem Büro des Bildungsministeriums.

Die Kompensationsprüfung ist zudem personalaufwendig: In jeder Prüfungskommission sitzen fünf Pädagogen. Das halbe Lehrerzimmer ist mit Prüfungen beschäftigt – Unterricht fällt aus. Auch für kleine Schulen ist die Organisation nicht einfach – oft sitzen Direktoren an mehreren Standorten in Prüfungskommissionen.

Kompensationsprüfung: Ein Joker nach dem Fünfer

Druck der Eltern

Susanne Schmid vom Bundeselternverband verweist darauf, dass diese Form der Kompensationsprüfung erst auf Druck der Elternverbände zustande gekommen ist: „Hätten wir diesen Ausweg nicht, wäre der Aufstand von Eltern und Schüler gegen die Zentralmatura sicher massiver.“

Unglücklich ist Schmid auch über die Aufgabenstellung. Zum Beispiel in Deutsch: „Im vergangenen Jahr hatten die ersten fünf Schüler eine Parabel von Arthur Schnitzler als Thema. Gerade für HTL-Schüler – hier ist der Migrantenanteil besonders hoch – eine Herausforderung.“

Evaluierung auch der schriftlichen Arbeiten

Zentralmatura. Die Reifeprüfung besteht in ganz Österreich aus drei Säulen: Der vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA), den schriftlichen und den mündlichen Prüfungen. Während die Prüfungen – vor allem wegen der schlechten Ergebnisse im Fach Mathematik – in den vergangenen Wochen im Fokus standen, soll auch die vorwissenschaftliche Arbeit durch das Bildungsministerium evaluiert werden, wie  Ressortchef Heinz Faßmann (ÖVP) Ende Mai ankündigte.


Benotungsschema

„Das ist auch dringend notwendig. Es gibt zwar im Prinzip ein Bewertungssystem, aber dieses ist vollkommen abhängig davon, wie die einzelnen Lehrkräfte es interpretieren“, sagt ein Lehrer aus Oberösterreich. Jeder Lehrer handhabe die Arbeit vollkommen verschieden. „Manchmal wird vorab korrigiert und dann erhält der Schüler eine sehr gute Note. Manchmal werden Schüler gar nicht betreut und dann irrsinnig streng benotet. Da kommen viele Schüler zum Handkuss“, fährt er fort. Ein anderes Thema sei die Frage der Wissenschaftlichkeit der Arbeit. „Es sollte vor-wissenschaftlich sein, aber manche Lehrer setzen Uni-Niveau voraus“, sagt ein Pädagoge aus Wien. Fehlen würde auch eine einheitliche Bewertungsgrundlage.
Michael Brandtner betreut seit 14 Jahren wissenschaftliche Arbeiten an der FH Campus 02 in Graz. Er meint: „Auch an den Fachhochschulen haben sich die Richtlinien zur Benotung erst im Laufe der Zeit entwickelt. Mittlerweile gibt es aber extrem genaue Vorgaben. Das wäre auch für die VWAs an den Schulen wünschenswert.“  Seine Tochter maturiert dieses Jahr und hatte mit den Vorgaben zu kämpfen.
Aus dem Bildungsministerium heißt es dazu: „All diese Dinge werden im Zuge der Evaluierung geprüft.“

 

Schulen wissen nicht, was im Herbst passiert

 

Das Schuljahr ist noch nicht beendet, doch bei vielen Direktoren und tausenden Junglehrern stellt sich schon Unbehagen beim Blick auf das kommende Schuljahr ein. Grund ist der fehlende Stellenplan, der vom Bildungsministerium erstellt wird und die „Ressourcen“, also die Lehrerstunden, auf die Schulen je nach dem zu erwarteten Bedarf einteilt.
Kein Problem, sind es  noch gut drei Monate bis zum Start des neuen Schuljahrs? „Nein“, sagt der Sprecher der Lehrergewerkschaft, Paul Kimberger zum  KURIER: „Es gibt große Planungsschwierigkeit, weil die notwendigen Details, die die Schulleitungen brauchen, um das neue Schuljahr planen zu können, noch nicht da sind. Das wäre  aber dringend notwendig, und gehört aus unserer Sicht  längst geklärt“, sagt der Gewerkschafter.
Normalerweise seien im Juni die Schulen mit der Planung  fertig, erklärt Kimberger. „Die Schulen sind auch angewiesen worden, ihre Planungen auf Basis der Ressourcen des Vorjahres zu beginnen. Die meisten haben zwar schon geplant,  ob es hält, kann niemand sagen. Wenn Fundamente geändert werden, kann es bedeuten, dass   neu geplant werden muss“, spricht der Gewerkschafter eine grundlegende Änderung im neuen Schuljahr an: Die Deutschklassen für jene Schüler, die aus Sicht der Schulleiter nicht ausreichend Deutsch können, um dem Unterricht folgen zu können. Eigene Deutschklassen soll es ab acht Schülern mit schweren Deutsch-Defiziten geben, gibt es weniger, bleiben sie in ihrer Klasse und werden „integrativ“ gefördert.

Deutschklassen

Gerade bei den Deutschklassen gebe es ein breites Feld an Planungsunsicherheit für die Schulen, erklärt Kimberger. „Noch ist auch mir noch nicht klar, wie diese Fördereinheiten in den Schulalltag implementiert werden.   Das Ministerium ist nämlich auch säumig beim Thema Diagnose-Instrumente und Lehrpläne.“  Dabei bleibe es noch nicht, Probleme würden aktuell auch die Umwandlung der Schulräte in Bildungsdirektionen machen, auch die Schulaufsicht neu sei nicht geklärt.
Im  Ministerium wird bestätigt, dass die Stellenpläne noch nicht an die Fünfeinhalbtausend Schulen verschickt wurden, man sei noch in Abstimmung mit dem Finanzministerium, das   Planstellen und Lehrer-Ressourcen akribisch   durchrechnet.  Begründet wird die Verzögerung  „im Vergleich zu den Vorjahren aufgrund des späten  Budgets“. Mit den Deutschklassen habe das alles aber nichts zu tun.
Tatsächlich, so ist von Kennern  zu hören, sei im  Ministerium  die Arbeit rund um die  Stellenpläne massiv unterschätzt worden. Die Komplexität beim Einteilen von mehr als 115.000 Lehrern   hätten eine enorme Dimension – und oft lange Vorlaufzeiten.

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