Kaum Lauschangriffe: Behörden wollen lieber mitlesen

Es sind Chatverläufe, die Einblick in die Gedankenwelt jenes Trios gewähren, das im Juni einen Anschlag auf die Wiener Regenbogenparade geplant haben soll (siehe Artikel re.). Die jungen Männer aus Wien und St. Pölten wollten offenbar Teilnehmer mit einem Auto überfahren bzw. mit Messern attackieren. Die neuesten Hinweise zu dem Fall stammen einmal mehr von ausländischen Ermittlern.
Vor diesem Hintergrund fordern die heimischen Behörden schon lange mehr Befugnisse und technische Möglichkeiten hinsichtlich der Überwachung von extremistischen Gefährdern – Stichwort Bundestrojaner. Überschattet wird die Debatte aber von der Sorge der Massenüberwachung.
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Interessant ist in dem Kontext die jüngst vom Justizministerium veröffentlichte Anzahl der Lausch- und Spähangriffe 2022, also die akustische oder optische Überwachung von Personen mittels technischer Geräte. De facto geht es dabei um die „Verwanzung“, etwa mit Abhörgeräten. Zulässig ist diese unter anderem zur Ausforschung terroristischer Vereinigungen, sofern durch ein Gericht bewilligt.
In der Praxis zeigt sich, dass die Maßnahme nur selten eingesetzt wird. Im Jahr 2022 kam es österreichweit lediglich zu sechs Späh- und Lauschangriffen, ein Wert, der dem langjährigen Trend entspricht. Es drängt sich die Frage auf, ob es vor diesem Hintergrund überhaupt eine Erweiterung der Überwachungsbefugnisse braucht.
„Extremisten chatten“
Geht es nach dem Terrorismusexperten Nicolas Stockhammer, dann ja: „Extremisten kommunizieren heutzutage über verschlüsselte Chats via App oder Social Media.“ Genau deshalb bräuchten Ermittler – wie im restlichen Europa – die Möglichkeit, in ausgewählten Fällen mitzulesen.
Tatsächlich tauschten die Islamisten ihre mutmaßlichen Anschlagspläne rund um die Pride-Parade über die sozialen Medien aus. Man sei in diesem Bereich nicht mehr modern und zeitgemäß, betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) deshalb bereits im Sommer. Weiter: „Es geht darum, die einzelnen Gefährder, die es zweifelsohne gibt, aus dem Verkehr zu ziehen. Da braucht die Polizei entsprechende Befugnisse und Kompetenzen.“
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Kritiker wie Hannes Stummer, Datenschutzexperte bei der NGO „Epicenter.works“, halten dem entgegen, dass der Einsatz dafür notwendiger „Spionagesoftware“ nicht gezielt möglich sei und die Demokratie untergraben würde: „Das wäre ein massiver Eingriff in die Grundrechte.“
Der Datenschützer gibt zu bedenken, dass beim Mitlesen von Chats Krimineller auch Nachrichten Unbeteiligter an diese Personen überwacht werden würden. Stockhammer hält dieses Argument für scheinheilig: „Wenn ausländische Behörden sich auf Handys einschleusen und Ermittlungsergebnisse mit unserer Polizei teilen, nehmen wir sie ja auch.“
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