Kommission fordert Anlaufstelle für die Einhaltung aller Kinderrechte

Es war der "Fall Tina", jenes gut integrierte Mädchen, das in einer Nacht und Nebel-Aktion im Jänner 2021 nach Georgien abgeschoben wurde, der auch die Initialzündung für die Kindeswohlkommission war. Tinas Abschiebung wurde mittlerweile aufgehoben, eine außerordentliche Revision ist anhängig.
Vor genau einem Jahr präsentierte die Kommission um Vorsitzende Irmgard Griss einen knapp 150-seitigen Bericht, wie es um den Stellenwert von Kinderrechten im Bereich Asyl- und Fremdenrechte bestellt sei. Konkret leitete die Kommission elf Empfehlungen ab. Und die Freude über Bilanz nach einem Jahr ist getrübt, wie die frühere OGH-Präsidentin im Rahmen einer Pressekonferenz einräumte. Und auch bei den umgesetzten Forderungen handle es sich Großteils um „Unterpunkte“, befand sie.
Manches ist laut Griss auch nicht in der gewünschten Form Wirklichkeit geworden - etwa die Schulungen für Richterinnen und Richter. Diese könnten sich nun freiwillig im Rahmen von Fortbildungen mit der Materie beschäftigen. Die Kommission habe aber verpflichtende Kurse empfohlen. Denn das Problem an freiwilligen Schulungen ist laut Griss: „Dort gehen die hin, die ohnehin sensibilisiert für das Thema sind.“ Man müsse aber alle erreichen.
Erfreut zeigte sie sich darüber, dass es nun auch für Kindeswohlprüfungen und Kinderrechte Ansprechrichterinnen bzw. -richter gebe. Auch den vor wenigen Tagen vom Justizministerium veröffentlichten Leitfaden für Bundesverwaltungsgericht hob Griss lobend hervor.

Irmgard Griss
Anderes sorgt hingegen für wenig Begeisterung. So wurde etwa gefordert, dass das Kindeswohl eine wesentlichere Rolle in der Asylgesetzgebung erhalten solle. Hier kenne sie jedoch keine entsprechenden Initiativen: „Mir ist nichts bekannt. Die Prüfung des Kinderwohls durch das Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen hat sich nicht verändert.“ Auch in der Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge würden Lücken klaffen - da es diese ab dem ersten Tag aktuell nur in Tirol gebe. Gespräche über eine bundesweite Lösung würden stocken. Und laut Griss fehlt immer noch die sofortige Rechtsberatung, vor allem für mündige Kinder: "Auch diese brauchen gute rechtliche Beratung, und zwar von Anfang an."
Kinder nicht ausreichend eingebunden
Bei Abschiebungen gebe es weiter eine oft nicht kindgerechte Behandlung der Betroffenen, bemängelte sie. Griss wiederholte die Forderung, Abschiebungen während des Schuljahres jedenfalls zu vermeiden. Das Bündnis bekräftigt generell die Empfehlung, bei Verfahren mehr auf das Umfeld der Personen einzugehen und diese vor allem anzuhören.
Wie der Rechtsanwalt Wilfried Embacher beklagte, würden sogar Jugendliche, die 15 Jahre oder älter seien, oft nicht befragt - weil die Behörde der Ansicht sei, dass sie ohnehin mit den Eltern abgeschoben würden und dadurch deren Aussage nicht nötig sei. Gefordert wird nun, dass vor allem die Stimmen der Kinder auch im Asylverfahren generell zu hören seien - wie es in Österreich generell bei Verfahren bei Kindern ab 10 Jahren üblich sei.
Embacher konstatierte auch, dass die grundsätzlich ablehnende Haltung der Behörden bei Asylverfahren mit Kindern daraus resultiere, dass eine Angst vor Aufenthaltstiteln für die Eltern abgeleitet werden könnten. In dieser Frage habe sich seit dem Bericht vor einem Jahr kaum etwas verbessert.
Kinderrechte: Anlaufstelle für alle Kinder nötig
Besonders wichtig wäre laut Griss: „Es muss ein ständiges Kinderrechtemonitoring geben.“ Dabei solle es sich um eine Anlaufstelle für alle Fragen des Kindeswohls handeln - nicht notwendig nur für den Asylbereich. Die Stelle solle auch mit einem eigenen Budget, eigenem Personal und eigener Anlaufstelle ausgestattet werden. Als Vorbild brachte sie eine ähnliche Stelle für Menschen mit Behinderungen zur Sprache: "Seit es die gibt, hat sich die Situation für behinderte Menschen stark verbessert." Das wäre auch für alle in Österreich lebenden Kindern wünschenswert und notwendig, so Griss.
Noch immer offen ist die geforderte Erhöhung der Tagsätze für die Betreuung von Kindern - während für Österreichische Kinder 150 Euro pro Tag aufgewendet werden, stehen in der Grundversorgung nur 95 Euro zur Verfügung. Was die Betreuung qualitativ beeinträchtige.
Dass etwa das Innenministerium betont, man habe schon zahlreiche Empfehlungen umgesetzt, sorgt bei den Bündnis-Mitgliedern insofern für Unmut, weil eine konkrete Auskunft darüber vermisst wird. Die Richtlinien seien nur für den internen Gebrauch, sei ihr von dort beschieden worden, berichtete Griss. Seitens des Innenministeriums wurde gegenüber Medien versichert, dass 22 von 34 ihm zurechenbare Empfehlungen bereits umgesetzt seien.
Der Präsident der Volkshilfe, Wiens Altbürgermeister Michael Häupl, hielt fest, dass auch der Kampf gegen Kinderarmut forciert werden müsse. Es sei unerträglich, dass in einer reichen Gesellschaft Familien überlegen müssten, ob sie ihren Kindern eine Jause oder ein Schulheft kaufen können, sagte er. Kinderarmut sei der „größte Widerspruch“ zu Kinderwohlfahrt.
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